Jobsuche:Hinterm Tellerrand

Jobsuche: Aber was sollen die gesuchten Aushilfen abbauen? Das verrät auch dieses Stellenangebot nicht.

Aber was sollen die gesuchten Aushilfen abbauen? Das verrät auch dieses Stellenangebot nicht.

(Foto: imago)

In vielen Branchen wimmelt es von nichtssagenden Stellenanzeigen. Das macht es für Firmen schwer, Fachleute zu gewinnen. Drei Plädoyers für persönlichere Ausschreibungen.

Von Janis Beenen

Ein mittelständisches Unternehmen sucht einen Mitarbeiter. Beim Blick in die Stellenanzeige kommt der Eindruck auf, dass die Besetzung des Postens nicht allzu dringlich sein kann. Die Ausschreibung wirkt unspezifisch und lustlos; da gibt es wohl keine zwei Meinungen. Der Text lautet: "Sie sind ambitioniert, zielstrebig und können über den 'Tellerrand' hinausschauen? Sie wollen eine herausfordernde Aufgabe mit guten Entwicklungsperspektiven? Für ein längerfristiges Entwicklungsprojekt suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n Hardware-Entwickler/in für Automotive Anzeige- und Bediengeräte."

Solche Inserate sind eher die traurige Regel als eine haarsträubende Ausnahme. In vielen Branchen wimmelt es von nichtssagenden Anzeigen. Das macht es für Firmen schwer, Fachleute zu gewinnen. Die Qualifikationen des Bewerberfeldes divergieren. Ein personell und finanziell aufwendiges Auswahlverfahren ist unausweichlich. Schlimmer ist es noch für Menschen, die auf der Suche sind. Was sie tatsächlich erwartet, wissen die Bewerber erst nach dem Vorstellungsgespräch. Wenn es schlecht läuft, am ersten Arbeitstag.

Bei der Personalsuche in deutschen Unternehmen jeder Größe existiert erheblicher Optimierungsbedarf. Manches muss sich dringend ändern. Ansonsten wird die erfolgreiche Besetzung von Stellen schwierig. Da sind sich Experten, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Thema befassen, einig. Drei dieser Fachleute halten Plädoyers für ein Umdenken bei der Mitarbeitersuche:

Der Berater

Wenn Jörg Buckmann Arbeitnehmer anwirbt, wird es bunt. Der freiberufliche Experte für Personalgewinnung hat etliche Kampagnen für verschiedene Unternehmen entwickelt. Manches erregte Aufsehen. Vor einiger Zeit sollte er im Auftrag der Verkehrsbetriebe Zürich endlich auch mehr Frauen für den Beruf der Tramfahrerin begeistern. Dazu rief er kurzerhand die Uniformfarbe Blau zur Trendfarbe des Jahres aus und inszenierte eine Trampilotin als Model. So aufwendig muss es aus seiner Sicht aber gar nicht immer werden. Einfache Stellenanzeigen könnten unter Einhaltung weniger Leitlinien schon wesentlich effizienter werden. "Verschiedene Erhebungen zeigen, dass fünf Aspekte für Bewerber entscheidend sind: Abwechslung und Freiräume bei der Arbeit, ein tolles Team, mögliche Entwicklungsstufen, Sicherheit sowie der Lohn", sagt Buckmann. Genaue Ausführungen zu diesen Aspekten seien in Anzeigen unabdingbar.

Der Arbeitsmarkt solle zu einer Kultur kommen, in der exakte Informationen Allgemeinplätze ersetzten. Buckmann: "Stellenausschreibungen müssen Werbeanzeigen für einen Job sein." So hätten Firmen trotz vermeintlich unlösbarer Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel gute Chancen auf geeignete Kandidaten. Dabei gelte es nicht nur, bei der Beschreibung der eigentlichen Aufgabe konkret zu werden. Auch das Unternehmen selber soll möglichst detailliert beschrieben werden. "Vorteile, die den Arbeitgeber ausmachen, müssen genannt werden", sagt Buckmann.

