Interview mit Hubert Burda (I):"Und dann schlag' zurück!"

Verleger Hubert Burda über Niederlagen, Münchner Journalismus, "Teflon-Manager" und seine Familie.

Interview: Hans-Jürgen Jakobs, Hans Werner Kilz

SZ: Herr Burda, jahrelang wurde Ihre in Offenburg entstandene Verlagsgruppe als "Schwarzwald-Springerle" verulkt. Ärgert Sie das noch?

Hubert Burda, ap

"Vermeidung von Stillstand, darauf lege ich Wert": Hubert Burda

(Foto: Foto: AP)

Hubert Burda: Es gehört wie im Fußball zum Spiel, dass die gegnerische Mannschaft mal ridikulisiert wird. Unsere Hauptstandorte Offenburg und München sind in ihren Mentalitäten grundverschieden. Erfolgreich sind sie beide.

SZ: Sie haben von 1966 an Redaktionen nach München verlagert. Gäbe es Ihr Flaggschiff Bunte heute, wenn es in Offenburg geblieben wäre?

Burda: Das private Fernsehen hat fundamentale Änderungen gebracht. Deren Anchor-Leute bilden eine neue Gesellschaft. Als ich die Bunte als Chefredakteur leitete, war sie ein General-Interest-Medium wie ARD und ZDF - heute ist sie ein People-Magazin. Und so musste ich mit dem Blatt dorthin, wo die Geschichten stattfinden. München ist die Hauptstadt des Entertainments. Der Tonus der Residenzstadt ist von der jahrhundertelangen höfischen Tradition geprägt.

SZ: "In Hamburg macht man Zeitschriften, um die Welt zu verändern, in München, um sie zu genießen." Mehr als nur ein altes Klischee?

Burda: Da liegt ein Kern Wahrheit. Ich selbst bin ja nicht der Prototyp des Verlegers, der glaubt, mit seinen Medien die Welt zu verändern. Das war eine der Utopien der sechziger Jahre, der auch ich anhing. Damals, als wir spürten, dass es eine dunkle, verdrängte deutsche Vergangenheit gab - die Shoah.

SZ: Wie haben Sie die Hamburger Verleger einst erlebt?

Burda: Jeder dieser Heroen hat seine eigene Biografie. Der Zeit-Verleger Gerd Bucerius war Ende der Sechziger von einer unglaublichen Juvenilität. Die Visionen von Axel Springer waren für uns noch schwer zu verstehen, er hat aber auf lange Sicht viel Richtiges gesehen. Mit der deutschen Geschichte war keiner so verwoben wie Rudolf Augstein. Was er aus dem Spiegel machte, war epochal.

SZ: Augstein ist Journalist geblieben. Die Welt wollte er nie verändern.

Burda: Ich habe ihn weniger als Verleger gesehen. In dieser Funktion betreibt man ja stets Zukunftssicherung. Wie halten wir die Druckmaschinen am Laufen? Wie verdienen wir die Gehälter von 7000 Leuten? Deshalb haben wir dieses breite Spektrum - von der Rätsel-Revue bis Chip, von der Gartenzeitschrift bis zu diesen Rolls-Royce wie Instyle oder Max. Weitere Zeitschriften haben Augstein nicht wirklich interessiert. Er hat die Zeit genutzt, um Bücher zu schreiben.

SZ: Ist es für Sie eine große Genugtuung, nach dem Kauf der Verlagsgruppe Milchstraße nun auch in Hamburg sehr präsent zu sein?

Burda: Ich war 1983 mit 25 Prozent am Springer-Verlag beteiligt, als er den Hauptsitz in Hamburg hatte. Die Milchstraße ist mit 160 Millionen Euro Umsatz eher klein. Es ist großartig, welche Titel der Gründer Dirk Manthey entwickelt hat - aber es handelt sich um einen eher kleinen, aber feinen Hochglanzverlag...

SZ: ... der welche Perspektiven im Burda-Reich hat?

Burda: Das entscheiden wir Mitte Februar. Es wird dort natürlich etwas geschehen. Die Milchstraße sitzt auf sehr hohen Strukturkosten aus den Boomjahren bis 2000, die das Ergebnis über Gebühr belastet haben.

