200 Jahre Liechtenstein:Hauptsache reich!

Liechtenstein kann sein Image als Hort krimineller Geldwäscher nicht so recht abschütteln und das Demokratieverständnis des Fürsten ist eigenartig. Dennoch wird auch nach 200 Jahren Souveränität vieles beim Alten bleiben. Schließlich macht Reichtum bequem.

Judith Raupp

Es ist heiß an diesem Sommertag in Vaduz. Die Touristen haben sich unter die Jalousien der Straßencafés verzogen. Nur ein paar Japaner stehen vor dem Wegweiser zum Schloss und versuchen zu übersetzen, was "keine Besichtigung" bedeutet.

200 Jahre Liechtenstein: Führt die Amtsgeschäfte für seinen Vater: Erbprinz Alois.

Führt die Amtsgeschäfte für seinen Vater: Erbprinz Alois.

(Foto: Foto: Reuters)

Spätestens oben auf dem Hausberg der liechtensteinischen Hauptstadt werden sie verstehen, was gemeint ist. Das Tor zum Schloss ist mit einer Kette abgeriegelt. Die Fürstenfamilie will hinter Steinmauern und Schießscharten ihre Ruhe haben.

Doch manchmal macht Erbprinz Alois eine Ausnahme - wenn es um staatstragende Ereignisse geht zum Beispiel. Am 12. Juli, an diesem Mittwoch also, feiert Liechtenstein 200 Jahre Souveränität, und das ist ein staatstragender Akt. Also empfängt Erbprinz Alois ein paar Journalisten.

Jagdbilder und ein Hirschgeweih

Er repräsentiert Liechtenstein, seitdem ihm sein Vater, Fürst Hans-Adam II., vor zwei Jahren die Amtsgeschäfte übertrug. Jagdbilder und ein Hirschgeweih zieren die Steinwände im Empfangszimmer. Von der Decke baumelt ein achtarmiger Messingleuchter. Auf der Kommode stehen Fotos der hoheitlichen Familie, dazwischen thront der verstorbene Papst Johannes Paul II.

Prinz Alois steht da, ein Glas Orangensaft in der Hand und in strammer Haltung, was damit zu tun haben mag, dass er einst in der königlich-britischen Militärakademie in Sandhurst ausgebildet worden ist.

Die Souveränität, sagt er, sei für so einen kleinen Staat wie Liechtenstein etwas Kostbares, womit er Recht haben mag; 35.000 Einwohner auf einem Flecken Erde von 160 Quadratkilometern könnten schnell unter die Räder kommen.

Was heißt eigentlich souverän?

Nur, was heißt eigentlich souverän? Das weiß selbst der Liechtensteiner Historiker Rupert Quaderer nicht so genau. Eigentlich besteht das Land seit 1719. Aber irgendwann hat die Regierung beschlossen, dass der Zeitpunkt der Souveränität im Jahr 1806 festzumachen sei.

Damals lag Napoleon mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im Streit. Er nötigte einige Fürsten, aus diesem Reich auszutreten und den Rheinbund zu gründen. Auch Liechtenstein zwang er in diesen Bund. Als Anreiz gewährte Napoleon den Gefährten eine gewisse Eigenständigkeit.

Der Liechtensteiner Fürst Johann I. wollte aber die enge Freundschaft mit den Österreichern bewahren, die unglücklicherweise Feinde Napoleons waren. So überschrieb Johann das Fürstentum kurzerhand seinem dreijährigen Sohn und ließ ihn mit den Untertanen in Napoleons Bund eintreten.

"Wir leiden an Beginnlosigkeit"

Die Beitrittsurkunde wurde nie unterzeichnet, weil der Sprössling des Schreibens nicht mächtig war. "Wir leiden an Beginnlosigkeit. Deswegen feiern wir alles, was sich uns in den Weg stellt", urteilt Quaderer.

Mit dem Feiern ist das aber so eine Sache. Der Fürst und die Regierung haben verfügt, dass die Liechtensteiner am Tag der Souveränität arbeiten müssen, weswegen der Festakt auf dem Rathausplatz in Vaduz erst am Abend beginnt. "Wir haben schon so viele Feiertage", erklärt Erbprinz Alois. Mehr sei nicht zu vertreten.

Alois ist ein freundlicher Mann von 38 Jahren. Erste graue Strähnen schauen zwischen den dunklen Haaren hervor. Er lächelt viel und spricht vorsichtig.

Hauptsache reich!

Eine Beziehung zu Bayern besteht über seine Frau. Im Juli 1993 heiratete Alois Erbprinzessin Sophie, die Ururgroßenkelin Ludwigs III. In einem Interview hat er einmal erzählt, es sei keine arrangierte Ehe, sondern eine Ehe aus Freundschaft.

Wenn man den Erbprinzen anspricht, dann mit "Eure Durchlaucht". Gefällt ihm ein Thema nicht, kneift er für einen Moment die Augen zusammen. Und Fragen über Frauen scheint Alois nicht zu schätzen. Erst seit 22 Jahren dürfen die Liechtensteinerinnen wählen.

Hoheitliche Damen ohne Stimmrecht

Im Fürstenhaus ist man noch nicht einmal so weit: Die hoheitlichen Damen haben bei wichtigen internen Angelegenheiten des Monarchenhauses kein Stimmrecht. Und Staatsoberhaupt dürfen sowieso nur die männlichen Nachkommen werden. "Alles andere wäre zu kompliziert. Die Mutterrolle kann man nicht teilen", stellt der Erbprinz klar.

Seine Gemahlin Sophie habe mit den vier Kindern und der großen Verwandtschaft genug zu tun. Außerdem müsse das Oberhaupt auch das Familienvermögen verwalten, was Alois, wie es scheint, den Frauen nicht zutraut.