Die vernachlässigte optische Gestaltung vieler Anzeigen nervt den Buchautor besonders: "Symbolbilder sind ein Unding. Bewerber möchten Fotos von echten, künftigen Kollegen sehen." Schließlich sei der Wechsel in einen neuen Job oft ein Schritt ins Ungewisse. Neben sachlichen Faktoren seien daher auch emotionale Faktoren entscheidend. Buckmann hat eine einfache Erklärung, warum bei den Stellenanzeigen viel im Argen liegt: "Die meisten Ausschreibungen gestalten Personaler. Das sind keine Marketingexperten."

Der Forscher

Ingo Weller ist Professor für Human Capital Management an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er beschäftigt sich aus wissenschaftlicher Perspektive mit Stellenanzeigen. Sein Befund ähnelt dem des Praktikers Buckmann: "Ob allgemein formulierte Ausschreibungen einer Strategie folgen oder schlicht aus Unwissenheit entstehen, ist schwer zu beurteilen." Weller hat eine differenzierte Meinung zur optimalen Stellenanzeige. Er rät Unternehmen und Bewerbern davon ab, sich generell von offen gestalteten Texten zu distanzieren. Dahinter kann nämlich eine simple Idee stehen: Eine Suche nach harten und eindeutigen Kriterien engt den Bewerberkreis ein. "Man bekommt einförmige Typen. Vielfalt geht verloren", sagt Weller. Allgemeine Formulierungen sind also eine Chance für Menschen, die sich vielfältiges Potenzial zurechnen und sich flexibel zwischen verschiedenen Aufgaben bewegen möchten.

Weller warnt davor, aus diesen Erkenntnissen falsche Schlussfolgerungen zu ziehen: "Das Konzept der offenen Formulierungen funktioniert nur für bestimmte Berufsgruppen und Unternehmen." Sehr bekannte Firmen könnten sich zum Beispiel unspezifische Inserate leisten, da Tätigkeitsbereiche für Bewerber abzusehen seien. "Warum unbekanntere Betriebe unkonkrete Anzeigen veröffentlichen, ist mir schleierhaft", sagt Weller. Die Aussage der Wissenschaft sei eindeutig: "Die Chance auf die erfolgreiche Besetzung einer Stelle steigt, je mehr Bewerber und Unternehmen übereinander wissen."

Die Praktikerin

Personalreferentin Rebecca Weih weiß, wie eine erfolgreiche Personalsuche funktioniert. Im Hinblick auf die Leitlinien der Experten aus Theorie und Praxis macht ihr Unternehmen, die Witt-Gruppe, einiges richtig. Das Versandhaus mit der Zielgruppe 50 plus steht vor der Herausforderung, IT-Spezialisten und weitere Fachkräfte aus hippen Metropolen in die Oberpfalz zu locken. Ein Grund dafür, dass das gelingt, sind die in Fachkreisen gelobten Stellenausschreibungen.

Die Anzeigen beginnen mit dem Foto eines Mitarbeiters und drei Vorteilen des Jobs, die in großen Lettern angepriesen werden. Ein kurzer Text zum Unternehmen und eine präzise Darstellung von Anforderungen sowie Aufgaben folgen. "So bekommen wir tatsächlich Spezialisten", sagt Personalreferentin Weih und schiebt hinterher: "Trotz Fachkräftemangel." Bei der Gestaltung einer Stellenanzeige gehe es auch darum, sich in die Bewerber hineinzuversetzen, sagt Weih: "Wenn wir ein Produkt verkaufen, denken wir ja auch aus Kundensicht."

Trotz der positiven Resonanz ist die Personalreferentin überzeugt, dass auch die Witt-Gruppe ihre Ausschreibungen kontinuierlich anpassen muss. "Es gilt, Anzeigen noch übersichtlicher zu machen und den Bewerbungsprozess zu verkürzen", sagt Weih. An eine Zukunft von unspezifischen Ausschreibungen glaubt sie nicht: "Die Hoffnung, in einem breiten Bewerberfeld die richtigen Leute zu finden, ist Wunschdenken."

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