Interview mit Metro-Chef Hans-Joachim Körber:"Media-Markt und Saturn sind keine Discounter"

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Der Vorstand des Handelskonzerns über die Mehrwertsteuererhöhung, das Konsumklima und die Produktqualität.

Klaus Wieking und Jochen Kalka

Herr Körber, viele Unternehmen haben angekündigt, den Kunden die Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozent zu schenken. Der Konzern, der den Geiz zu seinem Motto erhoben hat, kann da doch nicht nachstehen.

Körbe: "Offenheit zahlt sich aus" (Foto: Foto: ddp)

Körber: Der Erfinder des Slogans "Geiz ist geil" hat gerade seine neue Kampagne gestartet. Diesmal hießt der Claim: Saturn feiert die 19. Beide übrigens, Media-Markt und Saturn, haben angekündigt, die Mehrwertsteuererhöhung weder im Vorfeld noch zum Jahreswechsel an ihre Kunden weiterzugeben.

Welche Wirkung wird die Steuererhöhung auf Weihnachten haben?

Körber: Meine Antwort dazu lautet üblicherweise: Weihnachten findet statt. Und das heißt: Die Menschen wollen konsumieren. In diesem Jahr könnte das Weihnachtsgeschäft sogar recht gut ausfallen, denn die Kunden werden einige Einkäufe vorziehen, um so die erhöhte Mehrwertsteuer zu sparen. Im Anschluss könnte es jedoch zu entsprechenden Rückgängen kommen. Wie wir marketingtechnisch darauf regieren, dazu möchte ich mich noch nicht äußern.

Glauben Sie wirklich, dass der Handel die Mehrwertsteuererhöhung auffangen kann?

Körber: Es ist ein einfaches Rechenexempel: Eine Branche, die mit Mühe anderthalb bis drei Prozent verdient, kann die Mehrwertsteuererhöhung auf Dauer nicht allein tragen.

Derzeit zieht die Konsumstimmung deutlich an. Gute Aussichten für das neue Jahr?

Körber: Die Wirtschaftsexperten glauben, dass sich Deutschland bei der privaten Nachfrage positiv entwickeln wird. Aber die Zahlen geben das derzeit nicht her: Stimmung ist nicht Umsatz.

Erwarten Sie mittelfristig nicht, dass sich daran in Deutschland etwas ändern wird?

Körber: Wenn man die Einflussfaktoren betrachtet, so sind die Haupttreiber für Konsum ein positives Lebensgefühl und Zuversicht für die eigene Zukunft. Verfolgt man jedoch die politische Diskussion, bleibt bei den Leuten eins übrig: Wir werden weniger Geld in der Tasche haben. Das ist das eine Element. Das zweite wäre eine maßgebliche Veränderung am Arbeitsmarkt.

Mit Media-Markt und Saturn hat Metro im Handel in Sachen Retail-Branding Maßstäbe gesetzt. Sind in Deutschland die Grenzen des Wachstums der beiden Marken in Sicht?

Körber: Media-Markt und Saturn sind weiterhin außerordentlich erfolgreich. Sie gewinnen weiter Marktanteile ...

Aber hauptsächlich durch Expansion.

Körber: Da Media-Markt und Saturn hierzulande ein fast flächendeckendes Ladennetz haben, führt diese Verdichtung zu einer kontrollierten Kannibalisierung. Das hat Auswirkungen auf das Wachstumstempo. Aber wenn Sie sich an der Entwicklung des Marktanteils orientieren, so sind beiden Konzepte weiterhin sehr erfolgreich.

Marktforscher machen eine Renaissance von Qualität und Service aus, die sich der Kunde wieder etwas kosten lässt. Media-Markt und Saturn sind aber als laute, preisaggressive Marken positioniert. Passt das noch in die Landschaft?

Körber: Das entscheidet der Kunde, und der entscheidet sich nach wie vor für Media-Markt und Saturn. Es wäre auch falsch, die Kampagnen nur auf den Preis zu reduzieren. Tatsache ist ja, dass Media-Markt und Saturn keine Discounter sind. Sie haben breite Sortimente, sie vertreiben ausschließlich Markenware und keine Eigenmarken ...

Das wird auch so bleiben?

Körber: Das ist der aktuelle Stand. Ich war neulich in Schweden und hab mir die dortige Eröffnung des ersten Media-Markts angeschaut, und da stand ein Flatscreen für 85000 Euro. Ist das noch billig? Ist das etwa Discount?

Aber dann müssen Sie in Ihrer Kommunikation stärker qualitative Werte betonen.

Körber: Wenn Sie die Media-Markt-Kampagne "Saubillig und noch viel mehr" sehen, erkennen Sie, dass wir das längst akzentuieren. Tatsache ist außerdem, dass der Deutsche nach wie vor ein Smart Shopper ist, der nicht immer den billigsten Preis, wohl aber das beste Preis-Leistungs-Verhältnis sucht. Am Ende entscheidet der Verbraucher. Und jedes Management muss so sensibel sein, dass es den Zeitgeist richtig interpretiert.

