Italien: Banken:Kredit gegen Käse

Bei Banken im italienischen Emilia Romagna wird Parmesan als Sicherheit für Kredite akzeptiert. Tausende Käseräder lagern im Banktresor - klimatisiert und videoüberwacht.

Ulrike Sauer

Seit dem Finanzkollaps ist Sicherheit gefragt wie nie. William Bizzari bunkert sie tonnenweise vor den Toren von Reggio Emilia. Die Kreditgarantien des Bankers tragen einen Stempel mit Seriennummer, Herstellungsmonat und -ort. Für Goldbarren, die in der Gegend eher selten auftauchen, sind sie aber zu schwer, zu rund und zu matt im Glanz.

Parmesanlager, Foto: AFP

Als Kreditgarantien wird in Banken in Reggio Emilia Parmesankäse akzeptiert. Die Käseräder lagern in Hallen der Bank.

(Foto: Foto: AFP)

Lange bewährt

Hunderttausende strohgelber Käseräder stapeln sich bis in zehn Meter Höhe auf Holzregalen in den klimatisierten und videoüberwachten Lagerstätten der Regionalbank Credito Emiliano. Seine Majestät, der Parmesan, Italiens unangefochtener Käsekönig, ist bei Bankier Bizzari willkommen - als Sicherheit für eine Kreditlinie.

Das börsennotierte Geldinstitut lagert die 40 Kilo schweren Laibe für die Zeit des Reifeprozesses ein und leiht dem Erzeuger während dieser 24 Monate Geld. Sollte der Kunde den Kredit am Ende nicht zurückzahlen, dann kann die Privatbank Credito Emiliano - kurz Credem - den Käse auf dem Markt in bare Münze umwandeln.

Preisstürze müssen die Geldverleiher beim Parmesan nicht einkalkulieren. Der Hartkäse ist schon seit Jahrhunderten berühmt und begehrt. Venezianer reichten ihn dem Sultan als Antrittsgeschenk, die Bourbonen führten ihn in Paris bei Hofe ein. Auch bei den Hohenzollern stand seine milde Würze hoch im Kurs - Friedrich der Große war ganz verrückt nach Parmesan.

Die Käsehersteller im mittelitalienischen Ursprungsgebiet des Parmigiano- Reggiano zwischen Parma und Modena schätzen die kuriose Kreditpraxis der Credem in der Krise besonders. Sie kommen an Geld für einen neuen Traktor oder eine neue Kupferwanne, in der dann die rohe Kuhmilch gekäst wird - und das zu niedrigen Zinsen. "In angespannter Lage wird so der Geldfluss aufrechterhalten", heißt es beim Produzentenkonsortium des Parmigiano-Reggiano. In der Rezession wuchs das Sicherheitsdepot von Credem um immerhin zehn Prozent.

Wirtschaftskrise hat Käser hart getroffen

Die Wirtschaftskrise hat die Käser hart getroffen. "Ein weiteres Jahr wie 2009 überstehen wir nicht", sagt Giuseppe Alai, Chef des Parmesan-Konsortiums. Die Produktion fiel, wie schon 2008, um drei Prozent. 34 der 443 Käsereien gaben seit 2007 auf. Der Preiskampf ist brutal. "Wir sind gezwungen, nicht kostendeckend zu produzieren", klagt Alai. Nun schöpfen die Hersteller nach dem Preisanstieg der vergangenen Wochen Hoffnung.

Die mit Parmesan gefüllten Banktresore sind aber keine Folge der Finanzkrise. Echte Werte zählen bei der 100 Jahre alten Credem nicht erst seit dem Crash. In den Nachkriegsjahren galt es, der Landwirtschaft auf die Beine zu helfen. Und so akzeptiert das Geldhaus schon seit dem Jahr 1953 Parmesan als Sicherheit. Heute heißt die Anlaufstelle für kreditsuchende Käsereien MGT. Das Kürzel steht nicht für komplizierte Konstruktionen der Hebelfinanz. Es steht für Magazzini Generali delle Tagliate, eine hundertprozentige Tochter der Bankholding Credito Emiliano, deren Generaldirektor Bizzari ist.

Bei ihm reift die staatlich geschützte Käsemarke Parmigiano-Reggiano in zwei Lagerstätten unter der Aufsicht von Bankangestellten und steigert dabei ihren Wert. 440.000 Laibe passen in die Hallen. "Wir widmen uns dem Käse mit größter Sorgfalt", sagt der MGT-Chef. Die Klimatisierung garantiert konstante Reifebedingungen, die den Käse vor Wertminderungen etwa durch eine Verdickung der Kruste bewahren. Dank moderner Technik bietet die Bank den Kreditkunden individuelle Klimabedingungen "zur Erlangung einer optimalen Reife des Käses".

Käse der NASA-Astronauten

Auf einer Intensivstation kuriert man sogar kleine Makel. Der Aufwand lohnt sich. NASA-Astronauten nehmen den leicht verdaulichen und nährstoffreichen Parmesan mit ins Weltall. Und Italiens Kinderärzte achten darauf, dass sich Säuglingsgaumen bereits mit dem ersten Löffel Brei an Parmesan gewöhnen.

Credem hat derzeit 90 Millionen Euro an die Käsehersteller ausgeliehen - auf die Parmesan-Kredite entfällt allerdings nur ein Prozent ihres Bankgeschäfts. Für den Ruf des Geldhauses in der Region sei die Nischenaktivität aber wichtig, meint Bizzari. Die streng reglementierte Parmesanproduktion in der Emilia Romagna hat einen Wert von 840 Millionen Euro im Jahr.

Hergestellt wird der feinkörnige Käse hier schon seit 1200. Auch die Affinität zum Bankgeschäft ist keine Erscheinung der Moderne. "Parmesan wurde schon im Mittelalter für Finanzoperationen eingesetzt", erfährt man beim Konsortium. Dass sich Italiens Vorzeigekäse als Sicherheit eignet, hat zwei Gründe: Jedes Rad schluckt 550 Liter Milch und ist mehr als 300 Euro wert. Außerdem macht der zweijährige Reifeprozess Überbrückungsfinanzierungen notwendig.

Form und Substanz

Die 1910 als Agrarbank gegründete Credem kam mit ihrem Geschäftsmotto "Form und Substanz" gut durch die Finanzkrise. Mit einer Kernkapitalquote von 8,5 Prozent und nur 0,76 Prozent notleidender Kredite gilt sie unter Italiens Finanzinstituten als sehr solide. Über ihr Stammland ist Credem durch an die 30 Übernahmen längst hinausgewachsen.

Nur 18 der 5.868 Mitarbeiter kümmern sich für MGT um die Käselagerung. Kontrollaktionär der Bank ist Italiens bodenständigster Modeclan, die Max-Mara-Eigentümerfamilie Maramotti. Wen wundert es, dass Luigi Maramotti, Chef des stillen Bekleidungsriesen aus Reggio Emilia, neben kamelfarbenen Cashmere-Mänteln und zeitlosen Kostümen aus der Milch eigener Kühe auch feinsten Parmigiano-Reggiano herstellt? Seinen Käse lässt der Credem-Großaktionär für höchste Gourmetansprüche aber fünf Jahre reifen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: