Interview mit René Obermann:"Wir haben zu viele kleine Standorte"

Der Chef der Deutschen Telekom über weitere Einsparungen, die Zukunft der Konzernbeamten, das Internetfernsehen - und sein iPhone.

Caspar Dohmen

SZ: Herr Obermann, Sie sind vor gut einem Jahr überraschend Chef der Telekom geworden. Haben Sie es je bereut, den Job angetreten zu haben?

Interview mit René Obermann: "Es wird auch im nächsten Jahr Konfliktpunkte geben, das kann ich nicht schönreden.

"Es wird auch im nächsten Jahr Konfliktpunkte geben, das kann ich nicht schönreden.

(Foto: Foto: dpa)

René Obermann: Nein.

SZ: Sie mussten einiges einstecken, die Mitarbeiter haben Sie angesichts des massiven Umbaus des Unternehmens als Dobermann bezeichnet.

Obermann: Wer mich kennt, weiß, dass die Bezeichnung unzutreffend ist. Ich fühle mich den Mitarbeitern verbunden. Ich habe den Konflikt in Kauf genommen, weil nur wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen auch sichere Arbeitsplätze bieten. Dazu ist der Umbau unverzichtbar.

SZ: Würden Sie wieder so vorgehen?

Obermann: Ja.

SZ: Die Bahn hatte dieses Jahr noch größere Probleme mit Streiks als die Telekom. Werden die Gewerkschaften in Deutschland aufmüpfiger?

Obermann: Wenn man sich die Reallohnentwicklung der vergangenen zehn Jahre anschaut, ist es verständlich, dass die Arbeitnehmer höhere Einkommen fordern. Und die Gewerkschaften vertreten ihre Interessen in organisierter Form. Aber wir brauchen auch neue Konzepte. Im wachsenden globalen Wettbewerb reicht die Rezeptur von mehr Lohn und weniger Arbeitszeit eben nicht mehr aus. Mehr Flexibilität, ständige Fortbildung und erfolgsabhängige Einkommensteile gehören auch dazu.

SZ: Sie erhöhen die Dividende. Mehr Geld für die Aktionäre, weniger für die Mitarbeiter - passt das zusammen?

Obermann: Dieses Bild ist mir zu einseitig. Wir müssen als börsenorientiertes Unternehmen die Interessen verschiedener Gruppen berücksichtigen, so die der Anleger und die der Mitarbeiter. Fakt ist, dass wir, wie kaum ein anderes Unternehmen, in soziale Belange investieren. Wir haben immer die notwendigen Personalmaßnahmen sozialverträglich umgesetzt, trotzdem unser Marktanteil bei traditionellen Festnetzanschlüssen regulierungsbedingt schrumpft. Zugleich haben wir die Investoren, darunter auch viele Kleinaktionäre, deren Vertrauen wir stärken müssen, um die Telekom eigenständig weiterzuentwickeln.

SZ: Was ist denn für Sie das entscheidende Erfolgskriterium?

Obermann: Die langfristige Steigerung des Unternehmenswertes, die Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern - all dies muss letztlich im Einklang stehen. Allerdings dürfte es auch in der Zukunft noch zu Veränderungen und Einschnitten kommen, welche Mitarbeiter verunsichern könnten. Dies ist nicht zu vermeiden, denn wir müssen den Konzern noch stärker wettbewerbsfähig machen.

SZ: Gibt es denn auch 2008 wieder harte Einschnitte?

Obermann: Der Umbau ist noch nicht zu Ende. Wir müssen zum Beispiel in den Verwaltungsbereichen sparen, und wir haben heute zu viele kleine Standorte über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Das ist nicht wirtschaftlich, und so können wir auch nicht den integrierten Service anbieten, den man von uns erwartet. Insofern wird es auch im nächsten Jahr Konfliktpunkte geben, das kann ich nicht schönreden. Wir wollen aber die Maßnahmen so sozialverträglich wie möglich angehen. Das ist unsere Pflicht.

SZ: Also werden Sie bei Ihrem Unternehmensdienstleister T-Systems sparen, bei den regionalen Niederlassungen, bei der Buchhaltung ...

Obermann: ... über die Details reden wir erst mit unseren Sozialpartnern.

SZ: Die Gewerkschaft Verdi spricht von 35.000 Stellen, welche die Telekom im Konzern streichen will.

Obermann: Wir haben kein neues groß angelegtes Abbauprogramm und keine Beschlüsse in dieser Größenordnung. Solche Spekulationen sind unseriös.

SZ: Ist ein weiterer Umbau der Telekom mit Verdi überhaupt zu machen?

Obermann: Das wird sich zeigen. Ich gehe davon aus, dass Verdi unter dem Strich die Situation der Telekom richtig einschätzt und letztlich vernünftige Wege mit uns gemeinsam suchen wird.

SZ: Steht im nächsten Jahr ein ähnlich heftiger Arbeitskampf an wie 2007?

Obermann: Das hoffe ich nicht. Ich sehe auch keinen ähnlich dimensionierten Anlass. Ich gehe davon aus, dass wir vernünftige Lösungen mit dem Sozialpartner finden.

SZ: Wann stehen die weiteren Personalentscheidungen an?

Obermann: Es gibt nicht die eine große, sondern einzelne unterschiedliche Entscheidungen in den einzelnen Konzernbereichen.

SZ: Werden Sie auch Beamte, die die Telekom nicht mehr braucht, an den Bund abgeben?

Obermann: Eine Sache ist mir vorneweg sehr wichtig: Ich erlebe unsere verbeamteten Mitarbeiter als sehr gut ausgebildete, motivierte Leute. Dennoch wollen wir mit dem Bund nach alternativen Beschäftigungsmodellen für einen Teil unserer Beamten suchen. Und es gibt ja bereits Modelle, wo wir heute schon erfolgreich unterwegs sind. Nehmen Sie etwa unsere Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit. Das kann man sich ähnlich auch mit anderen Bereichen vorstellen.

SZ: Eines Ihrer Ziele ist es, das Image der Telekom zu verbessern. Warum ist das so schlecht?

Obermann: Das ist im Wesentlichen eine historische Erblast. Wir kämpfen immer noch mit dem Image der ehemaligen Behörde, des ehemaligen Monopolisten. Fakt ist auch, dass wir erhebliche Servicemängel im Inland hatten ...

SZ: ... und immer noch haben. Auch deshalb verliert die Telekom nach wie vor sehr viele Festnetz-Kunden.

Obermann: Ich würde mit dem Thema gerne ein für allemal aufräumen. Unser Service ist bereits erheblich besser geworden - wir sind im Wettbewerbsvergleich jedenfalls vorne und arbeiten weiter dran. Aber richtig ist: Wir verlieren bei den analogen und ISDN-Anschlüssen, die zunehmend durch DSL oder Mobilfunk ersetzt werden. Dabei haben wir bei den traditionellen Anschlüssen immer noch einen Marktanteil von gut 80 Prozent. Also setzt hier die Regulierung weiter zugunsten unserer zahlreichen Wettbewerber an. Die Telekom wird folglich unabänderlich weitere Schmalbandanschlüsse verlieren. Fakt ist aber auch, dass wir wie noch nie im Breitbandgeschäft wachsen. Fast jeder zweite Kunde kommt zu uns. Stark sind wir auch bei Mobilfunkdiensten und High-Tech-Innovationen wie superschnellen Netzanschlüssen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wo sich die Telekom im Preiswettbewerb positioniert.

"Wir haben zu viele kleine Standorte"

SZ: Die Preise für Breitbandanschlüsse sinken. Kann sich die Telekom weitere Preissenkungen leisten?

Obermann: Der Komplettanschluss kostet zwischen 30 und 40 Euro. Das ist ein aggressives Niveau. Wir sind gut positioniert und werden uns die Butter in puncto Preiswürdigkeit nicht mehr von den Wettbewerbern vom Brot nehmen lassen.

SZ: Setzen Sie darauf, dass kleineren Wettbewerbern die Puste ausgeht?

Obermann: Wettbewerb ist gesund, belebt das Geschäft und kommt den Konsumenten zugute. Wir spielen da entschlossen mit. Wir sind nicht angetreten, um unsere Wettbewerber reicher zu machen, sondern kämpfen für unser Unternehmen

SZ: Jetzt hat auch Ihre neue Billigmarke Congstar die Preise gesenkt. Ein Indiz, dass deren Geschäft nicht läuft?

Obermann: Ich werde Ihnen das Haar in der Suppe nicht liefern. Congstar ist mit 30 Mitarbeitern vor wenigen Monaten gestartet. Wir haben rund 50.000 Vertragskunden, und unser Prepaidgeschäft ist ja gerade erst erfolgreich angelaufen.

SZ: Dem Image der Telekom hat auch der verpatzte Einstieg ins Internetfernsehen geschadet. Findet das immer noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt?

Obermann: Nein, wir haben seit der Internationalen Funkausstellung im September einen großen Kundenzuwachs, insgesamt nutzen jetzt 100.000 Kunden das Entertain-Paket. Wir werden unser Ziel dieses Jahr erreichen.

SZ: Die Telekom hat Millionen für die Fußballbundesliga-Senderechte im Netz ausgegeben. War das richtig?

Obermann: Wenn Sie das Medium Internetfernsehen attraktiv machen wollen, ist es in den ersten Jahren auch wichtig, attraktive Inhalte einzubinden. Wie wäre die Entwicklung von Premiere in den ersten Jahren verlaufen ohne Fußball? Wir treiben eine Innovation in den Markt - das braucht Anlauf, Zeit und Anreize.

SZ: Werden Sie erneut für die Übertragungsrechte der Bundesliga bieten?

Obermann: Wenn es für den Bereich Internet-TV attraktive Rechte gibt, dann ja, aber warten wir mal ab, was kommt.

