Irland: Sparmaßnahmen:Raus aus dem Schweinestall

Mit brutalen Einsparungen bekämpft das krisengeplagte Irland seine Finanzmisere. Fachleute üben sich in Optimismus: So schlecht stünde das Land gar nicht da.

Wolfgang Koydl

Gemessen an seiner Größe hat das kleine Irland einige der bedeutendsten Schriftsteller hervorgebracht - von Jonathan Swift über Oscar Wilde bis zu James Joyce und Samuel Beckett. Ein Autor eines Staatshaushaltes war zwar noch nie darunter; gleichwohl ist der Stolz unverkennbar, mit welchem dem Besucher dieser Tage im Finanzministerium in Dublin eine Kopie des jüngsten Budgets überreicht wird - versehen mit dem Hinweis, dass es sich dabei um ein besonders gelungenes Beispiel des Horror- und Gruselgenres handele.

In der Tat trifft beides zu - der Stolz ebenso wie das Grauen. Denn zum einen hat der von Finanzminister Brian Lenihan eingebrachte und Ende vergangenen Jahres verabschiedete Haushaltsentwurf für 2010 mit brutalen Einschnitten und Einsparungen in Höhe von vier Milliarden Euro tatsächlich Heulen und Zähneklappern im ganzen Land ausgelöst. Doch zum anderen hat der Brutalo-Ansatz viel dazu beigetragen, Irlands angeschlagenes Renommee im Ausland entscheidend zu verbessern.

Obwohl niemand in Dublin behaupten würde, dass das Land die Krise überwunden hat, herrscht doch Optimismus vor. Sogar der angesehene Experte John Fitzgerald von der Denkfabrik Economic and Social Research Institute (ESRI) findet sich zu seinem eigenen Erstaunen auf der Seite der Regierung. Das war nicht immer so: Im Jahr 2003 warnten er und sein Institut die Regierung, dass sich die von einer Immobilienblase angefachte Konjunktur immer mehr aufblähe und auf einen Zusammenbruch zusteuere. Doch niemand hörte darauf.

Kritik an EU-Kommission

Nun aber sieht er die Lage sogar rosiger als das zum Optimismus verpflichtete Kabinett. Fitzgerald ist überzeugt, dass die Wirtschaft, die im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent schrumpfte, im dritten Quartal 2010 mit einer kleinen Wachstumsrate aus der Rezession hervorgehen wird. Die Arbeitslosigkeit, derzeit mehr als 13 Prozent, wird seiner Überzeugung nach aber erst 2015 beseitigt sein.

Scharfe Kritik reserviert Fitzgerald für die EU-Kommission, die "unangemessen pessimistisch" sei. Er bestreitet die Richtigkeit der Brüsseler Zahlen und ist überzeugt, dass Irland das Haushaltsdefizit schon früher als 2014 auf drei Prozent des Bruttosozialproduktes zurückschrauben kann. Derzeit liegt es bei knapp elf Prozent.

Aber auch Fitzgerald ist sich der Gefahr bewusst, die einem Aufschwung von den irischen Geldinstituten drohen kann. Verbindlichkeiten und Außenstände jener elf Banken und Bausparkassen, die entweder durch Verstaatlichung oder durch Garantien von der Regierung gestützt werden, summieren sich auf schwindelerregende 533 Milliarden Euro. Fitzgerald hält die Staatsgarantien zwar im Rückblick für einen "erschreckenden Fehler", sagt aber zugleich, dass die "Bankenkrise Vergangenheit" sei. "Die Zukunft ist das, was in der realen Wirtschaft passiert."

"Internetmetropole Europas"

Diese Zukunft hat für Dermot Clohessy schon begonnen. Er ist Direktor der Investment and Development Agency, deren erfolgreiche Anwerbung ausländischer Investoren entscheidend dazu beigetragen hatte, das verarmte europäische Aschenputtel in jenen legendären keltischen Tiger zu verwandeln, dessen Wachstumsraten Europa erstaunt hatten. Die Krise, so betont Clohessy, habe keine Massenflucht von Auslandsfirmen ausgelöst. Zwar habe der Computerhersteller Dell seine Produktion von Limerick nach Polen verlegt - mit einem Verlust von knapp 2000 Arbeitsplätzen. "Aber niemand spricht davon, dass Dell noch immer 2000 Menschen in Irland beschäftigt." Außerdem sei das Land ungebrochen attraktiv für Investoren, zumal da der konkurrenzlos niedrige Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent eine unantastbare "solide Säule" sei. Hinzu komme ein Steuerfreibetrag von 20 bis 25 Prozent für Firmen, die in Forschung investieren.

Mit Investitionen von Firmen wie Facebook, Google, Paypal, Ebay, LinkedIn oder Amazon hätten jüngst die "Bluechip-Namen" der Informationstechnologie geholfen, Irland zur "Internetmetropole Europas" zu machen. Und wenn bis zum Platzen der Immobilienblase jeder fünfte Ire in der Baubranche beschäftigt war, so führe die Krise zu einer Umorientierung auf besser qualifizierte Jobs.

Als PIIGS (Schweine) bezeichneten die internationalen Märkte die wackeligen Eurozonenstaaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien nach ihren Anfangsbuchstaben. In Dublin hat man befriedigt zur Kenntnis genommen, dass man die Abkürzung neuerdings nur mehr mit einem "I" schreibt. "Das kann doch nur bedeuten", drückt es ein hoher Diplomat süffisant aus, "dass Irland den Schweinestall verlassen hat."

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