Italien:Abgeschickt

Italien: Ein typischer Briefkasten der Poste Italiane: Doch mit klassischem Briefgeschäft macht der Konzern nur noch 14 Prozent des Umsatzes pro Jahr.

Ein typischer Briefkasten der Poste Italiane: Doch mit klassischem Briefgeschäft macht der Konzern nur noch 14 Prozent des Umsatzes pro Jahr.

(Foto: imago stock&people)

153 Jahre nach ihrer Gründung geht die staatliche Poste Italiane an die Börse. Ein Lakmustest für die Reformpolitik von Premier Matteo Renzi.

Von Ulrike Sauer, Rom

Niemand in Italien kann dieser Werbung entgehen: Auf Plakatwänden, in Fernsehspots und Zeitungsanzeigen und natürlich auch im Internet trommelt die italienische Post für Europas größten Börsengang in diesem Jahr. Es ist der eigene. "Sich zu ändern, ist die beste Art zu wachsen", heißt es wieder und wieder. "Das gilt auch für uns. Der Wandel sind wir", sagen sie.

Dieser Wandel ließ ziemlich lange auf sich warten. Die Poste Italiane ist immerhin 153 Jahre alt. Im Mai 2014 schließlich beschloss die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi den Teilverkauf des Konzerns mit seinen 142 000 Beschäftigten. Nach anderthalb Jahren ist es nun soweit. Die Aktienofferte kommt in einem passenden Moment. Endlich weht ein Hauch von Aufbruchsstimmung durchs Land. Der Aufschwung festigt sich. Post-Chef Francesco Caio sagt: "Wir haben nun die Chance zu beweisen, was wir können - als Unternehmen und als Land".

Der Reformer Renzi steht vor seinem Debüt als Verkäufer von Staatsunternehmen. "Die Post war 60 Jahre lang der Ort, an dem die Politiker Mist bauten. Wir nehmen sie ihnen jetzt weg und bringen sie auf den Markt", tönt er vollmundig.

Der Verkauf der Post ist die erste große Privatisierung seit 16 Jahren in Italien

Finanzminister Pier Carlo Padoan bietet knapp 40 Prozent der Post zum Kauf an. Zuletzt hatte das römische Schatzamt 1999 seine Beteiligungen an den Energieunternehmen Eni und Enel versilbert. In den vergangenen Jahren beschränkten sich Padoans Vorgänger darauf, Unternehmensanteile aus dem Portfolio des Finanzministeriums in das der Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti (Cdp) zu verschieben. Nur die kleine Schiffswerft Fincantieri wurde 2013 privatisiert - ein Flop.

Nun wagen sich die Italiener mit einer Großofferte an den Finanzmarkt. Der Gesamtwert des Postkonzerns wird je nach Höhe des Ausgabepreises zwischen 7,8 und 9,8 Milliarden Euro liegen. Die erklärte Absicht der Regierung ist es, durch die Privatisierung das Unternehmen zu stärken, seine Angebote effizienter zu machen, den italienischen Kapitalmarkt zu fördern und Geld für den Abbau des Schuldenbergs einzunehmen. Finanzminister Padoan wird etwa 2,7 bis 3,7 Milliarden Euro kassieren. "Die Postprivatisierung ist Teil unseres Reformprogramms und ein weiteres Signal an die Märkte, dass Italien sich tief greifend wandelt", sagt er.

Genau darauf, auf den Wandel, wartet auch das Ausland. Gelingt es Renzi, seine Ankündigungen umzusetzen? Der erfolgreiche Verkauf der Post wäre ein erster Meilenstein - und der Zeitpunkt dafür ideal. Denn am kommenden Donnerstag verabschiedet das Kabinett in Rom einen Haushaltsentwurf für 2016, für den Renzi und sein Schatzmeister Padoan anschließend in Brüssel in harten Verhandlungen mit der EU-Kommission grünes Licht erstreiten muss. Imageerfolge sind für sie also gerade besonders wichtig.

Der Wandel bei der Post ist schon seit langem in Gang, doch die bevorstehende Privatisierung hat die Veränderungen kräftig beschleunigt. Renzi war erst wenige Monate im Amt, als er im Mai 2014 die Chefetagen in den italienischen Staatskonzernen neu besetzte. Bei der Post setzte er den langjährigen Unternehmenschef Massimo Sarmi ab und installierte den 58-jährigen Ingenieur Caio. Der Neapolitaner hatte zuvor im Regierungsauftrag eine digitale Strategie für das rückständige Italien ausgearbeitet. Mitte der Neunzigerjahre revolutionierte er als Chef des Mobilfunkpioniers Omnitel das Auftreten italienischer Dienstleister durch eine bis dahin ungekannte Kundenorientierung.

Kaum hatte er im Post-Hauptquartier in Mussolinis EUR-Viertel sein Büro bezogen, warf Caio im Sommer 2014 den Privatisierungszeitplan über den Haufen. Und ordnete einen Kurswechsel an: Der Börsengang sollte nicht nur Geld einbringen, sondern helfen, die Post grundlegend zu modernisieren und sie zum Vorbild für ganz Italien zu machen. Caio will sein Land digitalisieren.

Die Poste Italiane unterscheidet sich grundlegend von den Postkonzernen in anderen Ländern. Nur 14 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet sie klassisch. Täglich werden 13 Millionen Briefe und etwa 20 000 Pakete befördert und ausgetragen. Mehr nicht. 66 Prozent des Umsatzes macht der Konzern hingegen mit dem Verkauf von Versicherungen.

Auch die profitablen Finanzdienstleistungen wachsen stark und steuern 19 Prozent zum Umsatz bei. Die Postkunden in Italien geben jeden Tag 50 Millionen Überweisungen in Auftrag. 6,2 Millionen Girokonten verwaltet die Post, auf denen 469 Milliarden Euro ruhen - damit ist die altehrwürdige Post einer der führenden Vermögensverwalter Italiens. Und mit ihren 13 200 Postämtern verfügt über das engmaschigste Filialnetz der italienischen Finanzbranche.

Dieses einzigartige Geschäftsmodell will Caio durch die Digitalisierung der Post weiterentwickeln. Er bemüht sich, den Börsenaspiranten zur Expansion bei Zahlungssystemen, bei E-Commerce-Lösungen und Finanzdienstleistungen anzutreiben. Sein ambitioniertes Ziel: Der Umsatz der Post soll so bis 2020 auf 30 Milliarden Euro steigen.

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