60 Jahre DGB:Die Macht schrumpft

Der DGB ist zum 60. Geburtstag in keiner guten Verfassung. In der Industriegesellschaft mächtig geworden, leidet er nun unter dem radikalen gesellschaftlichen Wandel. In Bildern

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DGB-Gründungskonferenz in München, Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Der DGB ist zum 60. Geburtstag in keiner guten Verfassung. In der Industriegesellschaft mächtig geworden, leidet er unter dem gesellschaftlichen Wandel.

So fing alles an: Beim Gründungskongress des Deutschen Gewerrkschaftsbundes am 12. Oktober 1949 in München formierte sich eine mächtige Organisation: 16 Einzelgewerkschaften schlossen den Bund miteinander. Seither hat sich diese Zahl deutlich reduziert. Durch den Konzentrationsprozess, den es auch bei den Gewerkschaften gegeben hat, sind heute nur noch acht Mitgliedsgewerkschaften im DGB organisiert.

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Der erste DGB-Vorsitzende Hans Böckler (Mitte), Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Erster DGB-Vorsitzender wurde Hans Böckler (hier in der Mitte). Als Böckler den Posten antrat, war er bereits 74 Jahre alt und hatte schwere Zeiten hinter sich. In der Zeit des Nationalsozialismus war er mehrfach in Schutzhaft genommen worden und musste nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 sogar untertauchen. Böcklers Einstellung war durch diese Erfahrungen stark geprägt. Seine Forderung, Schlüsselindustrien zu verstaatlichen, begründete er mit der Zusammenarbeit deutscher Industrieller mit Hitler. Böckler starb bereits am 16. Februar 1951 und kam so nur auf eine knapp eineinhalbjährige Amtszeit. Kurz vor seinem Tod im Januar 1951 gelang ihm aber noch die Einigung über die Montanmitbestimmung mit Bundeskanzler Konrad Adenauer.

Foto: Der erste DGB-Vorsitzende Hans Böckler (in der Mitte) bei der Mai-Kundgebung 1950 in Braunschweig, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Der zweite DGB-Vorsitzende Christian Fette, Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Auch der zweite DGB-Vorsitzende Christian Fette blieb nur knapp zwei Jahre auf seinem Posten. Sein Eintreten für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und deren außenpolitische Westanbindung isolierte ihn innerhalb des DGB, sodass er bereits Ende 1952 seinen Hut nehmen musste.

Foto: Der zweite DGB-Vorsitzende Christian Fette bei einer Rede vor der Gewerkschaftsjugend 1952 in Frankfurt am Main, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Der dritte DGB-Vorsitzende Walter Freitag, Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Gestürzt wurde Fette von Walter Freitag auf dem Berliner DGB-Kongress 1952 mit Rückendeckung der IG Metall. Trotz dieses gewerkschaftsinternen Putsches blieb der DGB dem pragmatischen Kurs Fettes treu. In seiner Zeit als DGB-Vorsitzender (1952 bis 1956) setzte Freitag mehr auf Kooperation als auf Konfrontation. Freitag gelang es aber nicht, dem DGB dieselbe öffentliche Präsenz zu verschaffen, die dieser noch unter dem ersten Vorsitzenden Hans Böckler gehabt hatte.

Foto: Walter Freitag spricht 1955 auf dem 2. DGB-Bundesfrauenkongress 1955 in Dortmund. Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

DGB-Plakat zum 1. Mai, Foto: DGB

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Bereits Mitte der fünfziger Jahre verlagerte der DGB seinen Fokus. Im Mittelpunkt stand nicht mehr die Forderung nach einer wirtschaftlichen Neuordnung, sondern die Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen, etwa durch kürzere Arbeitszeiten. Berühmt wurde das Plakat zum 1. Mai 1956, auf dem der DGB für eine Beschränkung der Arbeitszeiten am Samstag eintrat: "Samstags gehört Vati mir."

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Willi Richter, Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Einen Durchbruch bei der Beschränkung der Arbeitszeiten gelang dem DGB unter seinem Vorsitzenden Willi Richter (1956 bis 1962), der die Einführung der 40-Stunden-Woche zu seinem wichtigsten Ziel auserkoren hatte. Noch 1956 konnte diese maximale Arbeitszeit statt der bis dahin üblichen 48 Stunden für die Zigarettenindustrie als erster Branche vereinbart werden. 1959 wurde die Fünftagewoche (noch mit höheren Tagesarbeitszeiten als acht Stunden) im Steinkohlenbergbau eingeführt. Andere Branchen folgten Schritt für Schritt, wie etwa die Versicherungen (1960) und die Banken (1961). Ende der sechziger Jahre - inzwischen stand Ludwig Rosenberg dem DGB vor - war die 40-Stunden-Woche schließlich die Standardarbeitszeit in den Tarifverträgen.

