IWF fordert Reformen:Wohnungen, Renten, Steuern

Der Internationale Währungsfonds fordert Deutschland zu Reformen auf. Die Menschen sollen länger arbeiten, dann erzielen sie länger Einkommen und brauchen für das Alter nicht so viel zu sparen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Der Internationale Währungsfonds hat vor steigenden Wohnungspreisen in Deutschland gewarnt. In einigen Regionen würden sich "Hotspots" entwickeln, da die Nachfrage das Angebot deutlich übersteige, kritisiert der Weltwährungsfonds in seinem jährlichen Bericht zur wirtschaftlichen Lage Deutschlands, den er am Montag in Berlin vorlegte.

Die von der Bundesregierung bisher veranlassten Maßnahmen reichten nicht aus, um Nachfrage und Angebot auszugleichen und damit die Preise vertretbar zu halten, schreiben die Experten. Um den Bau neuer Wohnungen in kurzer Zeit zu fördern, müssten vor allem Bauvorschriften gelockert werden. Die IWF-Experten empfehlen, "örtliche Behörden zu ermutigen, Flächennutzungspläne und Traufhöhenvorschriften zu vereinfachen".

Die Wohnungspreise steigen in Deutschland vor allem in Städten überdurchschnittlich an. So sind Wohnungen in Berlin, gemessen am Einkommen am Ort, mittlerweile fast so teuer wie in Hamburg. Nur in München kosten Immobilien noch mehr. Der Preisanstieg liegt einerseits an den niedrigen Kreditzinsen für Immobilienverträge, die immer mehr Bürger motivieren, sich die eigenen vier Wände zu kaufen. Andererseits zieht die Nachfrage aus dem Ausland an. Der deutsche Immobilienmarkt gilt als krisensicher.

Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maßnahmen verabschiedet, um mehr Wohnungen bauen zu lassen. So gibt sie unter anderem staatliche Grundstücke und Niederlassungen preisgünstig an Projektträger ab, die erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung stellen wollen. Die große Koalition hat auch mehr Geld für sozialen Wohnungsbau bereitgestellt.

Das alles, so der Fonds, reiche aber nicht aus, um kurzfristig den Wohnungsbau anzukurbeln. Die anziehenden Immobilienpreise in Deutschland rechtfertigen nach Meinung der IWF-Experten eine enge Überwachung des Marktes.

Steigende Löhne und Preise würden den Abbau des Überschusses beschleunigen

Der Fonds forderte Deutschland zugleich auf, Investitionen zu fördern, Arbeitnehmer steuerlich zu entlasten und höhere Löhne zuzulassen. "Der zur Verfügung stehende finanzielle Spielraum sollte genutzt werden für Initiativen, um das Wachstumspotenzial ebenso zu verbessern wie Investitionen in die Infrastruktur und Digitalisierung, Kinderbetreuung, Flüchtlingsintegration und für eine Senkung der Steuerlast auf Arbeit", schreiben die Experten.

Zugleich fordern sie einen nachhaltigen "Anstieg der Löhne und Inflation in Deutschland". Dieser sei "erforderlich, um die Preissteigerung in der Euro-Zone anzuheben und eine Normalisierung der Geldpolitik zu erleichtern". Enrica Detragiache, Chefin des Deutschland-Teams, forderte die Bundesregierung zugleich erneut auf, die hohen Handelsüberschüsse abzubauen. Im Jahr 2016 sei der deutsche Überschuss der größte weltweit gewesen. Steigende Löhne und Preise würden den Abbau beschleunigen.

Der Fonds empfiehlt eine Rentenreform, um längeres Arbeiten attraktiv zu machen. Dadurch stiege das Einkommen im Alter, zugleich müssten die Arbeitnehmer weniger sparen, um im Ruhestand Geld zur Verfügung zu haben. Aus Sicht der Experten ist die Einkommensungleichheit weitgehend stabil geblieben, diverse Armutsrisiken seien allerdings weiter vorhanden. Der IWF berät alle Mitgliedsländer zur Lage der Wirtschaft. Insgesamt fand der Fonds viel lobende Worte für Deutschland. Die "offene und innovative Wirtschaft" entwickle sich gut, das Land profitiere von einem "umsichtigen Wirtschaftsmanagement", früheren Strukturreformen und dem gut entwickelten sozialen Sicherheitsnetz. Die Zahl der Beschäftigten wachse, die Arbeitslosenquote liege auf einem Rekordtief. Problematisch seien allerdings die weiter zu geringen Lohnsteigerungen und die niedrige Inflation. Die Unternehmen investierten zu zögerlich, zudem dämpfe die alternde Gesellschaft künftige Wachstumsaussichten. Deutschland sollte deshalb fällige Reformen angehen.

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