Investmentbanker:Nicht ohne meinen Berater

Warum Konzernchefs möglichst viele Investmentbanker engagieren.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wer sich mit Fusionsberatern unterhält, kann zuweilen den Eindruck gewinnen, auf Gesprächspartner mit schizophrenem Einschlag getroffen zu sein. Das liegt vor allem an deren eigentümlicher Sprache, einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch. Das Geschäft ist dominiert von Angelsachsen, das hinterlässt Spuren. Hinzu kommen Begriffe, die außerhalb der Szene niemand versteht, wie der "Street Sweep", auf deutsch etwa: Straßenfeger.

Dahinter steckt ein Phänomen, das wie kaum ein anderes für die Auswüchse des Geschäfts mit Fusionen und Übernahmen steht. Zuletzt war es zu beobachten bei den Fusionsbemühungen von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE). Die beiden Börsenbetreiber wollen zu einer großen europäischen Börse fusionieren, ein grundsätzlich einleuchtendes, aber auch schwieriges Unterfangen, das in den vergangenen Jahren mehrmals scheiterte.

Die beiden Chefs der Börsen meinten daher offenbar, sie müssten die besten Berater unter Vertrag nehmen. Und als dann auch noch - unter anderem - die US-Börse ICE mit einem Angebot für die LSE drohte, beauftragten sie einfach so viele Investmentbanken wie möglich, damit für die anderen keine mehr übrig blieben. Sie fegten gewissermaßen die Straße leer. Die LSE mandatierte nicht nur die eher unbekannte Investmentbank-Boutique Robey Warshaw, sondern auch Goldman Sachs, JPMorgan, Royal Bank of Canada, UBS, Barclays und Société Générale. Die Deutsche Börse holte sich Perella Weinberg, die Deutsche Bank, die Bank of America und HSBC. Insgesamt elf Banken sind also beteiligt. Zwar fand auch die ICE am Ende noch einen qualifizierten Berater, ließ ihr Gebot für die LSE aber schließlich fallen.

Wenn sich Chefs bei den Deals verschätzen, zahlen oft Aktionäre und Mitarbeiter den Preis

Tatsächlich blüht seit vielen Jahren eine ganze Industrie rund um das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen. Nicht nur Investmentbanker verdienen gut daran, auch Großkanzleien und PR-Agenturen setzen auf das glamouröse Rund-um-die-Uhr-Geschäft. Stundensätze von mehreren hundert Euro sind durchaus normal.

2015 kratzte das Volumen der angekündigten Deals erstmals an der Fünf-Billionen-Dollar-Marke, befeuert von niedrigen Zinsen und damit günstigen Finanzierungen sowie der Tatsache, dass in vielen Branchen eine Art Endkampf um Marktanteile herrscht. Laut Thomson Reuters bezahlten Unternehmen und Finanzinvestoren den beratenden Banken 2015 fast 30 Milliarden Dollar für ihre Dienstleistung, ein Plus von sieben Prozent zum Vorjahr. Auch 2016 wird weiter munter fusioniert, wenn auch nicht ganz so rasant wie im Vorjahr. Die mehr als zwei Handvoll Banken zum Beispiel, die sich um die Börsenfusion scharen, dürften dafür insgesamt 85 Millionen Dollar kassieren, schätzen Experten der US-Beratungsfirma Freeman & Co.

Nicht immer aber verdienen die Banker auch tatsächlich an den Aufträgen. Ein Teil der Arbeit besteht darin, die Industriechefs erst auf Ideen zu bringen, welchen Konkurrenten sie übernehmen könnten. Dabei liegen sie jedoch bekanntlich oft daneben. Wenn Unternehmenslenker zu viel für eine Übernahme bieten und sich bei den Kostenvorteilen verschätzen, zahlen später dann Aktionäre und Mitarbeiter den Preis. Hinzu kommen die vielen kulturellen Schwierigkeiten, wenn sich internationale Firmen zusammentun. Da nutzt es auch wenig, wenn die Konzernchefs gleich zahlreiche Beraterbanken engagieren.

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