Interview mit Transnet-Chef Hansen:"Der GDL geht es nur um einen Statusvorteil"

Transnet-Boss Hansen über die Streikpläne seiner Gewerkschaft, seine Freundschaft zu Bahn-Chef Mehdorn und warum der GDL-Streik möglicherweise mehr mit Marketing denn mit Tarifpolitik zu tun hat.

Melanie Ahlemeier

Norbert Hansen ist seit 1999 Vorsitzender der Gewerkschaft Transnet, einer von drei bei der Deutschen Bahn organisierten Gewerkschaften. Im kommenden Jahr will der 55-Jährige, der auch über ein Bahn-Aufsichtsratsmandat verfügt, bei den anstehenden Neuwahlen wieder für den Vorsitz kandidieren.

Interview mit Transnet-Chef Hansen: Transnet-Chef Norbert Hansen

Transnet-Chef Norbert Hansen

(Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Herr Hansen, wie geht es im festgefahrenen Tarifkonflikt zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft weiter?

Norbert Hansen: Es wird sich zwischen den beiden streitenden Parteien herausstellen müssen, ob es hier in erster Linie um eine bessere Bezahlung für die Lokführer geht oder um einen eigenständigen Tarifvertrag für die GDL. Wenn Letzteres der Fall ist, dann ist es völlig inakzeptabel, dass dafür inzwischen ganz Deutschland leiden muss. Wir sind auch für eine bessere Bezahlung der Lokführer und erwarten, dass dafür ein Angebot von der Bahn kommt. Wir verhandeln unsererseits schon seit längerer Zeit über eine Verbesserung der Entgelttabellen für alle Beschäftigten. Aber mein Eindruck ist, dass es der GDL nur allein um einen Statusvorteil geht.

sueddeutsche.de: Im Grunde genommen ist es doch ein Kampf der drei Gewerkschaften Transnet, GDBA und GDL untereinander. Warum fällt es den Gewerkschaftsbossen so schwer, eine gemeinsame Linie zu finden, die alle mittragen könnten?

Hansen: Wir kämpfen mit niemandem im Moment. Wir führen außerhalb der Streiksituation Verhandlungen mit dem Bahnvorstand über eine bessere Bezahlung unter Wahrung der Friedenspflicht und kommen ganz gut voran. Wir haben der GDL keinen Anlass gegeben, jetzt in dieser Form einen Organisationskampf anzufangen. Sie hat sich selbst gerne damit gerühmt, dass sie 140 Jahre alt geworden ist. Das ist sie ohne den sogenannten eigenständigen Tarifvertrag geworden.

sueddeutsche.de: Was sind die Motive?

Hansen: Vielleicht liegt es daran, dass man sich jetzt entschieden hat, nicht nur Lokführer zu organisieren, sondern alles, was irgendwie im Fahrdienst ist. Dazu zählen auch Bus- und U-Bahn-Fahrer. Die GDL wirbt auch Verdi-Mitglieder ab. Hier steckt offensichtlich eine Strategie dahinter. Dieser Streik hat möglicherweise mehr mit Marketing zu tun als mit Tarifpolitik.

sueddeutsche.de: Reden Sie eigentlich noch mit GDL-Boss Schell? Der hat Sie ja öffentlich mehrfach abgewatscht.

Hansen: Ich rede jederzeit wieder mit ihm, wenn er auf mich zukommt. Ich habe nach den letzten erfolglosen Gesprächen erklärt, dass ich nicht mehr auf die GDL zugehen werde. Das habe ich seit Jahren getan, auch mit Zugeständnissen, die sehr weitgehend waren. Und die uns auch Mitglieder gekostet haben.

sueddeutsche.de: Ist Manfred Schell als GDL-Chef noch tragbar?

Hansen: Ich habe nichts von irgendwelchen Forderungen gehört, ihn abzulösen. Außerdem ist er ja auch nur noch auf absehbare Zeit GDL-Vorsitzender.

sueddeutsche.de: Wie viele Mitglieder hat Transnet in den vergangenen Streikmonaten an die GDL verloren?

Hansen: Das sind inzwischen nur noch einige hundert, weil es umgekehrt auch Übertritte zu Transnet gibt. Mein Eindruck ist, dass sich die Situation jetzt langsam beruhigt und dass es einen Umkehrtrend gibt. Immer mehr an der GDL-Basis fragen sich, was eigentlich bei der Sache rauskommen soll.

sueddeutsche.de: Wie lange wird der Streit zwischen Bahn und GDL noch dauern? Wann wird es endlich eine Einigung geben?

