Kaffeeunternehmer Albert Darboven:Der Brief der alten Dame

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Seit knapp 50 Jahren führt der Kaffeeunternehmer Darboven seine Rösterei, bis zu zwölf Tassen trinkt er - pro Tag. Kunden überrascht er manchmal per Telefon.

Kristina Läsker und Daniela Winderl

Bei der Kaffeerösterei J.J.Darboven ist der Service manchmal sehr exklusiv. Erst neulich wieder. Da hat Seniorchef Albert Darboven persönlich zum Hörer gegriffen, um einer Kundin zu erklären, wie sie auch ohne Schere ein Kaffeepaket aufbekommt. Die ältere Frau hatte Darboven zuvor einen Brief geschrieben und ihr Leid geklagt.

Patriarch mit Pferdeliebe: Kaffeeunternehmer Albert Darboven. (Foto: imago)

Viele ältere Damen würden ihm schreiben, erzählt der 74-Jährige, der die Traditionsrösterei in vierterGeneration führt. Manchmal auch Liebesbriefe. "Wenn ich dann zurückrufe, fällt denen entweder der Hörer aus der Hand, oder sie sind sprachlos." Dass kein anderer für ihn antwortet, ist kein Zufall. Darboven macht vieles allein, manches delegiert er bis heute nicht, obwohl er seit 50 Jahren an der Spitze steht. Denn dann müsste er ja die Kontrolle abgeben.

An diesem Sommertag empfängt der Patriarch in der Zentrale im Hamburger Gewerbegebiet Billbrook. Gegründet hat die Rösterei Johann Joachim Darboven 1866. Draußen stehen klotzige Silotürme, drinnen zartes Porzellan auf einem Holztisch. Überall hängt der Geruch von gerösteten Bohnen. In der Kanne wartet nachtschwarzer Bohnenkaffee, wie einst in den Siebzigern. Die Sehnsucht der Besucher nach Latte Macchiato erstickt bei diesem Anblick. Latte Macchiato kommt in der Welt des Albert Darboven nicht vor: Wie eh und je trinkt er acht bis zwölf Tassen Filterkaffee - pro Tag. Dabei sieht er aus wie in einem seiner TV-Spots für Idee Kaffee: gewelltes Haar, marineblauer Anzug, weißes Einstecktuch.

Als einziger der deutschen Kaffeekönige wirbt Darboven persönlich für seine Marken im Fernsehen. Dass der Senior für alles geradesteht, soll Vertrauen schaffen. Doch es schafft auch Probleme. Denn es fehlt der Nachfolger, der Darboven einmal an der Spitze beerben wird. In einem Alter, wo andere Millionäre längst nach Sylt übergesiedelt sind, arbeitet der Hanseat täglich von acht bis 17 Uhr in seiner Firma. Selbst am Sonntag kommt er rein. Er ist oft der einzige neben dem Pförtner.

Bis vor zwei Jahren hatte es so ausgesehen, als ob sein Sohn Arthur Ernesto später einmal die Firma leiten würde. Im Jahr 2001 wurde der Junior - er war nach der Scheidung der Eltern bei der Mutter in El Salvador und den USA aufgewachsen - vom Vater in den Betrieb geholt. Später bekam er die Verantwortung für Marketing und Personal, dann kam es zu einem Bruch. Vater und Sohn zerstritten sich über den Markenauftritt. Arthur Darboven wollte Marken allzu sehr modernisieren, heißt es in der Firma. Als der Sohn etwa einen neuen Kaffee namens Cofferotic auf einer Erotikmesse vorstellte, sei der Senior entsetzt gewesen.

Wer Fragen zur Nachfolge stellt, erhält vorsichtige Antworten. Er sei offen dafür, dass sein Sohn oder ein anderer die Firma leiten werde, sagt der Senior. "Derjenige muss in der Lage sein, Darboven nach Gesichtspunkten eines Familienunternehmens zu führen." Einen schnellen Abgang hat er nicht vor: "Heute nicht, morgen nicht und übermorgen auch nicht." Aber er wolle bald damit anfangen, einen Nachfolger aufzubauen.