Der Erbprinz hat nach seiner militärischen Ausbildung Jura in Salzburg studiert. Das dürfte ihm bei der Verwaltung des Vermögens von geschätzten fünf Milliarden Euro zu Gute kommen. Allein die Kunstsammlung soll drei Milliarden Euro wert sein.

Milliardenschwere Vermögensverwaltung

Ein wichtiger Teil des fürstlichen Reichtums ist die "LGT Group". Die größte Bank Liechtensteins verwaltet 45 Milliarden Schweizer Franken Kundengeld, etwa 30 Milliarden Euro. Der Kleinstaat rechnet mangels eigener Währung in Franken.

An den Jubiläumskosten von 3,25 Millionen Franken beteiligt sich der Fürst nicht. Das Souveränitätsfest geht auf Kosten der Staatskasse.

Liechtenstein hütet das Bankgeheimnis wie einen Schatz, was dem Land ausländische Anleger in Scharen zutreibt. Treuhänder und Banken tragen erheblich zur florierenden Wirtschaft bei.

Vor ein paar Jahren warf die Arbeitsgruppe der Industriestaaten gegen Finanzkriminalität (FATF) Liechtenstein eine zu lasche Haltung im Kampf gegen Geldwäscherei vor und setzte das Fürstentum auf die schwarze Liste der unkooperativen Länder.

Finanzmarktaufsicht verschärft

Das Image als Hort krimineller Geldwäscher ist seither zementiert. Natürlich hat das die Liechtensteiner geärgert, also haben sie die Finanzmarktaufsicht erheblich verschärft, weshalb das Fürstentum von der schwarzen Liste wieder gestrichen wurde.

Nach wie vor aber streitet die Europäische Union mit Liechtenstein, weil es bei Steuerhinterziehung die Rechtshilfe verweigert.

Hauptsache reich!

Das drückt immer noch auf den Ruf, und Regierungschef Otmar Hasler von der Fortschrittlichen Bürgerpartei kehrt deshalb gern eine andere Seite des Fürstentums hervor. "Die Banken tragen nur ein Drittel zur Wertschöpfung bei", sagt er. Ebenso wichtig seien die Industriebetriebe. Sie erbringen 40 Prozent des Bruttoinlandprodukts von gut vier Milliarden Franken.

Doch auch Hasler weiß, wie wichtig die Banken sind und dass Liechtenstein - allen voran das Fürstenhaus - den Finanzplatz nach bestem Wissen fördert.

Bankenwerbung mit der Landkarte

In kleinen Dingen zeigt sich das manchmal am besten. Der Souvenirshop neben dem noblen Hotel Residenz in Vaduz verkauft Plastikuntersetzer mit der Landkarte Liechtensteins - und eine einheimische Bank wirbt darauf um Anlagekunden.

Solche Werbung gestatten sich nicht einmal die Schweizer Banken. Jedenfalls sind die Untersetzer mit den Schweizer Motiven im Souvenirshop frei von Reklame. Von der Touristeninformation erfährt man zudem, dass Vaduz geprägt sei von "Banken, Geschäftshäusern und Spuren des Tourismus". Die Banken sind zuerst genannt, was dem Stadtbild durchaus entspricht.

Aber wenn es um den Finanzplatz geht, dann ist sich auch der Postbote Walter Schädler ausnahmsweise mit dem Erbprinzen einig. Der Mann mit dem Seehundschnauzbart und dem mächtigen Bauch sitzt in der Küche seines Einfamilienhäuschens in der Liechtensteiner Gemeinde Triesenberg.

Attraktivitätsbringer

Er löffelt Kartoffeleintopf und sagt, dass man als Kleinstaat irgendwie attraktiv sein müsse. Nun ja, Steuerhinterziehung sei vielleicht ein Grenzfall, sagt er und grinst verlegen.

Schädler hat sowieso andere Sorgen. Er leitet den Arbeitskreis Demokratie und Monarchie, und er hat Streit mit dem Fürstenhaus, weil er mehr Macht für das demokratisch gewählte Parlament und weniger Macht für den Erbprinzen will. Schädler und seine 90 Mitstreiter wollen zum Beispiel ändern, dass Alois jedes Gesetz, das der Landtag erlässt, mit seinem Veto kippen kann. Zudem kann er jederzeit die Regierung entlassen.

Schädlers Gegenvorschlag mutet zwar nicht gerade revolutionär an. Statt des ultimativen Vetos will er dem Erbprinzen ein aufschiebendes Veto zusprechen. Dann könne der Landtag das Gesetz nochmals beraten, sagt er.

Die Wut des Fürsten

Trotzdem bringen solche Ideen den Prinzen-Vater Hans-Adam in Rage. In einem Leserbrief beschimpft der Fürst seine Kritiker als "Gesinnungsgenossen jener Politiker aus der ehemaligen DDR, welche Andersdenkende ausgebürgert, eingesperrt oder umgebracht haben".

Die meisten Liechtensteiner hat der Fürst auf seiner Seite. Vor drei Jahren haben 64,3 Prozent in einer Volksabstimmung für die starken Rechte des Staatsoberhaupts votiert. Damals hatte Schädler kurz überlegt, ob er auswandern soll. Aber er hänge halt an seinem familiären Umfeld und den Freunden aus dem Musikverein, erzählt er.

Wohlstand macht bequem. Deswegen schere sich in Liechtenstein kaum einer um Politik, sagt der 48 Jahre alten Postler. Die Menschen haben gut bezahlte Jobs und leben in einer schönen Landschaft. Solange das so bleibt, lassen sie den Fürsten gern Fürst sein.

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