Hansen: Das kann ich überhaupt nicht einschätzen. Ich glaube auch nicht, dass dieser Streik noch über Wochen gehen wird. Aber ein Aufeinanderzugehen ist im Moment nicht erkennbar. Es wird nur dann zu einer Entkrampfung des Tarifkonfliktes kommen, wenn die GDL-Basis ihrer Führung entsprechende Signale gibt, Kompromisse einzugehen.

"Der GDL geht es nur um einen Statusvorteil"

sueddeutsche.de: Keine der Tarifparteien will mehr von Schlichtung sprechen. Welche Person könnte den Konflikt entkrampfen? Bleibt da nur noch Kanzlerin Merkel?

Interview mit Transnet-Chef Hansen: Transnet-Chef Norbert Hansen (Mitte) mit seinen Eisenbahnerkollegen Manfred Schell (li., GDL) und Klaus-Dieter Hommel (GDBA).

Transnet-Chef Norbert Hansen (Mitte) mit seinen Eisenbahnerkollegen Manfred Schell (li., GDL) und Klaus-Dieter Hommel (GDBA).

(Foto: Foto: dpa)

Hansen: Die Kanzlerin sollte sich auf keinen Fall in den Tarifkonflikt einmischen, indem sie vorschreibt oder über politischen Druck vorgibt, wer nachgeben muss. Aber es ist natürlich ein Streik, der inzwischen eine sehr hohe politische Dimension hat und möglicherweise nachhaltige Schäden für den Standort Deutschland mit sich bringt. Für mich wäre denkbar, jetzt mit den beiden streitenden Parteien eine Grundsatzdiskussion darüber zu führen, wie weit man eigentlich gehen kann. Unabhängig von der Frage der Verantwortung, um nicht einen nachhaltigen Schaden für unsere gesamte Wirtschaft und damit die Bevölkerung zu verantworten.

sueddeutsche.de: Auch Transnet und die dritte Bahn-Gewerkschaft GDBA drohen mit Streik, falls die Bahn beim Gang an die Börse zerschlagen wird. Wann streiken Sie?

Hansen: Wir streiken nur in dem Fall, wenn der Kündigungsschutz der Beschäftigten gefährdet ist. Der ist im Beschäftigungssicherungstarifvertrag geregelt. Im Moment deuten die politischen Signale aber darauf hin, dass es Lösungsmöglichkeiten gibt.

sueddeutsche.de: Es gab Meldungen, dass ein Großstreik von Transnet und der GDBA noch in diesem Jahr möglich ist. In der Vorweihnachtszeit wäre dann das Chaos perfekt.

Hansen: Das ist alles hypothetisch. Ich gehe davon aus, dass die Politik das hält, was sie immer versprochen hat: Dass keine Entscheidungen hinsichtlich der Unternehmensstrukturen getroffen werden, die sich gegen die Beschäftigten richten. Solange das so ist, vertraue ich darauf, dass wir keinen Arbeitskampf führen müssen, sondern unsere Ziele am Verhandlungstisch erreichen.

sueddeutsche.de: Also wird Transnet im laufenden Jahr definitiv nicht mehr streiken?

Hansen: Das kann man definitiv nicht sagen. Solange sich die Politik konstruktiv verhält, sind auch wir konstruktiv. Aber ob das nächste Woche noch so ist, weiß ich nicht.

sueddeutsche.de: Sie gelten als ausgesprochener Freund von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Können Sie nicht mal mit ihm reden und ihm einen guten Tipp geben, damit der Tarifstreit endlich zu den Akten gelegt werden kann?

Hansen: Mehdorn ist vielleicht ein Hansen-Freund und Hansen hat die gleichen Ansichten wie Mehdorn, sofern es den integrierten Konzern betrifft. Aber dieses ständige Gerede über diese Männer-Freundschaft! Man muss in Deutschland mal überlegen, ob es schon unmoralisch ist, wenn in einer Sache eine Gewerkschaft und ein Unternehmensführer gleicher Meinung sind, weil es gut für die Beschäftigten ist. Hier wird eine Kultur zerstört, die für unser Land sehr wertvoll und sehr wichtig war.

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