Jahrelange Krise befürchtet:Siemens verliert die Hoffnung

Bislang galt Siemens als Fels in der Brandung der Finanzkrise. Doch nun treffen die Turbulenzen auch Europas größten Technologiekonzern.

Markus Balser

Die Chefetage will Kapazitäten kürzen und noch mehr Beschäftigte in Kurzarbeit schicken. Ein rasches Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Finanzchef Joe Kaeser warnt bereits vor einer jahrelangen Krise.

Jahrelange Krise befürchtet: Siemens-Gebäude in München: Die Flaute in der größten Sparte "Industrie" hat sich zugespitzt.

Siemens-Gebäude in München: Die Flaute in der größten Sparte "Industrie" hat sich zugespitzt.

(Foto: Foto: AP)

Zwar hat Siemens viele Beschäftigte bereits in Kurzarbeit geschickt und damit seine Kosten gesenkt. Doch das reicht offenbar nicht mehr aus, um den Abschwung der Weltwirtschaft abzufedern.

Die Zahl der bisher 7400 von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten werde sich deutlich erhöhen, kündigte Kaeser in München vor Journalisten an. "Die Weltwirtschaft befindet sich ganz sicher in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Konzern, der erst im vergangenen Jahr etwa 16.000 Stellenstreichungen abgearbeitet hatte, weitet damit sein Sparprogramm erneut aus.

Starke Stellung in der Energie- und Umwelttechnik

Lange galt der Konzern mit 77 Milliarden Euro Umsatz und seinen weltweit fast 430.000 Mitarbeitern als Fels in der Brandung. Die starke Stellung in der Energie- und Umwelttechnik bewahrte die Münchener zunächst vor starken Geschäftseinbrüchen.

Noch Ende Januar legte der Konzern einen Milliardengewinn im ersten Quartal vor. Doch nun hat sich die Flaute offenbar vor allem in der größten Sparte Industrie, die zum Umsatz 50 Prozent beisteuert, zugespitzt.

Große Schwierigkeiten gebe es in der Industrieautomatisierung und der Lichttochter Osram, räumte Kaeser ein. Wegen des Einbruchs im Maschinenbau habe es in der Automatisierung starke Rückgänge gegeben. Osram leide stark unter der Krise der Autobauer und ihrer Zulieferer.

Doch die Zahl der Baustellen im Konzern wächst. Kaeser kündigte die Ausweitung der Kurzarbeit auch auf andere Bereiche an. Selbst in der Medizintechnik - über Jahre Garant für Milliardengewinne - stößt der Konzern auf Probleme.

So laufe das Geschäft mit bildgebenden Verfahren wie der Kernspintomographie nur noch schleppend. Gut sieht es nur noch im Geschäft mit Kraftwerken, Windkraftanlagen und Stromnetzen aus. "Der Energiezyklus ist noch intakt", sagte Kaeser.

"Eher noch zwei Jahre als zwei Quartale"

Führende Betriebsräte gehen inzwischen davon aus, dass die Zahl der Kurzarbeiter in wenigen Monaten auf bis zu 15.000 steigen könnte. Personalvorstand Siegfried Russwurm hatte eine Verdoppelung zuletzt nicht mehr ausgeschlossen. "Wir sind der Auffassung, dass die Kurzarbeit ein sehr probates Mittel ist, eine längere Schwächephase zu überbrücken", sagte Finanzchef Kaeser.

Denn in der Konzernzentrale wächst die Angst vor einer anhaltenden Talfahrt. Die Durststrecke werde "eher noch zwei Jahre als zwei Quartale" andauern, sagt Finanzvorstand Kaeser. "Wir müssen uns auf eine deutliche Anpassung der Nachfrage einstellen."

In vielen Geschäften ist nach Einschätzung Kaesers das Ende des Abschwungs noch nicht erreicht. Siemens könnte auch über den Umweg der Kunden davon getroffen werden. "Wir werden einen kleineren Markt haben", sagt Kaeser voraus.

Mit seinen neuen Sparmaßnahmen rückt der Konzern endgültig von seiner optimistischen Linie ab. Bei der Hauptversammlung des Konzerns Ende Januar hatte Siemens-Chef Peter Löscher noch erklärt, der Konzern gehe gestärkt in die Krise.

"Wir gehen mit Selbstvertrauen, Kraft und Entschlossenheit durch das Jahr 2009", machte sich Löscher Mut und erklärte: "Wir sehen keinen Grund in den Chor derer einzustimmen, die mit düsteren Äußerungen die Stimmung in den Keller ziehen."

Harte Kritik an den Akteuren der Finanzmärkte

Kaeser übte am Donnerstag harte Kritik an den Akteuren der Finanzmärkte. Offenbar habe man mit Werten gearbeitet, die nicht vorhanden waren: "Das Geld war gar nicht da."

Auch das Gewinnziel des Konzerns für das laufende Jahr ist nun offenbar in Gefahr. Siemens wollte in seinen drei Sparten Industrie, Energie und Medizintechnik, bislang im laufenden Jahr 8 bis 8,5 Milliarden Euro verdienen.

Zwar rückt der Konzern offiziell bislang nicht von seinen Gewinnzielen ab, im Aufsichtsrat verlautete jedoch am Freitag, es werde immer schwerer das Ziel zu erreichen. "Wir werden das neue bewerten", kündigte Finanzchef Kaeser an und räumte ein: "Die Zeiten sind nicht einfacher geworden."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: