50 Jahre "Playboy":Die Häschen-Schule

Das Original der Auszieh-Kultur war stets ein Reiseführer durch Utopia - und fand billige Epigonen.

Von Gerhard Matzig

(SZ vom 6.12.03) — Werfen wir einen sehr kurzen und sehr flüchtigen, ja, fast flüchtenden Blick auf einen einzigen Quadratmeter Kiosk-Wahrheit im Advent. "1628 Männer sind ganz ehrlich: Was sie im Bett gern probieren würden" - davon berichtet die Zeitschrift Glamour.

50 Jahre "Playboy": Hugh Hefner mit der Ur-Ausgabe.

Hugh Hefner mit der Ur-Ausgabe.

(Foto: Foto: AP)

Das Fachblatt Jolie untersucht dagegen, "warum Männer auf Blow-Jobs und Frauen auf Doggy-Style stehen". Joy bietet einen "Report" über "One-Night-Stands". Men's Health weiß guten Rat: "So machen Sie jede Frau scharf".

Young verrät: "Die Beste im Bett zu sein, ist ganz einfach". Maxim berichtet von der "perfekten Affäre", GQ von den "Sex-Ikonen des Pop", Flash vom "Sex zu dritt" - und was macht eigentlich Brigitte auf diesem ubiquitären Weihnachtsmarkt der so genannten Tabulosigkeiten?

Essen sexy?

Hat man in der guten alten frauenlieben Brigitte endlich, ENDLICH mal Ruhe vor all den perfekten Blow-Jobs zu dritt und all den geschärften Frauen, vor all den besten One-Night-Stands dieser Welt und vor den 1628 Versuchen über die Ehrlichkeit im Bett? Vielleicht stattdessen etwas über Tischdekoration? Oder Plätzchenrezepte? Was verspricht uns also der Brigitte-Titel im Dezember? "Warum essen so sexy ist" - mein Gott!

Kann es eigentlich sein, dass viel zu viel Sex in der Welt ist? Stimmt womöglich die Pop-These, wonach unsere Gesellschaft entschieden "oversexed", vermutlich aber zugleich auch gewaltig "underfucked" sei? Kann gut sein. Kann sehr gut sein.

Dann wäre der Kiosk jener Ort, an dem wir unserem zu Zeitschriftenpapier gewordenen Ersatzleben begegnen können: Es wäre also der traurigste Ort der Welt. Wobei man sich die Welt nicht als Scheibe und auch nicht als Kugel, sondern nur als gigantische, bläulich-längliche Viagra-Pille denken muss, die nur verlassen darf, wer den soeben bei Fit for fun erschienenen "großen Erotik-Ratgeber" auswendig hersagen kann.

Goldenes Heft

Man wünscht sich die Welt beinahe als sexfreie Zone. Und deshalb ist es fraglich, ob dem Playboy nun zu seinem 50.Geburtstag und zu seinem wie aus einem Goldbarren gestanzten "großen Jubiläumsheft mit den schönsten Frauen der Welt" zu gratulieren ist. Müsste man Hugh Hefners Zeitschrift nicht schon für den Satz "alles, was Männern Spaß macht" wegen erwiesener Spaßlosigkeit verhaften?

Müssten die Redakteure nicht zur Verantwortung gezogen werden für die unfassbare Tristesse jener artifiziellen Silikonlandschaften, welche nur von alternden Playboys und erblindeten Lustgreisen mit dem Terrain von Sex und Erotik verwechselt werden?

Urgrund "Playboy"

Die Frage ist: Was kann der Playboy dafür, dass die behauptete Lust und der ersehnte Luxus natürlich dort nicht sein können, wo alle Lust und aller Luxus sind? Antwort: Der Playboy ist durchaus so etwas wie der Urgrund all der durchsexten Blättchen, der dümmlichen Erotik-Ratgeber und der läppischen Sex-Studien-Auszieher - nur darf man ihn nicht mit den Epigonen verwechseln.

Er hat schon etwas zu tun mit dem allgemeinen Dämmerschlafrotlicht unserer Zeit - aber er verhält sich zu den Blow-Job-Börsen dennoch wie ein würdiger Ahnherr zu seinen missratenen Quengel-Kindern. Der Playboy ist immerhin das Original - und in gewisser Weise unerreicht.

Schon deshalb darf man ihm ganz gewiss zu seinem 50. Geburtstag gratulieren. Hugh Hefner, ausgestattet mit 30-Schlafzimmer-Schlösschen, Privatzoo voller Häschen, Unterwasserbar und einer Sammlung von 1000 Seidenpyjamas, mag das sein, was man als peinlichen Viagragreis bezeichnen könnte - aber man darf sein erstaunlich vitales Werk nicht mit ihm verwechseln.

Verfrühte Nachrufe

All die Nachrufe auf den Playboy, die schon seit geraumer Zeit zu lesen sind, erscheinen deshalb ein wenig verfrüht. Übrigens steigt die Auflage: In den ersten drei Quartalen 2003 hat die deutsche Ausgabe (Burda) ein Plus von mehr als 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreicht.

Das Problem des 50-jährigen Playboy besteht wohl nicht darin, dass wahrhaftige Playboys nur als smarte Jungs, nicht aber als mittelalterliche Männer lebendig sein können, dass sie also eben nicht 50 werden dürften; es liegt vielmehr darin, dass es dem Playboy nur in einer Zeit gut gehen kann, die etwas von dessen Style weiß: von Lebensart als Kunst eines Lebens, das den schönen Dingen als Sehnsuchtsversprechungen vielleicht noch mehr gewidmet ist als schönen Frauen. Die besten Playboy-Hefte waren immer auch präzise Reiseführer durch Utopia.

Verblasster Mythos

So gesehen: Man ist ein wenig enttäuscht, auf Seite 20 der Jubiläums-Nummer auf das "Dean Spyder Motorbike" verwiesen zu werden - gedacht als zeitgemäße Übersetzung jenes Porsche 550 Spyders, mit dem sich James Dean einst zu Tode beschleunigte. Nun ist aus einer Art Mythos offenbar eine Art Mofa geworden, Höchstgeschwindigkeit 50 km/h.

Und wer wissen will, warum es der Playboy sowie die letzten Playboys nicht gerade leicht haben im Jahr 2003 - der muss die Mofawerdung jener Welt berücksichtigen, die einst als rasende Sehnsuchtsmaschine gestartet war.

Große Fotographen

Kein Wunder, dass auch die "Akte Arianne", Seite 103ff., nicht ganz mithalten kann in der großen Revue eines halben Playboy-Jahrhunderts - angefangen beim allerersten Titel mit Marilyn Monroe über Sophia Loren, Ursula Andress, Cindy Crawford, Nastassja Kinski bis Elle MacPherson.

Fotografiert haben etwa Russ Meyer, Helmut Newton oder Herb Ritts. Auf Seite 103 ist über Arianne zu lesen: "Die 21-Jährige liegt nackt auf der Couch. An ihren Füßen High Heels. Ihre Hände mit einer Schleife gefesselt. Verpackt wie ein schönes Geschenk..." Fesselnd? Nein, traurig.

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