Japan:Herr Kuroda schockt die Märkte

Bank of Japan Haruhiko Kuroda speaks next to a panel to explain his policy during a news conference at the BOJ headquarters in Tokyo

Überraschende Pressekonferenz: Der Chef der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda, erklärt die neuen Negativzinsen

(Foto: REUTERS)
  • Wer hat, dem wird genommen: Japans Banken müssen künftig einen Negativzins zahlen, wenn sie ihr Geld bei der Zentralbank parken, statt es zu verleihen.
  • Das soll Japans Wirtschaft helfen. Doch vor allem den jungen und den alten Japanern fehlt Geld, um zu konsumieren.

Analyse von Christoph Neidhart, Tokio

Die Geldpolitik der japanischen Zentralbank ist bereits beispiellos radikal. Nun hat die Bank of Japan eine weitere Maßnahme beschlossen: Sie führt Negativzinsen ein. Statt wie bisher 0,1 Prozent Zins zu erhalten, müssen Japans Geschäftsbanken auf ihre Einlagen bei der Notenbank künftig 0,1 Prozent Zins zahlen. Wer hat, dem wird genommen.

Damit will die japanische Notenbank die Geldhäuser animieren, der Wirtschaft vermehrt Kredite zu gewähren. Das neu gedruckte Geld soll in Umlauf gelangen, nicht wie bisher zu einem großen Teil bei den Banken liegen bleiben. Allerdings besteht wenig Nachfrage nach Krediten. Insbesondere die großen Konzerne sitzen selber auf enormen Geldreserven.

Die Entscheidung kommt sehr überraschend. Noch vor wenigen Tagen hatte der japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt, dass es keine Pläne zur Einführung negativer Zinsen gebe. Die asiatischen Börsen reagierten positiv, die Kurse stiegen spürbar. Die übrigen Maßnahmen der Bank of Japan, ihre Wertpapierkäufe im Umfang von etwa 4,5 Milliarden Euro jährlich und die Übernahme von Staatsanleihen für 80 Billionen Yen, etwa 600 Milliarden Euro, werden unverändert weitergeführt.

Mit dem Kauf von Staatsanleihen finanziert die Zentralbank das Defizit des verschuldeten Staates, der Kredite in Höhe von 250 Prozent der japanischen Jahreswirtschaftsleistung aufgenommen hat. Das verzerrt den Markt für Staatspapiere. Bereits heute hält die Notenbank ein Drittel aller ausstehenden Staatsschulden.

Die Zentralbank versucht verzweifelt, die Inflation anzuheizen

Die Lockerung der Geldpolitik gilt als erstes Maßnahmenbündel der dreiteiligen Abenomics, dem Programm zur Ankurbelung der japanischen Wirtschaft, benannt nach Premier Shinzo Abe. Weil es der Notenbank gelang, die Börse anzufeuern und den Yen zu schwächen, galt die Geldpolitik bisher als einziger Erfolg von Abenomics.

Allerdings ist Zentralbankchef Kuroda von seinem Ziel, zwei Prozent Inflation zu provozieren, immer noch fast so weit entfernt wie bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren. Der jüngste Schritt der Zentralbank zeige, dass sie mit ihrem Versuch, Inflation zu generieren, in Schwierigkeiten stecke, kommentierte die Wirtschaftszeitung Nikkei. Seit mehr als drei Jahren macht Notenbanker Kuroda die zwar sanfte, aber hartnäckige Deflation für die Stagnation von Japans Wirtschaft verantwortlich, die seit bald 25 Jahren anhält.

Den Jungen und den Alten fehlt Geld zum Ausgeben

Nun verschob er das Inflationsziel ein weiteres Mal auf Sommer 2017. Kuroda glaubt, eine angebliche Deflationserwartung veranlasse Verbraucher und Anleger, Käufe und Investitionen hinauszuschieben, da sie ja billiger würden.

Dabei vergisst er, dass ein großer Teil der Japaner, insbesondere die Jungen, wegen der schlechten Löhne gar kein zusätzliches Geld haben, das sie ausgeben könnten. Die Alten, von denen viele auf Ersparnissen sitzen, fürchten die Zukunft, weil Premier Abe die Renten gekürzt hat - und weil sie auf ihre Bankeinlagen schon seit Jahren keine Zinsen erhalten, subjektiv also stetig ärmer werden.

Solange die Löhne und Renten in Japan nicht deutlich steigen, wird die Wirtschaft kaum gesunden. Denn sie wird zu zwei Drittel vom Konsum angetrieben. Doch die Prognosen für die Lohnrunde im Frühjahr lassen keine deutlichen Erhöhungen erwarten. Gleichzeitig sehen die meisten Unternehmer ihrerseits keine Veranlassung, in Japan zu investieren. Das Land gilt als überregulierter, schrumpfender Markt.

Dennoch lässt Notenbanker Kuroda keine Kritik an seinem Dogma gelten, wenn es Japan nur gelinge, die Deflationserwartung zu durchbrechen, werde die Wirtschaft anziehen. Die Entscheidung für Negativzinsen fiel im geldpolitischen Rat der Bank of Japan mit fünf zu vier Stimmen sehr knapp aus. Dennoch kündigte Kuroda an, die Zentralbank werde die Negativzinsen in einer nächsten Runde allenfalls noch erhöhen.

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