Schon einmal in der Firmengeschichte hatte der Nachfolger gefehlt. Eigentlich sollte Albert Hopusch, wie Darboven senior ursprünglich hieß, als Junge 1948 mit seiner Mutter in die USA auswandern. Doch dann adoptierte ihn der kinderlose Großonkel und Firmenchef Arthur und ernannte ihn zum Kronprinzen. Er machte eine Ausbildung zum Kaufmann bei einem Kaffeeimporteur, später ging er für diesen nach Südamerika. Dort heiratete er seine erste Frau, eine Kaffee-Erbin aus reicher Familie in El Salvador. Später kehrte er zurück und stieg bei Darboven ein.

Darboven hat seitdem viel bewirkt. Er hat den Idee Kaffee berühmt gemacht, italienischen Espresso in Deutschland eingeführt und Marken wie Eilles übernommen und ausgebaut. Das ging nicht ohne Reibereien: Seine Firma gehört derzeit zu denjenigen Röstereien, die wegen Preisabsprachen in der Gastronomie hohe Strafen an das Kartellamt zahlen müssen. Darboven war von den Vorwürfen anfangs überrascht. Er habe von möglichen Absprachen nichts gewusst, sagt er. Erst als er entsprechende Unterlagen im Arbeitszimmer seines Sohnes entdeckte, habe er mit den Wettbewerbswächtern kooperiert. Sein Sohn müsse nun Bußgeld zahlen, heißt es in der Branche.

Obwohl er über 70 ist, kämpft Darboven noch immer gerne. Etwa gegen die Kaffeesteuer. Im Juni hat er wieder einmal einen Beschwerdebrief an den Fi nanzminister geschickt. Das hat er noch bei jeder neuen Regierung so gemacht. Stets blieb sein Protest ohne Erfolg. Kaffee ist ein Grundnahrungsmittel, meint Darboven. "Kaffee sollte nicht besteuert werden." Doch neben dem Vorteil für Verbraucher dürfte er auch seinen Profit im Blick haben:

Ohne die Steuer wäre ein Päckchen Kaffee im Supermarkt billiger, und dann würden die Kunden mehr teuren Markenkaffee kaufen, meint er.

Wer bei dem Traditionskonzern arbeiten will, muss die Werte und die Autorität des Firmenchefs anerkennen. Nicht jeder Mitarbeiter kann damit umgehen. In letzter Zeit etwa hat Darboven mehreren Beschäftigten gekündigt. "Ich brauche Mitarbeiter, die engagiert und loyal hinter ihrem Führpferd hergehen, nicht aus Neugierde", sagt er.

Die Analogie zum Reiten ist gewollt. Neben der Firma sind Pferde die Leidenschaft des Hanseaten. Er galt früher als einer der besten deutschen Polospieler, einmal durfte er sogar gegen Prinz Charles antreten. Mittlerweile hat Darboven das Reiten aufgegeben, doch noch immer besucht er jeden Morgen und Abend die 13 Pferde auf seinem Gestüt. Auch in den TV-Werbespots für Idee Kaffee posiert der Chef neben einem Hengst.

Noch immer geht Darboven gerne aus: Vorbei aber sind die Zeiten seiner legendären Streifzüge über die Reeperbahn, wo er mit einem Freund jedes Jahre mehrere tausend Flaschen Champagner köpfte. Beim Deutschen Derby ist er neulich wieder aufgetreten; eines seiner Rennpferde erreichte den dritten Platz. Zuvor war Darboven auch als Geldgeber des Turniers eingesprungen. Seine zweite langjährige Ehefrau Edda, eine geborene Prinzessin von Anhalt, übernahm ebenfalls einen Posten. Sie saß in der Jury, die über die schönsten Hüte der Damen auf der Rennbahn befand.

© SZ vom 02.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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