18 Jahre nach dem Fall der Mauer:Der Osten Deutschlands wird erwachsen

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Helmut Kohl verhieß "blühende Landschaften" - die Wiedervereinigung sollte ein ökonomischer Erfolg werden. Wie realistisch waren aber die Ziele und wie viel Geld wird heute in die neuen Länder gepumpt? Eine Zwischenbilanz.

Stefan Hofer

Die Vorstellung, die neuen Länder binnen einer Generation an das ökonomische Niveau Westdeutschlands heranbringen zu können, war ein Kind der politischen Euphorie - nicht der wirtschaftlichen Realität. Manche Ziele des Projekts "Aufbau Ost" waren zu hoch gesteckt und der Lebensstandard in Westdeutschland als Maßstab für den Fortschritt im Osten nicht immer ein geeigneter.

Nach dem wirtschaftlichen Ruin der DDR stieg der Wohlstand in Ostdeutschland enorm - und blieb dennoch hinter den Prognosen zurück.

Heute erkennen Experten wie Ullrich Heilemann, Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Leipzig, vor allem im naiven Glauben an die unbändige Regulierungskraft der Marktwirtschaft und einer allgemeinen Unterschätzung der Schwierigkeiten einer Wiedervereinigung den Kern vieler Fehleinschätzungen.

Geldstrom in den Osten

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der fünf neuen Länder war Anfang der 90er Jahre vielversprechend, ebbte aber Mitte des Jahrzehnts ab. So sanken zum Beispiel die jährlichen Wachstumsraten der Bruttowertschöpfung in den neuen Ländern von 11,9 Prozent im Jahr 1993 auf 0,1 Prozent im Jahr 2005.

Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und den Lebensstandard zu erhöhen, zahlte der Bund unter dem Namen "Solidarpakt I" den neuen Ländern in den Jahren 1995 bis 2004 sogenannte Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zum Abbau "teilungsbedingter Sonderlasten" und zum "Ausgleich unterproportionaler Finanzkraft".

Jährlich flossen rund 7,1 Milliarden Euro nach Ostdeutschland; ab 2002 wurde der jährliche Betrag sogar auf 10,5 Milliarden Euro erhöht, das ergab in Summe 81,7 Milliarden Euro.

Seit 2005 läuft der Solidarpakt II, in dem bis einschließlich 2019 die Höhe der Zuwendungen an die neuen Länder geregelt sind: 156,5 Milliarden Euro stehen bereit, davon sollen rund 51 Milliarden Euro in die Wirtschaftsförderung fließen.

Problemkind Arbeitsmarkt

Klaus Günter Deutsch von Deutsche Bank Research sieht die größten Defizite auf dem Arbeitsmarkt und in der Beschäftigungslage. Es sei zwar gelungen, den Strukturwandel in Ostdeutschland rasch voranzutreiben, ab der Diensleistungssektor sei noch markant unterentwickelt.

Sicher, es gibt einige Vorzeigeprojekte: Siemens betreibt Werke in Görlitz und Dresden; in Dresden gibt es auch die gläserne Manufaktur von Volkswagen. BMW und Porsche produzieren in Leipzig und sogar Rolls Royce lässt in Ostdeutschland bauen: Flugzeugturbinen im brandenburgischen Dahlewitz.

Doch nur wenige Großunternehmen haben ihren Hauptsitz in Ostdeutschland und die Quote sogenannter "höherwertiger" Arbeitsplätze ist niedrig.

Laut Statistischem Bundesamt verließen seit 1989 mehr als eine Millionen Menschen Ostdeutschland und Prognosen zufolge wird sich die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter bis 2050 nahezu halbieren.

Die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland liegt derzeit bei etwa 15 Prozent. Ostdeutschland: keine blühende Landschaft - aber eine Blumenwiese.

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