SZ: Als Sie noch in Offenburg arbeiteten, müssen Sie große Sehnsüchte gehabt haben. "Hamburg is New York, Offenburg is California", stand auf einem großen Plakat an Ihrer Bürowand.

Burda: Nach der Einstellung der Männerzeitschrift M und meiner Scheidung lag ich wirklich auf der Nase. Aber mein Vater hat an mich geglaubt, obwohl ich nicht sein bester Schüler war - das war eher der in Offenburg geborene Axel Ganz, der für Gruner + Jahr in Paris Zeitschriften macht. Als ich dann 1974 bei Bunte anfing, gingen erstmal alle Türen zu. Die Wetten, dass es der Sohn vom Chef schafft, lagen bei 1:100.

SZ: Sie haben sich durchgebissen.

"Und dann schlag’ zurück!"

Burda: Ich ging nach Wien. Mein Gefühl war: In diesem einstmals riesigen Reich von Kaiser Franz-Josef müssen viele Genies sitzen. Ich liebte die Kronen-Zeitung und mietete in deren Verlagshaus eine Etage. Von dort habe ich drei, vier Monate die Bunte gemacht. Nachdem die Machtfrage in Offenburg entschieden war, holte ich junge Leute in die Zentrale. Die sagten: "Mein Gott, Schwarzwald, was wollen wir dort?" Da habe ich dieses Schild gemalt: "Offenburg is California."

SZ: Springer erzählte, er leide beim Lesen von Bild manchmal wie ein Hund. Geht es Ihnen bei ihren Blättern auch so?

Burda: (Lacht) Nein, nein. Ich bin mit allem vollkommen identisch. Springer war manchmal ganz sentimental. Das bin ich nicht.

SZ: Vielleicht litten Sie unter Super, einem 1991 und 1992 für kurze Zeit existierenden reißerischen Ost-Boulevardblatt.

Burda: Natürlich habe ich mich manchmal morgens geärgert. Aber ich habe immer zu der Mannschaft gestanden. Ich stelle mir oft die Frage, was geworden wäre, wenn Murdoch keinen Rückzieher gemacht hätte, wenn der langjährige Bild-Chef Günter Prinz bei uns geblieben wäre und den genial begabten Chefredakteur Franz-Josef Wagner in den Griff bekommen hätte - dann hätten wir in Deutschland eine zweite große Boulevardzeitung! Aber in diesem Fall hätte es Focus wohl nicht gegeben.

SZ: Sie sehen Menschen als Markenartikel. Für was steht Hubert Burda?

Burda: Was ich den Menschen sage ist: "Brand yourself". Ich habe ein gutes Fundament mit Druckereien und Zeitschriften. Der Medienpark in Offenburg birgt viele volkstümliche Titel, ein Erbstück meines Vaters, das wir ausgebaut haben.

Dazu kommen die Titel, die im größeren Stadion in München spielen: Die neue Bunte, die Freundin, Elle, Instyle, Focus. Da passt die Milchstraße wunderbar hinein. Der Aufbau der Zeitschriften ist bis auf die Internationalisierung im Großen und Ganzen abgeschlossen.

Nun geht es darum, von der digitalen Revolution zu profitieren, die mindestens noch zehn Jahre läuft. Es geht also um Bewegung, um Innovation und die Vermeidung von Stillstand, darauf lege ich Wert.

SZ: Wie kommt ein Kunsthistoriker im Internet zurecht ?

Burda: Die Künste schärfen die sinnliche Wahrnehmung der Welt. Bei mir war mit zwölf Jahren klar, dass ich Verleger werde. Mein Vater hat früh gesagt: "Der eine, der Franz, ist der Techniker, der Frieder, das ist der Finanzmann, und der kleine, der hat die wildeste Fantasie." Da ist ewige Unruhe. Vieles muss kombiniert werden. Das ist wie das Dirigieren eines Orchesters. Meine Aufgabe ist das andauernde Identifizieren der neuen Muster der Kommunikation.

SZ: Nach dem Tod Ihres Vaters 1986 hat die Zusammenarbeit seiner drei Söhne ja nicht lange gedauert.

