150 Jahre Opel:Tag der offenen Fragen

Musik, Essen und Oldtimer: Opel feiert in Rüsselsheim seinen 150. Geburtstag, als ob nichts wäre. Dabei steckt die General-Motors-Tochter in der wohl tiefsten Krise der Firmengeschichte. Doch der Chef lacht, scherzt und wendet Grillgut.

Thomas Fromm

Es ist ein schönes Motiv bei internen Konzernfeiern, ein Klassiker der PR-Strategen. Weil es doch immer wieder schön funktioniert. Die Sache geht so: Der Boss, der gerade noch mit Anzug und Krawatte auf der Bühne stand, verwandelt sich in einen Gartenparty-Gastgeber. Zapft Bier, schneidet Torten durch oder grillt. Auch Thomas Sedran gibt an diesem Samstag den Grillmeister. Irgendwann steht der Opel-Interimschef hinter Pommes-Schälchen und Senftuben. Es riecht nach Pommes-Fett und Grillwurst. Und Sedran steht mittendrin in den Schwaden. Lacht, scherzt, wendet flink die Würstchen. Das schafft Vertrauen, denn wer fachmännisch grillen kann und Bier trinkt, muss im Grunde ein bodenständiger Typ sein. Vor allem aber, wenn ein Topmanager so etwas macht, dann soll das heißen: Hier arbeitet einer für seine Mannschaft. Und zwar hart.

Opel, Jubiläum, Geburtstag, Adam Opel AG

150 Jahre nach Firmengründung feiert der Autobauer mit Besuchern das Jubiläum, auch wenn der Absatz bröckelt und sich die Verluste häufen.

(Foto: dpa)

Zwei Stunden vorher war er noch der andere, der Vorstand-Sedran. Kam mit großen Schritten in Halle 2 des Rüsselsheimer Opel-Werks, wo früher geschraubt wurde und heute die großen Betriebsversammlungen stattfinden. Schüttelte Hände. "Es gibt viel zu feiern", sagt der Chef. "Wir alle bei Opel können stolz sein auf unser Unternehmen und unsere Autos." Und Tausende Opelaner applaudieren. Sie wollen heute entspannen, denn es ist Samstag, und sie sind nicht zum Demonstrieren in ihr Werk gekommen, sondern um mit ihren Familien den 150. Geburtstag von Opel zu feiern.

Natürlich hatte man sich vorher gefragt, wie das denn alles zusammengehen soll. 150. Geburtstag, Tag der offenen Tür mit Musik, Würstchen und Oldtimer-Schau. Und dazu die tiefe Firmenkrise. Die vielen Gerüchte über Werksschließungen, Stellenabbau, Milliardenverluste. "Opel hat heute die attraktivste Modellpalette in seiner 150-jährigen Geschichte", sagt Sedran. Applaus. Sedran sagt Dinge, die zum Tag passen. Nur einmal kommt ein Satz, der nicht ganz so schön ist und am Ende wohl irgendwie untergeht. Er spricht davon, dass "Fixkosten optimiert" werden müssten. Fixkosten optimieren, das heißt sparen. Und oft bedeutet das: Stellenbau. Es ist Tag der offenen Tür in der Rüsselsheimer Opel-Zentrale. Und irgendwie auch der Tag der offenen Fragen.

Opel-Chef: der wohl härteste Job in der deutschen Autoindustrie

Gerade weil es so viele offene Fragen gibt, hat Sedran den wohl härtesten Job in der deutschen Autoindustrie. Wie schon seine Vorgänger. Es fängt damit an, dass Opel in den nächsten vier Jahren 23 neue Modelle auf den Markt bringen will. Sedran lobt den neuen Kleinwagen Adam, spricht von einer "Modelloffensive", und das klingt gut, denn wer offensiv ist, dem muss es gutgehen. Die offene Frage hierbei ist: Gelingt es Opel, mit den neuen Modellen aus der Krise zu kommen? Viele rechnen schon jetzt mit einem Milliardenverlust in diesem Jahr.

