Interview mit Kosmonaut Sigmund Jähn:"Ich bin in diese Geschichte reingeraten"

Sigmund Jähn

Umringt von Journalisten und Fotografen schreibt der Kosmonaut Sigmund Jähn am 03. September 1978 nach geglückter Landung seinen Namen auf die Landungskapsel.

(Foto: picture alliance / Psuhkaryov/Ta)

Der Kosmonaut Sigmund Jähn war der erste Deutsche im All. Heute macht sich der 80-Jährige Sorgen um den Zustand der Erde, wenn er sie von oben sieht.

Von Lea Hampel und Cornelius Pollmer

Wer Sigmund Jähn besuchen will, kann am Bahnhof Strausberg im Osten von Berlin auch einfach in ein Taxi steigen und dessen Namen sagen - eine Adresse zu kennen ist gar nicht nötig. Jähn ist hier, wo er seit Jahrzehnten wohnt, berühmt, berühmter noch als in allen anderen neuen Bundesländern. Vor bald 40 Jahren flog der Vogtländer als erster Deutscher ins All, danach wurde er von der DDR-Staatsführung zum Idol erklärt - und zu einem Symbol dafür, dass der Sozialismus in mancher Hinsicht dem Kapitalismus tatsächlich voraus war.

Von diesem Ruhm sind heute vor allem zwei Dinge übrig: Täglich bekommt der 80-Jährige noch Post von Fans. Und bis heute bringt der Briefträger diese in das schöne Einfamilienhaus in Strausberg, mit großem Garten und nahem See. Hierher musste Jähn nach dem Weltraumflug umziehen, um nah an Berlin und jederzeit für Veranstaltungen greifbar zu sein. So wollte es die Parteiführung.

Hier empfangen Jähn und seine Frau Erika bis heute Besucher. Mal sind es Uniformsammler, die auf ein gutes Geschäft hoffen, mal alte Freunde aus der ganzen Welt, mal Journalisten. Jähn nimmt sich Zeit und erzählt, wie es war, aus einfachen Verhältnissen erst zum Jagdflieger, dann zum Kosmonaut und schließlich zur landesweiten Ikone aufzusteigen.

Sein Vater - er war Waldarbeiter in einem sächsischen Dorf - hatte daran insofern einen Anteil, als er sein Veto einlegte, als die Lehrer seines Sohnes diesen auf eine höhere Schule schicken wollten. Sein Vater, so erzählt Jähn, "konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass mal ich den Wald verlasse".

Heute blickt er dankbar auf sein Leben zurück: "Ich hatte viel Glück." Gleichzeitig machen ihn die großen Veränderungen der letzten Jahrzehnte melancholisch. Er hätte sich gewünscht, dass manche Errungenschaft des Sozialismus erhalten geblieben wären. "Eigentlich ist es doch ein Verlust, dass die Russen jetzt auch Kapitalismus machen", sagt er. Das sei zwar effektiver, "aber ist es wirklich besser für die Zukunft?"

Vor allem der Zustand des Planeten mache ihm Sorgen. Erst kürzlich habe ihm ein junger Kollege Bilder aus dem All geschickt, die ihn schockiert hätten. Wo mal ein Urwald gewesen sein musste, sah Jähn nur noch eine von Menschen geschlagene Schneise. Manchmal frage er sich angesichts solcher Umweltzerstörungen und angesichts steigender Geburtenraten, "wie diese Erde das schaffen soll."

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