Investitionen:Schutz gesucht

Für deutsche Unternehmen wird es in der Türkei und anderen Krisenländern schwieriger und auch teurer, sich gegen politische Risiken abzusichern.

Von Anne-Christin Gröger

Es ist schlecht bestellt um die diplomatischen Beziehungen zwischen Europa und der Türkei. Nach dem Putschversuch in der Türkei ist die Lage instabil und schwer einzuschätzen. Nicht nur Politikern bereitet das Kopfzerbrechen. Auch für deutsche Firmen, die dort Geschäfte machen, wird die Situation komplizierter. Politische Risiken zu versichern wird schwieriger.

"Das Terrorrisiko in dem Land ist deutlich erhöht, dazu kommen die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Südosten der Türkei an der Grenze zu Syrien", sagt Björn Reusswig, beim Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) für die Bereiche Terrorismus und politische Gewalt verantwortlich. "Wir sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, Risiken neu zu versichern." Wenn ein Unternehmen überhaupt noch Schutz bekommt, dann zu wesentlich höheren Preisen als noch vor dem Putsch. "Die Prämien für die Absicherung politischer Risiken und politischer Gewalt steigen", sagt Sven Krause vom Versicherungsmakler Willis.

Werden die Unruhen zu groß, ziehen sich die Versicherer gerne zurück

Unternehmerische Verluste, die durch politische Querelen entstanden sind, lassen sich auf zwei Arten versichern. "In der Branche unterscheiden wir zwischen Deckungen für politische Gewalt und Deckungen für politische Risiken", erklärt Reusswig. Unter politische Gewalt fallen bei den Versicherern Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden durch Terror, politisch motivierte Sabotage oder aufgrund von Aufständen, Streiks oder Revolutionen.

Bei der Absicherung politischer Risiken geht es vor allem um die finanzielle Deckung von Exporten und Investitionen. "Diese Policen greifen, wenn Mittelständler Rohstoffe, Maschinen oder Anlagenteile ins Ausland liefern und wegen staatlich verhängter Embargos oder Enteignungsmaßnahmen auf ihren Rechnungen sitzen bleiben", erklärt Silja-Leena Stawikowski vom Versicherungsmakler Aon. Bei dieser Art der Versicherung handelt es sich um eine Erweiterung der klassischen Kreditversicherung, die bei Insolvenz eines Abnehmers einspringt und das Risiko abfedert, dass der Lieferant sein Geld nicht bekommt. Aus diesem Grund werden Deckungen für politische Risiken vor allem von Kreditversicherern wie Euler Hermes, Coface oder Atradius angeboten. Mitversichert werden kann der gesamte Produktionszeitraum eines Exportgutes vom Baubeginn bis zum Zahlungserhalt. "So ist der Produzent auch auf der sicheren Seite, wenn während der Bauphase ein politischer Umsturz im Empfängerland stattfindet und die neue Regierung dann ein Embargo über Lieferungen aus bestimmten Ländern verhängt", sagt Makler Krause.

Je nachdem, wann der Schaden eintritt, erhält der Produzent eine entsprechende Entschädigung. "Wenn sich die Anlage zum Zeitpunkt des politischen Umsturzes noch in Deutschland befindet, besteht vielleicht die Möglichkeit, sie an einen anderen Abnehmer in einem sicheren Land zu liefern, und der Verlust fällt geringer aus", fügt Stawikowski vom Konkurrenten Aon hinzu. Sind die Rohre für einen neuen Erdölhafen jedoch schon geliefert und der Abnehmer kann die Rechnung wegen einer staatlich verordneten Geldtransfersperre nicht bezahlen, übernimmt der Versicherer die Kosten für die Rohre.

Gedeckt werden können auch Investitionsrisiken, etwa wenn eine Firma einen Produktionsstandort baut, den eine Regierung dann wenig später wegen seiner strategischen Bedeutung enteignet. "Den bilanziellen Verlust sowie die entgangenen Gewinne übernimmt dann der Versicherer auf Basis der Buchwerte der jeweiligen ausländischen Einheit", so Stawikowski.

Besonders gefährdet sind Unternehmen in der Energiebranche. "Länder mit hohen Erdöl- oder Erdgasaufkommen sind häufig auch politische Unruheherde", sagt sie. Beste Beispiele sind Saudi-Arabien, Nigeria oder Venezuela. Betroffen ist auch der Bergbau. "Kupfer, Diamanten oder seltene Erden kommen in Zentral- oder Südafrika vor - Gebieten also, die besonders anfällig für politische Umstürze sind", erläutert Krause. Werden die Unruhen zu groß, ziehen sich die privaten Versicherer gerne zurück. Derzeit können sich Firmen gegen das Enteignungsrisiko in Venezuela nicht versichern, da der frühere Präsident Hugo Chavez in der Vergangenheit Hunderte Unternehmen verstaatlicht hat. "Wir versichern keine venezolanischen Risiken mehr", sagt Andreas Tesch, beim Kreditversicherer Atradius im Vorstand für das globale Kreditversicherungsgeschäft zuständig. Argentinische Risiken zeichnet der Versicherer nur noch über einen Kooperationspartner.

Auch die Ukraine ist für viele Anbieter ein rotes Tuch. Vorsichtiger geworden ist Atradius auch in der unruhigen Türkei. "Wir versichern Lieferungen noch, sind aber selektiver bei der Einzelauswahl", sagt Tesch.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: