Italien:Rettung als Farce

Italiens Regierung rettet die Banken des Landes erneut mit Staatsgeld. Ein schwerer Fehler: Mit den 20 Milliarden Euro kauft Rom nur Zeit, die Probleme bleiben ungelöst.

Von Stephan Radomsky

Nun soll also doch wieder gerettet werden: Mit bis zu 20 Milliarden Euro will Italiens neue Regierung taumelnde Banken stützen, allen voran Monte dei Paschi di Siena (MPS), das drittgrößte Institut des Landes und das älteste der Welt. Das Geld dafür soll aus neuen Staatsschulden kommen. Einmal mehr also müssen die Steuerzahler ran, um marode Banken zu retten, die eigentlich nicht mehr überlebensfähig sind. Europa ist wieder in genau derselben Situation wie vor acht Jahren - obwohl es doch nie mehr so weit kommen sollte.

Jetzt aber soll doch wieder alles anders sein. Die Banken in der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone dürften nicht kippen, heißt es, weil die Folgen unabsehbar wären. Auch eine geordnete Abwicklung nach den seit Jahresanfang geltenden europäischen Regeln gehe nicht, weil demnach zunächst vor allem die Anleger und Gläubiger der maroden Institute zahlen müssten. Unter ihnen aber sind viele Privatleute, die ihr Geld in Bankanleihen statt Sparbücher gesteckt haben und damit ihr Erspartes los wären.

Mit den Milliarden für marode Banken kauft sich Rom nur Zeit, die Probleme bleiben ungelöst

Also laviert die Regierung in Rom unter dem neuen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni: Eine "vorsorgliche Kapitalisierung" könnte Monte dei Paschi und andere von Pleite bedrohte Institute retten, wird ventiliert. Das mag nach den Buchstaben der Abwicklungsregeln legal sein. Tatsächlich aber wäre es eine Farce, mit der sich alle Beteiligten einmal mehr Zeit erkaufen, aber keine Lösung erreichen.

Schon längst jedenfalls geschieht hier nichts mehr "vorsorglich". Seit dem Sommer wissen sie in Siena, Rom und an den Börsen, dass Monte dei Paschi noch bis Jahresende Zeit hat, sich fünf Milliarden Euro frisches Kapital zu besorgen. Sonst ist Schluss. Dieses Ultimatum hatte die Europäische Zentralbank gesetzt und eine Fristverlängerung Anfang Dezember abgelehnt. Seit Monaten versucht deshalb der seit Sommer amtierende MPS-Chef Marco Morelli, frisches Geld bei Investoren aufzutreiben. Viel mehr als eine Milliarde Euro hat er aber immer noch nicht zusammen, was auch mit den schlechten Erfahrungen der Geldgeber zusammenhängen dürfte: Seit 2014 hat das Institut in zwei Kapitalerhöhungen bereits acht Milliarden Euro erhalten. Das Geld ist längst weg, gebessert hat sich aber allen Beteuerungen zum Trotz nichts.

Auch dass die italienischen Privatanleger geschützt werden müssten, ist ein vorgeschobenes Argument. Wohl aus Furcht vor der Stimmungsmache der Populisten sagt Gentiloni zwar, er halte es für seine "Pflicht, die Ersparnisse zu schützen". Konsequenterweise müsste der Staat den Sparern dafür allerdings ihre Bankleihen abnehmen und sie entschädigen. Dann aber ginge es um eine Gesamtsumme von etwa 200 Milliarden Euro - und die Regierung würde damit eingestehen, dass die Anleger seinerzeit womöglich unzulässig in die riskanten Anleihen gedrängt wurden. Solche Papiere sind aber eben nicht nur besser verzinste Sparkonten. Dass sie trotzdem so verkauft wurden, hätte die italienische Notenbank verhindern müssen. Ihr damaliger Präsident war übrigens Mario Draghi, der heutige EZB-Chef. So wird weiter um das Problem herumgedoktert, in der Hoffnung, alles werde schon gut. Irgendwie.

Genau das aber glaubt inzwischen niemand mehr, mit Ausnahme der Politik. Das Vertrauen ist weg, Staatsgeld hin oder her. Selbst nachdem die Pläne der Regierung bekannt wurden, verlor die MPS-Aktie jedenfalls weiter, über das vergangene Jahr summiert sich das Minus auf fast 85 Prozent. Dass es auch anders geht, hat derweil der größere Rivale Unicredit bewiesen: Dessen ebenfalls neuer Chef Jean-Pierre Mustier sicherte seinem Institut vergangene Woche ohne Hilfe vom Staat eine Rekord-Kapitalerhöhung von 13 Milliarden Euro. Im Gegenzug demonstrierte er den Geldgebern seinen Reformwillen, indem er Beteiligungen verkaufte, die Bilanz von den milliardenschweren faulen Krediten zu säubern begann und ein detailliertes Sparprogramm für die kommenden Jahre vorlegte.

Durch ihr Hilfspaket hat sich die Regierung in Rom nun aber alle sinnvollen Auswege selbst blockiert. Es dürften sich angesichts des Rettungsversprechens keine Investoren mehr finden, die den taumelnden Banken im Land noch eigenes Geld anvertrauen. Zugleich wird es aber auch die dringend nötige Marktbereinigung nicht geben, weil marode Institute künstlich am Leben erhalten werden und die Regeln für ihre Abwicklung deshalb schon den ersten Test nicht bestehen. Darunter leiden werden alle, früher oder später: die Aktionäre und Gläubiger, die Banker, die Politiker. Zuallererst aber die Steuerzahler. Denn auch mit 20 Milliarden wird die Sache nicht erledigt sein.

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