SZ: Gut fürs Renommee der Telekom war das iPhone. Waren Sie so scharf darauf, weil Sie vom guten Image von Apple profitieren will?

Obermann: Der Imagetransfer von einem so innovativen Produktanbieter spielte dabei natürlich eine Rolle.

SZ: Haben Sie selber auch ein iPhone?

Obermann: Klar. Das ist leicht zu bedienen, mit einem Fingertipp. Aber ich habe auch noch ein Black Berry und ein Nokia-Gerät. Ich benutze in der Regel drei bis vier Endgeräte parallel.

SZ: Das iPhone ist sehr teuer. Es kostet 399 Euro. Ist die Zeit der subventionierten Billighandys vorbei?

Obermann: Das glaube ich nicht. Das Marktmodell für Handys wird sich nicht auf einen Schlag ändern, es wird verschiedene Verkaufsmodelle geben. Ich glaube aber, dass noch andere hochwertige Produkte kommen, wo weniger die Gerätesubvention im Vordergrund steht als das Gesamtpaket aus Tarif, Diensten und Endgerät.

SZ: Warum kooperieren Sie nun mit Google bei der Entwicklung der neuen Handysoftware?

Obermann: Weil wir ein Verfechter des offenen Internets für den Mobilfunk sind. Die Kooperation mit führenden Internetanbietern wie Google ist demnach ein logischer Schritt. Wir wollen ja unseren Kunden nicht vorschreiben, was sie nutzen dürfen. Wir wollen sie statt dessen anregen, das mobile Internet zu nutzen, zum Beispiel mit suchen, browsen oder e-mailen.

SZ: Die Telekom sucht seit Monaten vergeblich einen Partner für ihr Großkundengeschäft T-Systems. Warum tun Sie sich so schwer?

Obermann: Wir wollen uns nicht aus T-Systems zurückziehen, sondern in einem Teil, konkret bei Systemintegration und Softwareentwicklung, verstärken, weil uns bestimmte Stärken wie etwa Offshore-Kapazität fehlen. Dies können wir nur mit Partnern tun, die ein langfristiges Erfolgsmodell versprechen. Deshalb gibt es keine Schnellschüsse. T-Systems ist und bleibt ein zentrales Geschäftsfeld der Telekom.

SZ: Trotzdem werden Sie dort wohl Stellen streichen.

Obermann: Bei T-Systems gibt es, dies ist ein offenes Geheimnis, an manchen Stellen Anpassungsbedarf. Dies ist unabhängig von der Partnersuche. Seit Jahren kämpft T-Systems in einigen Bereichen mit zunehmend aggressivem Preiswettbewerb. Das bedeutet, wir müssen wettbewerbsfähiger werden.

SZ: Jetzt beklagt die EU-Kommission, ehemalige Monopolisten wie die Telekom hätten noch immer zu große Macht. Fürchten Sie Eingriffe aus Brüssel?

Obermann: Die Vorschläge aus Brüssel für den neuen Rechtsrahmen der Telekommunikationsindustrie haben einige grobe Fehler. Sie sind vor allem innovations- und investitionsfeindlich. Wenn dies kommt, wird Europa von der modernen Entwicklung in den USA und Asien abgekoppelt. Es ist sogar die Schaffung einer neuen zentralen Regulierungsbehörde vorgesehen. All das sind für mich falsche Signale. Im Übrigen können Sie bei unseren Wettbewerbern Marktanalysen einsehen, die zeigen, dass die Hälfte des Umsatzes im deutschen Markt auf deren Rechnung geht - sicherlich kein Zeichen von Marktbeherrschung durch die Telekom.

SZ: Man könnte in Brüssel auf die Idee kommen, ähnlich wie in der Stromindustrie bei den Telekomunternehmen Netz und Versorgung zu trennen.

Obermann: Dies wäre ein weiterer großer Fehler. Es würde dazu führen, dass die Infrastruktur verwaltet und nicht schnell modernisiert wird. Außerdem ist diese Trennung in anderen Märkten schiefgegangen, beispielsweise bei der Bahn in Großbritannien. Deshalb stelle ich mich vehement dagegen.

SZ: Die beiden Großaktionäre Bund und Blackstone hatten Ihren Vorgänger auch deshalb entlassen, weil der Aktienkurs dahindümpelte. Da sehen Analysten derzeit wenig Spielraum nach oben. Macht Ihnen dies Sorge?

Obermann: Einspruch, die T-Aktie steht höher als in den vergangenen Jahren. Das Vertrauen des Marktes in die Reform- und Wettbewerbsfähigkeit dieses Unternehmens steigt. Das ist grundsätzlich erfreulich. Damit nun diese gute Entwicklung weitergeht, müssen wir unser strategisches Programm konsequent abarbeiten.

SZ: Fürchten Sie manchmal um Ihren Job?

Obermann: Nein. Ich gebe mein Bestes und hoffe, es wird anerkannt.

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