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Von links: Krupp-Vorstandsmitglied Ernst Wolf Mommsen, DGB-Chef Heinz-Oskar Vetter, Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer und Mannesmann-Direktor Egon Overbeck, 1974, Foto: dpa

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Stark geprägt wurde der DGB durch Heinz-Oskar Vetter (auf dem Bild Zweiter von links), der die Organisation von 1969 bis 1982 leitete. Vetter gelang es schnell, politisch Profil zu zeigen - die Mitbestimmungspolitik wurde unter seiner Führung zur Chefsache. Vetter versuchte den Spagat und wollte den DGB sowohl als marktwirtschaftlichen Ordnungsfaktor als auch Gegenmacht positionieren. 1974 wehrten sich die Arbeitgeber mit Händen und Füßen gegen ein neues Mitbestimmungsgesetz, wonach die Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten großer Unternehmen paritätisch repräsentiert sein sollten. Das Gesetz wird schließlich 1976 verabschiedet.

Foto: Von links das Krupp-Vorstandsmitglied Ernst Wolf Mommsen, DGB-Chef Heinz-Oskar Vetter, Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer und Mannesmann-Direktor Egon Overbeck am 16.10.1974 bei der Bundestagsanhörung von Sachverständigen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen, Foto: dpa

DGB-Chef Ernst Breit (links) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau, 1986, Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Ernst Breit (im Bild links neben Johannes Rau) übernahm die Leitung des DGB 1982 in einer schwierigen Zeit für die Gewerkschaften. Denn der DGB war damals schwer durch die Affäre um die Neue Heimat belastet. Mehrere Vorstandsmitglieder der gewerkschaftseigenen Wohnbaugesellschaft hatten sich persönlich an den Mietern bereichert. Zusätzlich wurde bekannt, dass die Neue Heimat hochverschuIdet war. In der Folge beschloss der DGB, sich aus der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zurückzuziehen - der Niedergang der gewerkschaftlichen Gemeinwirtschaft war nicht mehr aufzuhalten. Die Rezession und Strukturkrise der achtziger Jahre mit ihren Folgen wie Massenarbeitslosigkeit und der technologische Wandel schwächten den Einfluss der Gewerkschaften zudem enorm.

Foto: DGB-Chef Ernst Breit (links) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau, 1986, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

DGB-Plakat zum 1. Mai 1991, Foto: DGB

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Die Wiedervereinigung Deutschlands bedeutete für den DGB einen unverhofften Machtzuwachs, da die Gewerkschaften der DDR dem DGB beitraten. Die Mitgliederzahl erhöhte sich dadurch deutlich auf 13,7 Millionen. Heinz-Werner Meyer, seit 1990 DGB-Vorsitzender, begrüßte die Kollegen aus den neuen Ländern mit aufmunternden Worten: "Wir haben Erfahrungen mit wirtschaftlichem Strukturwandel, betrieblichen Umstrukturierungen, mit Personalplanung und mit Sozialplänen, mit Mitbestimmung und Rationalisierungsschutz, mit Tarifpolitik und Arbeitsmarktpolitik, auf die sich unsere Kolleginnen und Kollegen in der DDR stützen."

Foto: DGB-Plakat zum 1. Mai 1991, Foto: DGB

DGB-Chef Dieter Schulte, Februar 2000, Foto: AP

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Nach dem Tod Heinz-Werner Meyers übernahm 1994 Dieter Schulte den DGB-Vorsitz. Der damals 54-jährige Duisburger galt als integrationsfähiger Pragmatiker mit diplomatischem Geschick, aber auch als knallharter Verhandlungspartner. Schulte erkannte, dass sich die Gewerkschaften im Zeitalter der Globalisierung und wegen des gesellschaftlichen Wandels hin zur Dienstleistungsgesellschaft modernisieren müssen. Er forcierte den Ausbau der gewerkschaftlichen Europaarbeit und forderte die Reform des Sozialstaats. Innergewerkschaftlich wurde Schulte wegen dieser Haltung als zu wirtschaftsfreundlich kritisiert. Die Wahl seines ...

Foto: Zu Späßen aufgelegt: DGB-Chef Dieter Schulte im Jahr 2000 bei seinem 60. Geburtstag in traditioneller japanischer Kleidung, AP

DGB-Chef Michael Sommer, Foto: dpa

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... Nachfolgers Michael Sommer im Jahr 2002 kam daher nicht überraschend. Denn unter Sommer vertrat der DGB wieder eindeutiger linke Positionen. Die Erosion der Basis konnte aber auch Sommer nicht aufhalten. Lag die Zahl der Organisierten 1991 mit der Übernahme der DDR-Gewerkschaften noch bei 13,7 Millionen, so hat sich die Mitgliederbasis seither auf gerade noch 6,4 Millionen mehr als halbiert. Der Mitgliederschwund belegt, dass der DGB noch keine Antwort auf den Umbau Deutschlands von einem Industrie- zu einem Dienstleistungsland gefunden hat. Denn DGB-Kernforderungen wie etwa die Unantastbarkeit des Kündigungsschutzes sind zwar sehr im Sinne qualifizierter Industriefacharbeiter, doch sie schaden zwangsläufig den Interessen der Arbeitslosen oder der geringqualifizierten Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich - und deren Zahl steigt.

Text: pak/cmat Foto: DGB-Chef Michael Sommer bei der Festveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen des DGB am 5. Oktober 2009 in Berlin.

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