Investor John Paulson:Vom Meisterzocker zum Kapitalvernichter

Lange war John Paulson der Star der Wall Street, dann setzte der Hedgefonds-Manager auf die falsche Karte und verlor Millionen. Inzwischen hat sich Paulson wieder auf seine alte Stärke besonnen. Er wettet auf den Untergang des Euro - doch seine Pechsträhne will nicht enden.

Moritz Koch, New York

Es war der 11. Oktober 2011, als der Protest gegen die Wall Street persönlich wurde. Gegen Mittag versammelten sich Occupy-Demonstranten auf der Park Avenue. Flankiert von Polizisten und begleitet von einer Blaskapelle setzten sie sich in Bewegung. Ihr Ziel waren die Residenzen des New Yorker Geldadels. In der 86. Straße hielt der Tross vor einem pompösen Apartmentgebäude an. "Hey Paulson, pay your fair share", gellte es aus Dutzenden Kehlen, wieder und wieder.

Hedgefonds-Manager John Paulson, Euro-Krise

Hedgefonds-Manager John Paulson setzt auf die Euro-Krise.

(Foto: dpa)

Der Aufruf galt John Paulson, dem Hedgefonds-Manager, der zum Symbol der sozialen Spaltung Amerikas geworden war. Die Demonstranten waren sich sicher: Paulson, der Krisenprofiteur, der mit Wetten auf millionenfaches Elend Milliarden verdient hatte und kaum Steuern zahle, müsse seinen Beitrag leisten. Da wussten sie nicht, dass der Starinvestor in Problemen steckte.

Der Glanz des Siegers ist fort; das Lächeln, das seine Lippen so oft umspielte, verflogen. Aus dem Meisterzocker ist ein Kapitalvernichter geworden. Paulson hatte alles auf eine Karte gesetzt. Es war die Karte des Aufschwungs. Die Eurokrise? Überbewertet! Die US-Konjunktur? Unterschätzt! Die Quittung: dunkelrote Zahlen. Sein berühmter Advantage Plus Fonds, der mit geliehenem Geld mögliche Gewinne in die Höhe hebelt, verlor mehr als die Hälfte seines Werts.

Seine übrigen Fonds schnitten nicht viel besser ab. Das schmerzt den 56-Jährigen auch persönlich. Große Teile seines Vermögens stecken in seinen Fonds. 2011 war also ein schlechtes Jahr. Und für 2012 ist keine Trendwende in Sicht. Advantage Plus verbuchte seit Jahresbeginn ein Minus von 16 Prozent.

Dabei hatte sich Paulson inzwischen wieder auf seine alte Stärke besonnen: Wetten auf den Untergang. Der Spekulant, der seine Anleger noch im vergangenen Jahr darüber belehrte, dass die Krise in Europa beherrschbar sei, rechnet inzwischen fest mit dem Ende des Euro. Unter der Last von Schulden und wirtschaftlichen Ungleichgewichten werde die Gemeinschaftswährung auseinanderbrechen, prophezeit er. Vielleicht wird er recht behalten, vorerst jedoch nimmt seine Pechsträhne kein Ende. Die Märkte haben sich besser entwickelt als erwartet und die Europäer weigern sich beharrlich, den Euro verloren zu geben. Paulson muss auf Zeit spielen. "Die Ende Juni angekündigten Pläne werden die Strukturprobleme der Eurozone nicht lösen", schrieb er jüngst an seine Investoren und versicherte ihnen, dass ihr Geld bei ihm sicher sei.

Der Hedgefonds-König verliert sein Volk

Allerdings schmilzt so langsam auch das wichtigstes Kapital des Fondsmanagers dahin: der Vertrauensvorschuss, den er sich während der Finanzkrise 2008 erwirtschaftet hatte. Paulson gehörte zu den wenigen Investoren, die es wagten, früh auf den Kollaps des amerikanischen Immobilienmarkts zu wetten. Als die Märkte in Panik gerieten und Millionen von Familien ihre Häuser verloren, rieb sich der Spekulant die Hände. Im Jahr 2007 verbuchte er mit Advantage Plus einen Kursgewinn von fast 160 Prozent - und gönnte sich ein Gehalt, das den Jahresüberschuss von Industriekonzernen überstieg: vier Milliarden Dollar. Drei Jahre später langte er noch kräftiger zu. Fünf Milliarden Dollar betrug sein Gehalt für 2010. An der Wall Street wurde Paulson als Genie gefeiert. Dann verließ ihn das Glück.

Paulson kämpft nun um seinen Ruf. "Manchmal ist es schwer die Märkte zu interpretieren", sagte er kürzlich dem Magazin Business Week. "Unser Ziel ist es nicht, jederzeit den Markt zu übertreffen. Das ist nicht möglich. Wir wollen ihn mit der Zeit übertreffen." Soll heißen: Vertraut mir, alles wird gut.

Zu seinen Kunden zählen institutionelle Investoren und reiche Privatanleger. Paulson weiß genau: Geld ist scheu, weitere Kursverluste würden seine Klienten verschrecken. Einige Investoren sind bereits geflüchtet. Details veröffentlicht die Firma Paulson & Co zwar nicht. Doch Berichten zufolge ist das Anlagevermögen seiner Fonds innerhalb der vergangenen eineinhalb Jahre von 32 auf 22 Milliarden Dollar geschrumpft. Dem Hedgefonds-König läuft sein Volk davon.

Paulson stammt aus gutem Elternhaus. Er wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf, studierte an der New York University und zählte zu den Klassenbesten an der Harvard Business School. Es zog ihn an die Wall Street. 1994 hatte er genug Geld verdient, um auf eigene Faust zu spekulieren. Aus dem Banker wurde ein Hedgefonds-Manager - und ein Multimilliardär. Das Magazin Forbes schätzt Paulsons Vermögen auf zwölf Milliarden Dollar, trotz der jüngsten Verluste. Im noblen Skiort Aspen hat Paulson gerade ein Ferienhaus gekauft. 49 Millionen Dollar zahlte er für das Anwesen eines saudischen Prinzen.

Die Diskussion über die wachsende Kluft in den USA hält Paulson für eine Neiddebatte. In Singapur würde man Leuten wie ihm den roten Teppich ausrollen, beschwert er sich - und überhäuft die radikalkapitalistischen Republikaner mit Spenden. Den lärmenden Demonstranten, die ihm vorwerfen, zu wenig Steuern zu zahlen, rät er, selbst unter die Spekulanten zu gehen. Dann kämen auch sie in den Genuss niedriger Steuersätze. Was soll daran ungerecht sein?

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