Jugendarbeitslosigkeit in Europa:Herr Hartz hat einen Plan

Peter Hartz

Seine Ideen seien ein "Angebot an die Regierungen": Ex-Kanzlerberater Peter Hartz.

(Foto: Imago Stock&People)

Er will den Regierungen ein "Angebot" machen: Der Ex-Kanzlerberater Peter Hartz stellt ein Konzept zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa vor.

Von Lea Hampel

Es ist wenige Wochen her, da gab es wieder Blaulicht und Wasserwerfer auf Barcelonas Straßen, gerichtet auf junge Menschen, die wütend durch die Straßen zogen. Der Anlass diesmal: ein Sozialzentrum, das geschlossen werden sollte. Der eigentliche Grund: Die Wut einer Generation, die das Gefühl hat, keine Chance zu haben und ihren Emotionen freien Lauf ließ - mit Parolen gegen den Staat, die Banken, das Wirtschaftssystem.

Dass gerade in Spanien die Polizei in den vergangenen Jahren immer wieder mit jungen Menschen aneinander gerät, ist wenig verwunderlich. Über die Hälfte der Spanier, die unter 25 Jahre alt sind und gerne eine Arbeit hätten, finden keinen Job, seit die Wirtschaft des Landes in der Krise steckt.

Merkel warnte bereits vor der "verlorenen Generation"

Jugendarbeitslosigkeit als gesellschaftlich wohl gravierendste Folge der Krise ist für die Europäische Union längst zu einem der größten Probleme geworden. Auf einem Politikgipfel warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einer "verlorenen Generation", längst gibt es Programme, die junge Menschen in Arbeit bringen sollen.

Das Ziel wurde zu einer politischen Priorität erhoben, unter anderem wurde eine "Jugendgarantie" beschlossen, die dafür sorgen soll, dass kein junger Mensch länger als vier Monate ohne Praktikum, Ausbildungsplatz oder Job bleibt. Bisher zeigen die Maßnahmen wenig Wirkung, die Arbeitslosenzahlen bleiben hoch, in Spanien und anderswo, in Griechenland oder auch Italien.

Auch Peter Hartz bereitet das Thema Sorgen, seit sechs Jahren beobachtet er die Entwicklung. Der ehemalige Spitzenmanager von Volkswagen, bekannt für Reformpakete (Hartz IV), die heute oft mit sozialem Abstieg gleichgesetzt werden, schätzt, dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit 215 Milliarden Euro kosten würde. Weil das weit über dem Budget einzelner Länder wie auch dem der Gesamtunion läge, hat der Arbeitsmarktexperte ein eigenes Programm ausgearbeitet.

Das Programm ist Grundlage eines Kongresses der "SHS Foundation" (Saarländer helfen Saarländern) mit dem Thema "Zukunftsperspektiven statt Jugendarbeitslosigkeit". Auf der dreitägigen Tagung diskutieren Wissenschaftler, Arbeitsmarktexperten und Politiker wie Justizminister Heiko Maas über Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

Hartz, Stifter und Gründer der Stiftung, hat mit anderen Experten, einen Sechs-Punkte-Plan aufgestellt: Zunächst soll für jeden Jugendlichen ein persönlicher Entwicklungsplan aufgestellt werden, in dem Experten herausfinden, wo die jeweiligen Stärken liegen, "Talentdiagnose" nennen die Experten das bereits auf lokaler Ebene getestete Instrument. Ein sogenannter "Beschäftigungsradar" soll herausfinden, wo es in verschiedenen Ländern und Gegenden welche Bedürfnisse am Arbeitsmarkt gibt.

Der Kümmerer als neue Beschäftigungsform

Ein Beispiel für neue Beschäftigungsformen ist etwa der Kümmerer, der Alltagsprobleme erledigt. Über diesen Beschäftigungsradar wird herausgefunden, in welcher Region solche Arbeit häufig nachgefragt wird. "Das funktioniert bis auf die Straße genau", sagt Christian Ege, ehemaliger Staatssekretär für Wirtschaft und Wissenschaft im Saarland, der den Plan mit entwickelt hat. "Früher musste man Flugblätter einwerfen, heute findet man das per Datenabfrage heraus." Auf diese Weise sollen Existenzgründungen gezielter gefördert werden.

Für die Unterstützung auf der lokalen Ebene ist ein System angedacht, das "Social Franchising" heißt, ein Unterstützungsnetzwerk, angepasst an lokale Gegebenheiten: Innerhalb dessen können Menschen einerseits Aufgaben selbständig nach Franchise-Prinzip übernehmen, zugleich aber über das System selbst beraten werden.

Auch Kurzarbeit spielt in Hartz' Konzept eine Rolle

Die eigentliche Neuerung ist die Finanzierung. Sie soll zwar über bestehende öffentliche Förderprogramme erfolgen, "aber nicht ausschließlich", betont Ege. Der Plan sieht vor, mit Hilfe der Europäischen Investmentbank Fonds zu schaffen, die Ausbildungen finanzieren, die sonst so nicht zustande kämen. Über diese Ansätze hinaus greift das Konzept auf Bewährtes zurück: Firmen sollen besondere Darlehen bekommen, wenn sie Arbeitslose nach der Ausbildung übernehmen. Zudem soll Kurzarbeit dafür sorgen, dass in Krisen keine zusätzliche Verwaltungsarbeit entsteht.

Dass solche Schritte nötig sind, erklärt Ege nicht nur mit den weiter steigenden Arbeitslosenzahlen, sondern auch mit Defiziten an den bestehen EU-Programmen: "Die Umsetzung bisheriger Maßnahmen erfolgt nicht schnell genug", sagt Ege. Deshalb entwickle die Stiftung konkrete Lösungen. "Die Talentdiagnostik kann man beispielsweise einführen, ohne gleich das Gesetz zu ändern."

Ganz einfach zu lösen wäre das Problem Jugendarbeitslosigkeit allein mit neuen finanziellen und technischen Ansätzen freilich auch nicht. Das Programm fordert einen hohen Tribut von den Menschen. Nicht umsonst heißt es "Europatriates", Europa soll zur Heimat werden, auch beruflich.

"Tausche Arbeitslosigkeit gegen temporäre Ausbildung und Beschäftigung" fasst Ege zusammen und erklärt: Eine Ausbildung im Stammwerk eines Unternehmens helfe, Arbeitsplätze an verschiedenen Standorten zu finden. Doch Ausbildungsplätze sind eben keine Arbeitsplätze.

Peter Hartz gibt sich dennoch optimistisch. Er behauptet sogar, mit seinem Plan würden nicht nur die Arbeitslosigkeit, sondern auch der Fachkräftemangel und die Altersvorsorgeprobleme beseitigt. Er und die anderen Experten sehen in ihren Ideen ein "Angebot an die Regierungen". Ob Angela Merkel und ihre europäischen Kollegen dieses annehmen oder zumindest in Erwägung ziehen, wird sich am 11. Juli zeigen - beim nächsten Gipfel zur europäischen Jugendbeschäftigung in Turin.

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