Investmentfirma P&R:Mehr als zwei Milliarden Euro - einfach weg

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Container am Hamburger Hafen

(Foto: Getty Images)
  • Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Ein Großteil der Schiffscontainer, die P&R an Anleger verkaufte, existiert nicht.
  • Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen frühere und aktuelle Geschäftsführer wegen Betrugsverdachts.
  • Generationen von Anlegern investierten in die Anlageprodukte, teils ihre gesamten Ersparnisse, über die Jahrzehnte kamen so viele Milliarden Euro zusammen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Es ist eine Schock-Nachricht für die Anleger der insolventen Containerfirma P&R: Fast zwei Drittel der Schiffcontainer, die P&R aus Grünwald bei München an private Investoren verkauft hat, sind nicht vorhanden. Das geht aus einer ersten Analyse der vorläufigen Insolvenzverwalter um Michael Jaffé hervor, der sich seit Mitte März durch die Akten der P&R-Firmen gräbt.

Demnach fehlen etwa eine Million der 1,6 Millionen Container, die P&R an Anleger verkauft hat. Für Jaffé bestätigen sich damit erste Befürchtungen. "Die Auswertung hat die ersten Vermutungen bestätigt, dass die Zahl der vorhandenen und vermieteten Container zum heutigen Stand deutlich unter derjenigen liegt, die in Summe von den vier deutschen Gesellschaften an die Anleger verkauft worden sind", heißt es in einer Stellungnahme des Insolvenzverwalters.

Zugleich hat die Staatsanwaltschaft München I Ermittlungen gegen frühere und heutige Geschäftsführer der P&R Gruppe unter anderem wegen des Verdachtes des Betruges aufgenommen, wie sie am Donnerstagmorgen erklärte. Dazu sei eine eigene Arbeitsgruppe unter dem Namen "Container" eingerichtet worden, um den hohen Aufwand bewältigen zu können, der den Strafverfolgern jetzt bevorsteht. P&R dürfte damit zum größten Anlagebetrug in der Geschichte der Bundesrepublik werden.

Das Geschäftsmodell der P&R-Gruppe funktionierte so: Anleger kauften über verschiedene Vertriebskanäle Container von den diversen P&R-Gesellschaften und vermieteten sie zugleich wieder zurück. Die Container wurden über die P&R Equipment und Finance mit Sitz im schweizerischen Zug international vermarktet. Nach Ablauf des Vertrages kaufte P&R die Container zu dem vorher in Aussicht gestellten Kaufpreis zurück und verwertete sie weiter. Von Anfang März an stellten nach und nach sämtliche deutschen Gesellschaften der P&R-Gruppe Insolvenzantrag.

Etwa 54 000 Anleger hatten 3,5 Milliarden Euro bei den verschiedenen deutschen Gesellschaften von P&R investiert. Sie vertrauten auf ein jahrzehntealtes Modell: P&R war seit den späten Sechzigerjahren am Markt und zahlte bis zum Frühjahr 2018 regelmäßig und pünktlich die korrekten Beträge aus. Generationen von Anlegern investierten in die Anlageprodukte, teils ihre gesamten Ersparnisse, über die Jahrzehnte kamen so viele Milliarden Euro zusammen. Finanzexperten hatten allerdings seit einigen Jahren Zweifel an dem Geschäftsmodell angemeldet und vermutet, es könne sich um ein Schneeballsystem handeln - bei derartigen Betrugsmaschen werden alte Anleger mit neu eingeworbenen Geldern ausbezahlt.

Anleger müssen sich gedulden, in den P&R-Daten herrscht Chaos

Das scheint bei P&R zumindest teilweise passiert zu sein. Die Bestandsdifferenz von einer Million Containern habe sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren aufgebaut, spätestens seit dem Jahr 2007, erklärt Jaffé. Nun werde ermittelt, wie das geschehen konnte, wie und wann im Einzelnen das Geld floss und wer die Verantwortung trägt. Für die Schweizer Gesellschaft sei ein Wirtschaftsprüfer bestellt worden, damit die verbleibenden Container weiter vermietet werden können.

Betroffene Anleger werden sich gedulden müssen: Angesichts der großen Datenmenge und des vom Insolvenzverwalter beschriebenen Chaos in den Archiven von P&R könnte die Aufarbeitung Jahre in Anspruch nehmen. Strittig bleibt, inwiefern sie im Einzelfall tatsächlich das Eigentum an den Containern erworben haben.

Vorige Woche hatte die SZ erstmals von dem Verdacht berichtet, dass etliche Container fehlen könnten, das Ausmaß der Differenz aber unterschätzt. Im Zuge der Recherchen war auch eine dubiose Briefkastenfirma auf Bermuda aufgetaucht, über die P&R in Zug Container gekauft haben will. Die Staatsanwaltschaft hat viel Arbeit vor sich.

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