Weniger Freude als ihre Elektronikfachmärkte machen Ihnen Galeria Kaufhof und die SB-Kette Real. Vor allem Real gilt als profillos.

Körber: Durch Qualitätsvorfälle in zwei von 250 Märkten im Jahr 2005 sind wir etwas aus dem Tritt gekommen. Wir sind dabei, die Marke neu zu positionieren und richtig aufzuladen.

In welche Richtung?

Körber: Im Sinne eines klassischen, kompetenten SB-Warenhausanbieters mit einer starken Frischeakzentuierung, viel Service und vielen attraktiven Non-Food-Angeboten. Dazu muss man noch einen griffigen Slogan finden.

Sie haben vor ein paar Monaten 85 Wal-Mart-Märkte übernommen. Wie geht die Integration voran?

Körber: Wir befinden uns in der Post-Merger-Phase, bei der wir in diesem Jahr drei Wal-Mart-Märkte auf das Real-Konzept umstellen werden. 2007 wird dann komplett integriert. Anschließend werden wir Standort für Standort eine Branding-Kampagne machen.

Aber wo bringt die Übernahme der unrentablen Wal-Mart-Märkte die unrentable Marke Real strategisch voran?

Körber: Wir haben eine fast ideale Ergänzung der Ladennetze. Außerdem gibt es eine intakte Infrastruktur. Allerdings können wir nur die Märkte integrieren, von denen wir glauben, dass sie wirtschaftlich zu führen sind.

Was heißt das konkret?

Körber: Wir müssen hier die von der Mitbestimmung geprägten Verfahren einhalten. Deswegen wäre es falsch, Zahlen zu nennen.

Die Metro Goup ist inzwischen in 30 Ländern tätig. Welche Anforderungen stellt dies an die Führung ihrer Marken?

Körber: Die Internationalisierung stellt ganz außergewöhnlich hohe Anforderungen an ein Unternehmen. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle nicht nur in 30 Ländern adaptieren, sie müssen darüber hinaus auch eine internationale Unternehmenskultur schaffen. Wir wollen, dass sich die 260000 Mitarbeiter bei uns wohlfühlen und gern für uns arbeiten. Deshalb binden wir im jeweiligen Land auch immer russische, polnische, ungarische oder chinesische Manager und Mitarbeiter an uns.

Sie investieren viel in Ihre "Absendermarke" und haben die Corporate-Kampagne "The Spirit of Commerce" aufgelegt. Wie wichtig ist es, Metro als Marke zu positionieren?

Körber: Wenn Sie international erfolgreich sein wollen, müssen Sie ein Unternehmen transparent gestalten ...

Das war bei Metro nicht immer so.

Körber: Das war nicht immer so, sondern ist eine der großen Veränderungen, die wir erreicht haben. Diese Offenheit sowohl der Öffentlichkeit als auch den Mitarbeitern gegenüber ist ein ganz wesentlicher Teil unserer Strategie. Auch wir haben gelernt: Bevor man fordert, muss man erst einmal erklären, was man erwartet. Unser Konzern hat sich geöffnet, ist transparent geworden und nimmt seine gesellschaftliche Verantwortung wahr. Dies sind alles Dinge, die einen Paradigmenwechsel bedeuten. Und wenn ich zurückblicke, muss ich sagen: Offenheit zahlt sich aus.

Inzwischen macht die Metro Group über 57 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Heißt das im Umkehrschluss, dass im Heimatmarkt Deutschland kein organisches Wachstum mehr möglich ist?

Körber: Doch, mit Sicherheit. Auch in gesättigten Märkten muss man Wachstum erreichen. Aber dadurch, dass Deutschland so schwierig ist, haben wir, wenn wir im Ausland auf Wettbewerber stoßen, eher einen Vorteil. Weil wir auf Effizienz getrimmt sind, hat die Metro Group sehr schlanke Strukturen und niedrige Kosten. Wenn man das Ganze in einem größeren Rahmen sieht, ist die Unterscheidung zwischen einem Heimatmarkt und ausländischen Aktivitäten eine selbst gewählte, artifizielle Betrachtung des Geschäfts. In zehn Jahren werden wir von einem europäischen Heimatmarkt sprechen und von Aktivitäten außerhalb Europas. Dabei hat die Metro Group den Vorteil, schon heute in fast allen wesentlichen Märkten präsent zu sein. Nach dem Index der Unternehmensberatung A.T. Kearney, der die zehn attraktivsten Emerging-Markets auflistet, ist die Metro Group in acht dieser Märkte vertreten.

Sie haben einmal davon gesprochen, dass Metro vor zehn Jahren ein komplett anderes Unternehmen war. Wo wird die Unternehmensgruppe in zehn Jahren stehen?

Körber: Sie wird noch deutlich internationaler und größer sein, und sie wird sicherlich wirtschaftlich weiter sehr erfolgreich sein.

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