Prominente in der Werbung:"Da droht der Vampir-Effekt"

Opel und Lena - ob das gutgeht? Der Marketing-Forscher Carsten Erfgen über die Erfolgsaussichten der Liaison von Auto und Musik, die Glaubwürdigkeit von Prominenten in der Werbung - und gutgehütete Geheimnisse.

Johannes Aumüller

Der angeschlagene Automobilkonzern Opel hat ein frisches Werbegesicht: Sängerin Lena Meyer-Landrut, im Frühjahr Gewinnerin des Eurovision Song-Contests. Mit ihrer Verpflichtung will Opel sein Image auffrischen. Ein Gespräch mit dem Wissenschaftler Carsten Erfgen, der an der Universität Hamburg am Institut für Marketing und Medien zu dem Schwerpunkt Testimonials, also Prominenten in der Werbung, forscht.

sueddeutsche.de: Lena Meyer-Landrut ist der neue Werbeträger der Automarke Opel. Passt das zusammen?

Carsten Erfgen: Lena gilt ja als eine unprätentiöse und bodenständige Sängerin und Opel als eher altmodische Marke. Eine jugendliche Auffrischung stünde der Firma sicher gut zu Gesicht, und Lena könnte das auch schaffen. Doch das Engagement birgt für beide Seiten gewisse Risiken.

sueddeutsche.de: Inwiefern?

Erfgen: Unsere Studien haben gezeigt, dass beim Einsatz von Testimonials vor allem folgende Aspekte wichtig sind: die Dauer der Zusammenarbeit, die Glaubwürdigkeit und die Passung, das heißt die Frage, ob die gedanklichen Assoziationen zum Testimonial und die gedanklichen Assoziationen zum Produkt ähnlich sind. Zudem droht gerade in solchen Fällen wie dem von Lena und Opel der Vampir-Effekt.

sueddeutsche.de: Was für ein Effekt?

Erfgen: Der Vampir-Effekt. Das bedeutet, dass sich der Konsument nach der Werbung mehr ans Testimonial erinnern kann als an das beworbene Produkt. Oder im Extremfall sogar ausschließlich an das Testimonial und überhaupt nicht an das beworbene Produkt. Dieser Effekt tritt besonders häufig bei kurzfristigen Engagements auf.

sueddeutsche.de: Also hätten Sie an Opels Stelle eher ein anderes Testimonial gewählt?

Erfgen: Das ist nur schwer zu beantworten. Ich kann zur Auswahl nur generell sagen, dass wir sehr stark dafür plädieren, vor dem endgültigen Einsatz Tests durchzuführen und nicht aus dem Bauch heraus zu entscheiden, weil sich das Bauchgefühl in dieser Frage oft irrt. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass viele Firmen das nicht so machen.

sueddeutsche.de: Die Zahl von Testimonials nimmt kontinuierlich zu. Hat ihr Einsatz überhaupt den gewünschten Effekt?

Erfgen: Es gibt in der Tat immer mehr Testimonials. Bei der Fernsehwerbung ist es mittlerweile so, dass sich 15 bis 20 Prozent auf sie beziehen. Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ist es interessanterweise sogar so, dass die Preise für Testimonials eher gesunken sind und sie somit noch häufiger zum Einsatz kommen.

"Ein gutgehütetes Geheimnis"

sueddeutsche.de: Wie hoch ist denn der Verdienst?

Erfgen: Konkrete Zahlen sind kaum verfügbar. Die Beträge, die für die Verpflichtung eines Testimonials gezahlt werden, sind ein recht gut gehütetes Geheimnis und dringen nur selten an die Öffentlichkeit. Schätzung besagen aber beispielsweise, dass die Marke Nike im Jahr 2004 etwa 340 Millionen US-Dollar für Werbung mit Testimonials ausgegeben hat.

sueddeutsche.de: Und lohnt sich dieses investierte Geld?

Erfgen: Das ist sehr unterschiedlich. Thomas Gottschalk und Haribo sind ja eine der erfolgreichsten Verbindungen. Im aktuellen Lena-Beispiel bedeutet alleine die jetzige mediale Aufmerksamkeit schon einen gewissen Erfolg. Doch es sind auch schon viele Kampagnen misslungen, weil sie zu kurzfristig angelegt waren, weil der Prominente durch Negativmeldungen auffiel oder für zu viele andere Produkte Werbung gemacht hat.

sueddeutsche.de: Sie meinen Beispiele wie Reiner Calmund, der einen mit seiner Fernsehpräsenz ja geradezu erschlägt.

Erfgen: Genau, Beispiele wie Reiner Calmund oder auch Dieter Bohlen, der gleichzeitig für viele verschiedene Marken geworben hat, zum Beispiel für Würstchen und Versicherungen. Da leidet natürlich die Glaubwürdigkeit. Andererseits dürfen Sie Folgendes nicht vergessen: Diese Omnipräsenz kann auch einen positiven Effekt haben, vor allem für weniger bekannte Marken. Die können laut einer unserer Studien mit einer guten Testimonial-Werbung nicht nur von dem Prominenten profitieren, sondern auch von der Markenstärke der anderen Marken, für die das Testimonial wirbt.

sueddeutsche.de: Daneben gibt es ja auch die Prominenten, die innerhalb kürzester Zeit für zwei verschiedene Marken aus derselben Branche werben. Schadet das nicht der Glaubwürdigkeit?

Erfgen: Studien gibt es zu diesem Thema kaum. Aber grundsätzlich liegt dieser Gedanke natürlich nahe und es könnte zu einer Verwirrung der Konsumenten kommen.

sueddeutsche.de: Angenommen, der Konsument reagiert auf die Kombination Lena/Opel nun positiv. Wie lange dauert es Ihren Studien nach, bis sich ein messbarer Erfolg einstellt?

Erfgen: Es kommt darauf an, was man als Erfolg bezeichnet. Erst einmal ist diese Kampagne jetzt schon ein medialer Erfolg, denn sie ist zurzeit in aller Munde. Ob es hier nun wirklich zu einer positiven Meinungsänderung der Konsumenten kommt, bleibt abzuwarten und wird sicherlich nicht über Nacht geschehen.

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