Burda: Man muss frei entscheiden können. Mein Gott, wenn ich zurückblicke auf die frühen Neunziger, das Ende von Super und den Start von Focus: Da haben mich alle doch im Orkus gesehen! Das Risiko Focus konnte man nur mit eigenem Geld eingehen. Helmut Markwort hat mich gefragt: "Wie viel Geld haben Sie noch?" Ich sagte: "70 Millionen Mark." Okay! Später machten wir den ersten Gewinn bei 48 Millionen Mark. In dieser Zeit muss man schnell entscheiden und darf sich nicht irritieren lassen, wenn man auf die Schnauze kriegt. Man braucht die Kühnheit des Wagens, Verantwortung und "Ownership". Das Schlimmste sind diese Teflon-Manager, die sich nie verantwortlich fühlen.

SZ: Hat Ihr Vater geglaubt, alle drei Brüder würden zusammenhalten?

Burda: Das weiß ich bis heute nicht. Er hat sich vielleicht gedacht: "Let them fight it out" - lass' es sie auskämpfen. Und ich habe gesungen: "Only the strong survive" - nur die Starken überleben.

SZ: In der Jugend lernten sie boxen.

Burda: Ja. Meine Lektion war: Wenn man etwas abkriegt, einfach die Handschuhe hochnehmen und in die Doppeldeckung gehen. Irgendwann hört der andere auf. Und dann schlag' zurück!

SZ: Visionär, Journalist, Kaufmann - was macht den guten Verleger aus?

Burda: Eine gute journalistische Vergangenheit ist nach wie vor die beste Basis. Was nützt es, wenn ein Manager gut rechnen kann und nicht weiß, was ein Scoop ist? Man muss dieses Milieu lieben. Im Innersten bin ich noch traurig, nicht mehr Chefredakteur zu sein.

SZ: Was aber nutzt der beste journalistische Impuls, wenn Anzeigenerlöse und damit Redaktionsetats knapp sind?

Burda: Viele Verlage haben sich klug angepasst. Der Daily Mail etablierte etwa erfolgreich Internet-Portale. Man muss das Stammgeschäft durch Diversifikation gut absichern und nicht immer dieselben Eier ins Nest legen. 1991 habe ich auf einem Spaziergang meinen Stellvertreter Jürgen Todenhöfer gefragt: "Was machen wir, wenn es eine Anzeigenkrise gibt?" Unsere Antwort war, Blätter wie Lisa zu starten, die hohe Auflagen erzielen. Heute sind wir vom Anzeigengeschäft nur noch zu 25 Prozent abhängig.

SZ: Wie ist Ihr Führungsstil?

Burda: Als Chefredakteur war es vielleicht meine Fähigkeit, die richtigen Leute zu holen. Wichtig ist für mich, den Leuten ein schnelles, unerwartetes Feedback auf Ihre Arbeit zu geben. Am Tag schreibe ich zehn, zwanzig solcher Notizen und tauche unerwartet an unseren Betriebsstätten auf. Ein sehr effizientes Management by walking.

SZ: Warum verleihen Sie Hausorden wie Chevalier oder Officer?

"Und dann schlag’ zurück!"

Burda: Menschen freuen sich, wenn ihre Arbeit anerkannt wird. Das passiert viel zu wenig. Wir haben auch Krawatten oder Tücher für Mitarbeiter, die etwas Tolles tun. Ein Unternehmen muss Symbole haben. Ohne Symbole gibt es keine Kommunikation.

SZ: Gehört Personenkult dazu? Viele Journalisten denken inzwischen lieber an sich und nicht ans Produkt.

Burda: Beides gehört zusammen. Keiner der Menschen, die Andy Warhols Expose Yourself! leben, kann ohne einen Frame, einen Rahmen, auskommen. Durch Warhol habe ich eine neue Welt kennen gelernt. Künstler wie er haben die Medien verändert. 1999 nannten wir diesen Verlag in Hubert Burda Media um, weil mich die Leute stets fragten, welcher Burda ich sei. Sandra Maischberger, Harald Schmidt, Patricia Riekel - sie sind alle Marken. Letztlich sind Medien menschliche Kommunikation. Das geht besser mit Vor- und Nachnamen.

