Junge Gründerin:Start-up statt Studium

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Laura Behrens Wu und Simon Kreuz haben Shippo gegründet. (Foto: oH)

Laura Behrens Wu kam als Praktikantin ins Silicon Valley - jetzt baut die 24-Jährige ein eigenes Unternehmen auf.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Drei Merkmale machen Laura Behrens Wu zu einer Ausnahme im Silicon Valley: Sie ist eine weibliche Firmengründerin, das hat in der kalifornischen Tech-Branche Seltenheitswert. Sie ist Deutsche, wovon es in Führungspositionen auch nicht viele gibt. Und sie will "ein echtes Problem für echte Menschen lösen", wie die 24-Jährige überzeugt erklärt.

In einer Ära, in der viele Start-ups der Menschheit Luxussorgen wie selbständiges Kofferpacken oder den Gang zum Waschsalon abnehmen, klingt die Idee ihrer Firma Shippo ziemlich bodenständig: Eine Software ermöglicht es kleinen Online-Shops, für ihre Lieferungen den gerade günstigsten und schnellsten Versanddienst zu finden. Shippo erhält eine Provision und handelt über die Bündelung der Nachfrage wiederum Rabatte für die Online-Shops bei DHL und Co. heraus, wie sie sonst nur Großfirmen erhalten.

Zwei Millionen US-Dollar haben die gebürtige Hamburgerin und ihr Mitgründer Simon Kreuz für diese Idee von den Risikokapitalgebern im Valley eingesammelt, 16 Mitarbeiter und 14 000 Kunden zählt Shippo nach anderthalb Jahren. Wären die beiden Gründer den europäischen Weg gegangen, hätten sie wahrscheinlich gerade ihr Betriebswirtschafts-Studium an der Elite-Uni in Sankt Gallen abgeschlossen und bei einem Großunternehmen oder in der Forschung angeheuert. Doch ein Praktikum im Silicon Valley veränderte den Blick auf Unternehmenskultur und eigene Chancen.

Noch heute erzählt die zurückhaltende Behrens Wu begeistert von ihrer Zeit beim Start-up Lendup: "Wenn etwas nicht geklappt hat, wurde etwas anderes probiert. Wenn es funktioniert hat, gut. Wenn nicht, wurde es wieder beerdigt." Bei der Erinnerung an den ersten Versuch, Teil dieser faszinierenden Welt zu werden und im Silicon Valley Fuß zu fassen, muss Behrens Wu lachen. Das Wort "Schnapsidee" ist Kaliforniern nicht geläufig, doch ein Import-Marktplatz für handgefertigte Produkte aus Europa dürfte in diese Kategorie fallen. Notwendiges Inventar, Mini-Zielgruppen und hoher logistischer Aufwand sind genau jene Faktoren, die Tech-Unternehmen mit Hilfe von Software verzichtbar machen wollen.

Allerdings lag in diesem Reinfall, wie so häufig bei Start-ups, der Kern einer besseren Idee: "Wir verkauften Produkte, die günstiger als die Versandkosten waren und wunderten uns. Wie verrückt ist es, dass Du für 25 Euro mit einer Billig-Airline fliegen kannst, aber für den Versand eines Pakets 50 Euro zahlst?" Was folgte, waren Shippo und die Teilnahme an den Start-up-Programmen "500 Startups" und "Plug & Play", die Türen zu Investoren öffneten. Doch Kontakte sind die eine Sache - die Anpassung an das kalifornische Technologie-Sendungsbewusstsein eine andere.

"Es war schwer, über den eigenen Schatten zu springen. Jeder hier übertreibt und verscheißert seine Zuhörer ein bisschen, wenn er seine Idee vorstellt", erzählt Behrens Wu, die nicht wie die geborene Schaumschlägerin wirkt. "Und genau das wird auch von Dir erwartet." In Deutschland werfe diese Form der Selbstdarstellung ein schlechtes Licht auf den Charakter, in Kalifornien sei sie notwendig, um ernst genommen zu werden. "Hier preist jeder schon den Bullshit-Faktor in Deine Präsentation ein."

Der Übertreibungsfaktor war offenbar hoch genug, mit Hilfe der Investorengelder wächst das Start-up derzeit monatlich um 20 Prozent. Und akutes Heimweh löst der Kulturunterschied auch nicht aus. Im Gegenteil: "Du bekommst hier Geld für Deine Ideen, und Du triffst die richtigen Menschen. In Europa musst Du dafür viele Hierarchien durchlaufen, und die Investoren sind sehr zögerlich."

Mögliche Kapitalgeber aus der alten Welt fragten nach fünf- bis zehnjährigen Finanzplänen. "Das ist Quatsch, ich weiß nicht, wie die Welt in fünf Jahren aussehen wird, wie soll ich da die Finanzen seriös vorhersagen? Das kann ich noch nicht einmal für nächstes Jahr", sagt die Jungunternehmerin. In der Tat sind gerade für Frühphasen-Start-ups Prognosen schwierig: Shippo ist nicht alleine auf dem Markt, das Porto-Geschäft wirft nur geringe Margen ab. Steiles Wachstum und die Akquise umsatzstarker Kunden sind also entscheidend, um irgendwann einmal Geld zu verdienen. Im Silicon Valley gehört das Risiko, dabei zu scheitern, mit dazu.

An die Wiederaufnahme ihres Studiums oder eine Rückkehr nach Europa zu denken, die "irgendwann" in ferner Zukunft einmal ansteht, verschwendet Behrens Wu deshalb keine Zeit. Stattdessen geht es in absehbarer Zeit wieder auf Investorensuche. Der Bullshit-Faktor ist längst eingepreist.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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