Jung, gebildet, arbeitslos:Generation Krise

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Hochqualifiziert und dennoch arbeitlos: Die einzige Konstante im Leben junger Akademiker ist die Unsicherheit. Warum sie dennoch gelassen bleiben.

Alexander Mühlauer

Sie wissen noch, wie es vor ein paar Jahren war, das ist es ja. Jene, die zur Generation der 25- bis 35-Jährigen zählen, erinnern sich gut daran, wie es nach dem 11. September 2001 mit der Wirtschaft bergab ging und die Arbeitslosenzahlen Mitte der Nullerjahre auf die Fünf-Millionen-Marke kletterten.

Sie sind jung, gut ausgebildet und haben es dennoch schwer, einen Job zu finden: Doch die jungen Akademiker üben sich in Pragmatismus. (Foto: Foto: photocase/g-mikee, iStoc)

Schon damals mussten viele junge, sehr gut ausgebildete Menschen eine Erfahrung machen, die sie zuvor nicht kannten: Sie wurden einfach nicht gebraucht. Tausende Hochschulabsolventen fanden keinen Arbeitsplatz; andere, die schon einen hatten, lernten den Begriff "betriebsbedingte Kündigungen" kennen.

Nur wenige Jahre später ist es wieder so weit. Die schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik trifft vor allem junge Erwachsene.

Die Deutschen sind nicht die einzigen Leidtragenden, ihren Altersgenossen in anderen westlichen Ländern geht es ähnlich. Wie hierzulande sind auch in den Vereinigten Staaten und Großbritannien zwar weniger Akademiker arbeitslos als Facharbeiter oder Ungelernte - aber auch dort steigt die Zahl der Hochqualifizierten ohne Beschäftigung massiv. Dabei haben sich die jungen Akademiker nichts vorzuwerfen: Sie haben schnell studiert, natürlich waren sie im Ausland, und drei Praktika stehen auch in ihrem Lebenslauf, mindestens. Eigentlich haben sie alles richtig gemacht - und doch verloren.

Wie es aussieht, manifestiert sich eine Konstante im Leben dieser Generation: die Krise. So unterschiedlich die Lebensentwürfe jedes Einzelnen auch sein mögen - es gibt etwas, das sie verbindet: ein Gefühl der Unsicherheit.

Dieses Unbehagen ist es, das die heute 25- bis 35-Jährigen prägt. Anders als die sogenannte "Generation Golf" vor ihr, die im Wohlfühlkokon namens BRD aufwuchs, erlebten sie einen Bruch. War ihre Kindheit in den achtziger und neunziger Jahren noch sorgenfrei und unbekümmert, erkannten sie nach der Jahrtausendwende, dass Wohlstand und Wachstum des eigenen Landes in Zukunft eher sinken statt steigen werden.

Auf den Absturz der sogenannten "New Economy" folgten, als sie erwachsen wurden, ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit und Einschnitte ins soziale Netz. Dass ein Terroranschlag jederzeit wieder stattfinden könnte, dass der Klimawandel zur Bedrohung wird, wenn man nichts dagegen tut - all das ist normal für die jungen Erwachsenen.

Die Unsicherheit ist zum Dauerzustand geworden. Und genau deshalb bleibt diese Akademiker-Generation auch in Zeiten der Wirtschaftskrise pragmatisch, unideologisch, cool. Sie hat gelernt, mit Krisen zu leben, sie kennt es nicht anders, darum diese Gelassenheit. Hinzu kommt: Für die Mehrheit dieser jungen Menschen ist es nicht existenzgefährdend, keinen Job zu haben. Noch immer bieten ihnen ihre Eltern und Großeltern finanziellen Rückhalt. Diese Generation ist auch eine Generation der Erben.

Warum aber ist sie so still, so unsichtbar? Warum fehlt ihr der Mut zur Wut? Auch deshalb, weil sie - ganz pragmatisch und realistisch - weiß, dass sie vom Staat nicht viel zu erwarten hat. Dies zeigt das Beispiel große Koalition: Abgesehen von der Rettung des Finanzsystems und der Rente mit 67 hat die Merkel-Steinmeier-Regierung nicht viel getan für junge Menschen. Im Gegenteil: Die Politiker stärkten das, was da war (Industriegesellschaft), nicht das, was sein wird (Wissensgesellschaft). Statt mehr Geld in Bildung und Forschung zu stecken, zahlte der Staat lieber eine Abwrackprämie und den Weg zur Arbeit.

Die Politiker zementieren Strukturen und sorgen so dafür, dass Innovationen ausbleiben, ganz zu schweigen von einem Erfindergeist oder gar einer neuen Gründerzeit. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Vehemenz alte Industrien immer noch subventioniert werden. Und als hätte er nichts gelernt, häuft der Staat immer mehr Schulden an, die die junge Generation irgendwann zurückzahlen muss. Diese Debatten werden viel zu selten geführt.

Vor allem die Auswirkungen des Klimawandels hätten mehr Öffentlichkeit verdient. Aber als die Wirtschaftskrise über die Welt hereinbrach, war das Thema Umwelt plötzlich nicht mehr so wichtig - vertagt, vergessen, verschwunden, irgendwo im Berliner Politikbetrieb. Statt neue Ideen zu fördern, beschäftigten sich die Krisenpolitiker und -manager lieber mit der Frage, wann der Tiefpunkt der Krise erreicht sei. Oder sie diskutierten über Dienstwagen und Geburtstagsessen.

Es ist nicht so, dass die jungen Erwachsenen deswegen in eine kollektive Depression verfallen würden. Es hilft bloß nicht, einer pragmatischen Generation etwas vorzumachen. Die jungen Menschen sind Realisten, mit leeren politischen und ökonomischen Versprechen können sie nichts anfangen.

Wenn die Politik die Jungen nicht ernst nimmt, werden sie sich weiter von ihr abwenden. Das kann aber nicht im Sinne des Gemeinwohls und des Generationenvertrags sein. Eine Gesellschaft braucht Jung wie Alt, um funktionsfähig zu bleiben. Und um voranzukommen, braucht sie vor allem die Jungen.

Wer in diesem Krisenherbst jung und hochqualifiziert ist, aber trotzdem keine Arbeit findet, darf deshalb nicht aufgeben. Vor allem sollte er nicht darüber klagen, dass es zuerst seinesgleichen trifft, wenn es zu Entlassungen kommt. So funktioniert eben die Sozialauswahl im Kündigungsschutzgesetz. Das ist nicht ungerecht, das ist nicht schlimm, das ist einfach so.

© SZ vom 17.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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