Italienische Bank:Wachwechsel auf dem Berg

Italienische Bank: Siena in der Toskana. Die Stadt hat eine Bank - und ein weltberühmtes Pferderennen, den Palio di Siena.

Siena in der Toskana. Die Stadt hat eine Bank - und ein weltberühmtes Pferderennen, den Palio di Siena.

(Foto: Paolo Lazzeroni/AP)

In dreieinhalb Jahren hat Alessandro Profumo das italienische Traditionsinstitut Monte dei Paschi saniert - nun verabschiedet er sich.

Von Ulrike Sauer, Siena

Vor genau fünf Wochen trat Alessandro Profumo durch das Eingangsportal des Kastells Rocca Salimbeni vor die Bank Monte dei Paschi. Mittelalterlich kostümierte Abordnungen aus den 17 Stadtvierteln Sienas, den Contrade, ziehen herauf und machen dem Geldhaus ihre Aufwartung. Profumo, einer der erfolgreichsten Bankmanager Europas, reicht jedem Contrada-Kapitän die Hand. Vier Stunden später treten die rivalisierenden Viertel zum Palio an, dem halsbrecherischen Pferderennen auf der Piazza del Campo.

Der Ritt dieses Juliabends soll in die Geschichte eingehen. Seit 1644 zelebrieren die Bürger der toskanischen Hügelstadt ihren Palio. Selten war er so spektakulär, so spannungsgeladen, so aufwühlend. Profumo steht mit seiner Frau am offenen Fenster im zweiten Stock des Palazzo Sansedonia, dem Sitz der Bankstiftung, die einst den Monte dei Paschi (MPS) kontrollierte. Unter ihren Augen spielt sich ein Spektakel ab. Und ein zügelloser Handel. Bis zu eine Million Euro lässt eine Contrada für den Sieg springen. Noch an der Startschranke kaufen die Reiter Unterstützung von Konkurrenten gegen die Pferde verfeindeter Viertel. Es gilt das Ehrenwort, bis Mitternacht müssen die Schulden bar beglichen werden - Choreographie, Symbolik, Taktik und Fouls erschließen sich nur eingefleischten Sienesen, und Profumo, der Genuese, wird künftig kaum noch Gelegenheit haben, diese Expertise zu erwerben. Er beendet nach dreieinhalb Jahren sein Gastspiel in Siena.

Der Architekt der größten grenzüberschreitenden Bankenfusionen Europas war im April 2012 angetreten, um MPS vor der Pleite zu retten. Die Wende gelang Anfang 2015. Nach elf Quartalsverlusten erzielte Italiens drittgrößtes Kreditinstitut in den ersten drei Monaten des Jahres wieder einen Gewinn in Höhe von 72,6 Millionen Euro. Wenn am Donnerstagnachmittag die Halbjahresbilanz verabschiedet ist, macht Profumo Schluss.

Was er in der Toskana erlebte, übertraf seine Befürchtungen. Siena war nicht die pittoreske Bühne einer gewöhnlichen Bankenkrise. Siena war ein Tatort. Die Stadt war zum Schauplatz eines abgründigen Finanzskandals geworden, der erst neun Monate nach Profumos Antritt von Staatsanwälten aufgedeckt wurde. Das 1472 gegründete Geldhaus war Opfer der Hybris moderner Bankchefs geworden. Sein Vorgänger Giuseppe Mussari hatte sich 2007, kurz vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise, mit der Übernahme der Rivalin Antonveneta zu einem astronomischen Preis von neun Milliarden Euro überhoben und die Bilanzlöcher fortan mit geheim gehaltenen und ruinösen Finanzwetten zu kaschieren versucht. Die Enthüllungen der Justiz sorgten 2013 weltweit für Furore. Denn der Monte hatte mehr als ein halbes Jahrtausend jeder Krise getrotzt.

"Heute ist der Monte dei Paschi ein Glashaus", sagt Profumo stolz. Gerufen hatte ihn 2012 die Stiftung, die damals noch 33 Prozent der Bank kontrollierte. Er fuhr einen strammen Sanierungskurs, ohne Zugeständnisse an Lokalinteressen. Die Aktien büßten drei Viertel ihres Werts ein. Der Anteil der Stiftung schmolz auf 1,5 Prozent zusammen. Die Rosskur bewahrte die Bank vor dem Exitus.

Man habe die Kosten wie kein anderes Geldhaus in Italien gedrückt. Es seien hohe Rückstellungen für drohende Kreditausfälle angelegt worden. Das Top-Management wurde ausgewechselt, acht Milliarden Euro frisches Kapital eingesammelt und vier Milliarden Euro vom Staat gewährte Notkredite zurückgezahlt.

Bei Mario Draghi fällt das Haus in die Kategorie der "Zombie-Banken"

Die bittersten Stunden seiner 40 Monate in Siena durchlebte Profumo vergangenen November, als MPS trotz aller Anstrengungen beim Stresstest der Europäischen Zentralbank mit Pauken und Trompeten durchrasselte und die größte Kapitallücke unter den 130 untersuchten Instituten aufwies. Bei Mario Draghi fällt sie nun in die Kategorie der "Zombie-Banken". Und unterliegt damit den strengen Forderungen der EZB-Aufseher. Sie zwingen Profumo, wenige Monate nach einer Kapitalerhöhung um fünf Milliarden Euro weitere drei Milliarden Euro aufzutreiben. Außerdem ordnen sie die Schließung eines dubiosen Derivate-Vertrags mit Nomura über drei Milliarden Euro an, der den Namen Alexandria trägt. Das zweifelhafte Geschäft frisst in jedem Quartal Eigenkapital der Bank in dreistelliger Millionenhöhe.

In Sachen Alexandria ermitteln die Staatsanwälte wegen Schmiergeldzahlungen und wegen der Transaktion an sich. MPS verklagte Nomura auf die Zahlung von 963 Millionen Euro Schadensersatz. Das Ringen um einen Ausstieg aus dem Knebelvertrag brachte zumindest einen Teilerfolg.

Mit der Deutschen Bank einigte man sich bereits auf die Auflösung des ähnlich zweifelhaften Derivat-Vertrags Santorini. Drittens befahl die EZB dem Monte die Fusion mit einem starken Partner. Sie soll der strukturellen Schieflage abhelfen. Die Bank drücken faule Kredite in Höhe von 23 Milliarden Euro, eine niedrige Ertragskraft und eine dünne Kapitaldecke. In Siena begab man sich im November umgehend auf die Suche nach einem Käufer. Bisher blieb das Bemühen ergebnislos.

Am Tag vor seinem Abgang räumte Profumo denn auch ein, die Bank sei erst in Sicherheit, wenn sie einen Partner gefunden habe. Die Aufgabe gibt er an seinen Nachfolger Massimo Tononi weiter, der bisher Präsident der Mailänder Börse war. Tononi, 50, bringt einschlägige Erfahrungen und Kontakte mit. Er war früher bei der Investmentbank Goldman Sachs und wirkte an Italiens Großprivatisierungen mit.

Alessandro Profumo zeigte sich schon am sternklaren Palio-Abend heiß auf seine Karrierewende. Er könne es gar nicht abwarten, mit 58 Jahren ein neues Leben zu beginnen, sagt er in die süße Abendluft. Wie sein bisheriges Berufsleben wird sich auch das neue in der Finanz abspielen.

"Ich kann ja nichts Anderes", sagt er gut gelaunt. Im September geht er als Mehrheitsaktionär des Mailänder Firmenfinanziers Equita an den Start.

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