SZ: Ihre Frau, die Schauspielerin Maria Furtwängler, hat sich selbst als "Wirtschaftsfaktor" des Hauses bezeichnet. In Ihrer Bunten kommt sie prominent vor.

Burda: An und für sich gilt das oberste Gesetz: Man soll in den eigenen Medien nicht erscheinen. Manchmal macht es aber die Faktenlage erforderlich. Bunte kann nicht an ihr vorbei, weil sie als Tatort-Kommissarin sehr erfolgreich ist. Maria ist auch auf dem Titel von Hörzu oder Bild Gesundheit. Sie hat gefunden, was sie gern tut. Sie ist eine eigene Marke. Im Moment ist das weit weg vom Verlag.

SZ: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Zeitschriftenmarkt entwickeln?

Burda: Das Anzeigengeschäft ändert sich fundamental - von der klassischen Zielgruppe hin zur Community. Menschen die in bestimmten Lebenssituationen sind, sich für Themen wie Finanzen, Gesundheit oder den digitalen Lifestyle interessieren. Das geht aufs Netz - und mit einem Klick bin ich in der Zielgruppe. Wenn neue Zeitschriften wie Monopol oder Cicero ihre Communities aufbauen, können sie gut Geschäft machen.

SZ: Lockt es Sie nicht, auch mal ein hochwertiges Objekt zu verlegen?

Burda: Ich denke nicht. Kulturell machen wir den Hermann-Lenz-Preis oder die Vortragsreihe Iconic Turn.

SZ: Gibt es eine weitere Konzentration bei den Zeitschriften?

Burda: Nein. Das ist gelaufen. Die großen Häuser haben eine heftige Kompetition. Das ist gut fürs Geschäft. Der große Markt ist Consumer Technology, da wird Tomorrow reingehen. Keiner wird noch einen Nischenverlag aufmachen, sondern lieber die Kredibilität der Marken nutzen. Zeitschriften sind ein sicheres Geschäft, das nicht viele beherrschen.

SZ: Herr Burda, Sie werden am nächsten Mittwoch 65. Wann übertragen Sie den Vorstandsvorsitz in Ihrem Familienkonzern einem externen Manager?

Burda: Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir mit Todenhöfer und Markwort ein starkes Duo im Management haben - so wie bei Springer einst mit Peter Tamm und Günter Prinz. Wobei Todenhöfer mit seinen Büchern zum Irak-Krieg ja auch journalistischen Interessen nachgeht.

SZ: Imponiert Ihnen das?

Burda: Ich habe nichts dagegen.

SZ: In der Irak-Frage bezieht Todenhöfer Positionen, die zum Beispiel dem Magazin Focus fremd sind.

Burda: Wir sind ein liberales Haus. Der Spiegel lästerte 1977 einmal auf sieben Seiten über meinen Petrca-Preis und schrieb: "Die Rauchzeichen der Partisanen sah man fern am Horizont." Mein Vater hat das auch akzeptiert. Die Menschen sollen sich engagieren.

SZ: Machen Sie Ihre Kinder Jacob und Lisa mit der Verlagsarbeit vertraut?

Burda: Es gibt nichts Schlimmeres als den dynastischen Zwang, ein Erbe antreten zu müssen. Mein Geschäft ist so speziell - dazu muss man veranlagt sein. Bei meinen Kindern kann man noch nicht sagen, ob sie Talent haben. Natürlich wachsen sie in diesem Milieu auf. Lisa fragt zum Beispiel, warum ihre Großmutter Katrin den Spiegel liest.

SZ: Wie lange bleiben Sie Verlagschef?

Burda: Zwischen mir und der nächsten Generation werden möglicherweise 20 Jahre liegen, in der eine Managerkombination die Verlegerrolle ausfüllen könnte. Bis zum Alter von 70 Jahren bleibe ich sicherlich im Vorstand. Das genaue Zukunftsmodell habe ich schon im Kopf. Ich bin mir über das Sprichwort der alten Römer im Klaren: "Bedenke dass du sterblich bist." Obwohl das keiner wirklich glaubt.

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