Schon vor zwei Jahren wurden 8000 Jobs in Europa abgebaut, und ein Werk wurde geschlossen. Das reicht immer noch nicht. Management, IG Metall und Betriebsrat feilen an neuen Plänen, die über Kurzarbeit hinausgehen. Wie die aussehen können? Keiner weiß es so genau. Aber wieder könnten am Ende Stellen gestrichen werden, diesmal auch in der Rüsselsheimer Verwaltung. Das Werk in Bochum gilt schon seit Langem als Schließungskandidat. Möglich ist vieles, wenn sich die Lage am Automarkt nicht verbessert. Und derzeit sieht es nicht so aus. Bei der Feier am Samstag sagte der Rüsselsheimer Oberbürgermeister Patrick Burghardt einen seltsamen Satz: "Rüsselsheim steht zu seinem größten Arbeitgeber." Dabei wäre eine andere Frage viel interessanter. Nämlich die, ob der größte Arbeitgeber auch langfristig zu seiner Stadt steht.

Opel Rekord, Kadett. Es gab Zeiten, da hatte Opel 20 Prozent Marktanteil in Deutschland. Die Insignias, Astras und Zafiras sind keine schlechten Autos. Es ist das Image, das so schlecht ist. Spießig, piefig, langweilig. Und Opel stemmt sich mit aller Kraft gegen das Langweiler-Image. Kaufte die Sängerinnen Lena Meyer-Landrut und Katie Melua als Werbeträger ein; vor Kurzem auch den Dortmunder Fußballtrainer Jürgen Klopp. Jetzt soll Klopp den Teufelskreis durchbrechen. Denn je schlechter die Nachrichten, desto weniger Leute kaufen Opel. Und je weniger Opel kaufen, desto schlechter werden die Nachrichten.

Vor Halle 1 kreisen rote Luftballons der IG Metall

Heute aber soll es in Rüsselsheim gar nicht um Nachrichten gehen. Vor der Kinder-Hüpfburg in Halle 1 kreisen die roten Luftballons der IG Metall. Das ist mehr Deko als Protest. Ein Vater schiebt seine beiden kleinen Töchter auf die Hüpfburg. Wie die Stimmung ist? "Na gut", sagt er. Gut wie die neuen Autos, die da in der Halle stehen. "Wir haben schon einiges miterlebt bei Opel", sagt er. Ein neuer Chef, neue Modelle - vielleicht gehe es jetzt ja endlich bergauf. Ein anderer sagt, dass heute gefeiert werde und nicht über Politik geredet. Auch am IG-Metall-Stand: gute Laune. "Hier passiert gerade eine Kulturveränderung, die positiv gesehen wird", heißt es dort. Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug meint, man hätte sich zwar bessere Zeiten für die Feier gewünscht, aber so sei das eben. Der hoch gewachsene Arbeitnehmervertreter wirkt nicht wie jemand, der gerade einen harten Kampf gegen harte Manager ausfechten muss. Er sagt sogar, dass das Klima zwischen Management und Arbeitnehmern besser sei als früher.

Opel ist ein seltsames Unternehmen. Vielleicht hängt vieles nur vom Ort ab. Davon, wo genau man feiert. Vielleicht wäre diese Feier ganz anders, wenn sie an diesem Samstag nicht in Rüsselsheim, sondern in Bochum stattgefunden hätte. An jenem Standort, der in einigen Jahren geschlossen werden könnte. Wo der dortige Betriebsratschef Rainer Einenkel seit Monaten einen Kampf um die Zukunft seiner Fabrik führt. Aber dies hier ist Rüsselsheim, und hier begann vor 150 Jahren die Opel-Geschichte. Und deswegen darf sie hier nicht enden.

Draußen vor den Fabrikhallen steht eine Familie vor einem alten Kadett, Baujahr 1939. "Der ist genauso alt wie Opa Bernhard", sagt der Vater zu seinem Sohn. Opel und die Familien, in diesen Tagen halten sie hier zusammen. In der Halle sorgt der Nauheimer Tanzsportverein "Spicys" für gute Laune, der "Nieder-Olmer Carneval Verein 1988" lässt seine Mariechen auf die Bühne. Und das "Gemeinschaftsorchester der 1. Akkordeonclubs 1933 Rüsselsheim und des Handharmonika- und Akkordeonclubs 1934 Rüsselsheim-Haßloch" spielt Oldies von Supertramp und ein Stück, das so klingt wie "Always look on the bright side of life". Heut' ist so ein schöner Tag.

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