Iran:Gesucht: Flugzeuge, Autos, Maschinen

120124 TEHRAN Jan 24 2012 Xinhua File photo taken on Dec 29 2010 shows a view of Abad

Die Raffinerie in Abadan ist das Zentrum der iranischen Erdölindustrie und eine der größten der Welt. Doch viele Anlagen des Landes sind veraltet.

(Foto: imago)

Der Öl- und Gasstaat verfügt über eine ungewöhnlich vielseitige Industrie, die nun modernisiert werden muss.

Von Paul-Anton Krüger

Die Erwartungen sind groß. Iran kann sich auf einen riesigen Geldsegen einstellen, wenn im Zuge der Umsetzung des gerade geschlossenen Atomabkommens die Sanktionen gegen das Land fallen. Das werde zwar frühestens Anfang 2016 der Fall sein, vermuten Diplomaten. Doch dann steht Iran vor einem vermeintlichen Luxusproblem: Wofür sollen die etwa 100 Milliarden Dollar eingefrorenen Öleinnahmen ausgegeben werden, an die das Land dann herankommt?

Ökonomen wie der Chefvolkswirt der Economist-Gruppe, Simon Baptist, sagen der Islamischen Republik zudem ein solides Wachstum voraus: durchschnittlich 5,2 Prozent pro Jahr für den Zeitraum von 2016 bis 2019. Bis 2020 werde sich das Land von derzeit Platz 29 auf Platz 22 der größten Volkswirtschaften der Welt vorschieben und dabei etwa die Schweiz oder Argentinien überflügeln.

Die Eckdaten lassen also gute Geschäfte erwarten, zumal Iran in fast allen Wirtschaftszweigen großen Investitions- und Modernisierungsbedarf hat. Die Industrie ist für ein Ölland ungewöhnlich vielseitig. Auch die Demografie stimmt: 78 Millionen Einwohner, von denen viele gut ausgebildet und konsumfreudig sind. 60 Prozent der Menschen sind jünger als 30 Jahre. All das macht Iran nun wieder zu einem attraktiven Markt - zumal Produkte aus dem Westen gefragt sind und "made in Germany" für viele Iraner noch immer einen magischen Klang als Ausweis von Qualität hat.

So war Deutschland vor den EU-Sanktionen - zum Missfallen der USA- lange wichtigster Handelspartner Irans, nicht nur in der EU. Wenn nun am Sonntag Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Teheran reist, ist das der Versuch, an alte Zeiten anzuschließen. Auf mittlere Sicht rechnet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) damit, dass sich die deutschen Exporte von 2,4 Milliarden Euro 2014 auf zehn Millionen vervierfachen könnten. Etliche EU-Länder sind schon mit Handelsdelegationen und Ministerbesuchen in Teheran vorstellig geworden, auch die Franzosen. Sie hatten in den Verhandlungen zumindest nach außen immer demonstrativ eine harte Position vertreten. Das hinderte Paris aber keineswegs, schon im Februar 2014 mehr als 110 Unternehmenschefs nach Iran zu entsenden; die meisten großen Konzerne waren vertreten.

Straßen, Autos, Flugzeuge: Teheran plant Investitionen in vielen Branchen

Den größten Nachholbedarf sehen Experten in der Öl- und Gasindustrie; viele Anlagen sind veraltet, zudem hat Iran seit der Revolution 1979 kaum neue Felder erschlossen. Ausschreibungen für South Pars, das größte Gasfeld der Erde, waren den Sanktionen zum Opfer gefallen; westliche Firmen wie der französische Konzern Elf-Total mussten sich zurückziehen. Um die angestrebte Fördermengen von mehr als fünf Millionen Barrel pro Tag zu erreichen und die Felder auf den Stand der Technik zu bringen, sind nach Berechnungen von Experten 50 bis 100 Milliarden Dollar nötig. Neuerschließungen und der Aufbau neuer Infrastruktur wie Gasverflüssigungsanlagen einbezogen, beziffern iranische Offizielle den Investitionsbedarf gar auf 230 Milliarden Dollar. Das eröffne "dem Maschinen- und Anlagenbau große Marktchancen", sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Dax-Konzerne wie Siemens und Linde könnten dabei ebenso zum Zuge kommen wie spezialisierte deutsche Mittelständler.

Großinvestitionen hat Teheran auch für die Erneuerung der veralteten Flotte von Verkehrsflugzeugen angekündigt. Transportminister Abbas Akhoundi kündigte jüngst auf der Luftfahrtschau in Le Bourget an, Irans Fluggesellschaften planten in den nächsten zehn Jahren bis zu 400 neue Maschinen anzuschaffen und dafür wenigstens 20 Milliarden Dollar zu investieren. Airbus kann sich also Hoffnung machen, zumal die staatliche IranAir wie auch private Gesellschaften e jetzt schon Maschinen des deutsch-französischen Herstellers fliegen.

Eine langsame Bürokratie macht einen langen Atem nötig

Interessant dürfte Iran auch für deutsche Autobauer und Zulieferer sein. Mit 900 000 verkauften Fahrzeugen war das Land 2014 der größte Markt in der Region, und es will seine Produktionskapazitäten vergrößern. Binnen zehn Jahren will Iran statt heute 1,1 Millionen dann vier Millionen Fahrzeuge bauen. Exportchancen sieht der BDI überdies für die chemische Industrie, Medizintechnik, aber auch erneuerbare Energien. Großes Wachstumspotenzial erwartet auch die Baubranche; die Infrastruktur ist vielerorts marode.

Geschäfte dürften sich auch für viel Mittelständler auftun. Etliche hielten trotz der Sanktionen Kontakt zu ihren Kunden. Und Loyalität schätzen viel iranische Unternehmer über alles. Es war in den vergangenen Jahren nicht schwer, dort Firmenchefs zu finden, die über die Qualität chinesischer Produkte schimpften, um dann stolz deutsche Maschinen zu zeigen, die teils vor der Revolution 1979 angeschafft wurden - und dank guter Wartung bis heute laufen.

Allerdings sind mit der Aufhebung der Sanktionen längst nicht alle Probleme der iranischen Wirtschaft gelöst. Korruption und Missmanagement machen selbst viele Iraner für den größeren Teil der Schwierigkeiten verantwortlich. Eine langsame, kaum durchdringbare Bürokratie macht einen langen Atem nötig. Staatliche Akteure, allen voran die Revolutionsgarden, haben ihre Kontrolle über Schlüsselbranchen wie Energie und Telekommunikation ausgebaut. Auch wird es dauern, bis der Zahlungsverkehr normalisiert ist und die großen Geschäftsbanken nach Iran zurückkehren. Eines der größten Probleme der vergangenen Jahre gerade für kleine und mittlere Unternehmen war, dass keine Akkreditive mit Iran mehr abgewickelt wurden und die Bezahlung über Drittländer wie die Türkei Geschäfte unattraktiv werden ließ.

Schließlich bleiben auch politische Risiken: Sollte Iran das Abkommen nicht einhalten, gibt es einen Automatismus, der die Sanktionen wieder in Kraft setzt, ohne dass ein Veto im UN-Sicherheitsrat dies stoppen könnte. Und nicht zuletzt ist auch der Geldsegen ein Fluch: Fließt das Geld zu schnell, könnte das die Inflation befeuern, die zuletzt von 40 auf 16 Prozent gesunken ist. Wenn das schlecht gemanagt werde, könne der Schaden größer sein als durch die Sanktionen, warnen iranische Ökonomen.

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