Interview mit Hubert Burda:"Das wächst und wächst"

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Der Verleger über die wachsende Dynamik des Internets und verpasste Chancen

Interview: Hans-Jürgen Jakobs, Hans Werner Kilz

SZ: Herr Burda, vor fünf Jahren kündigten Sie an, ein Drittel Ihrer Geschäfte mit dem Internet zu machen. War das zu optimistisch?

"Die digitale Integration ist die größte Veränderung seit dem Buchdruck Gutenbergs": Hubert Burda (Foto: Foto: dpa)

Hubert Burda: Ich denke nicht. Das wächst und wächst. Die Bereiche Burda Digital und die Dienstleistungen setzten im Jahr 2004 mehr als 500 Millionen Euro um - bei einem Konzernumsatz von 1,5 Milliarden. Im Online-Geschäft haben wir die meiste Dynamik - wie sonst nur noch im Auslandsgeschäft der Zeitschriften.

SZ: Was sind für Sie die faszinierendsten Entwicklungen im Internet?

Burda: Wer hätte gedacht, dass eine Suchmaschine wie Google einen solchen Erfolg hat? Wir waren auch auf diesem Feld die ersten: Mit Matchcraft, einer Software-Firma aus Israel, waren wir fünf Minuten davor, eine solche Suchmaschine selbst zu installieren.

Da kamen Sergey Brin und Larry Page, die Gründer von Google. Schauen Sie sich den Börsenkurs heute an! Google wird jetzt Suchmaschinen für Videos durchsetzen - das wird noch einmal das Fernsehen grundlegend verändern. Im Privat-TV zum Beispiel ist der Streuverlust hoch, viele Konsumenten werden gar nicht erreicht. Bei Google ist das anders: Plötzlich sind Hunderte neuer Werbekunden da.

SZ: Sie meinen aus dem von Sendern zusammengestellten Angebot wird ein großes Abruf-Fernsehen?

Burda: Bei SBC Communications, das nun in den USA AT&T Wireless gekauft hat, gibt es die ersten Modelle, bei denen man über ein Wireless LAN und ein von Microsoft entwickeltes Menue aus tausend Kanälen auswählen kann. Eine Revolution!

Die Werbung wird passend dazugegeben, genau wie bei Google. Das wird das gesamte elektronische Mediengeschäft noch einmal verändern. Ich denke, Streaming Video ist die Zukunft.

SZ: Sie werden am nächsten Mittwoch 65. Sind Sie noch fit für solche radikalen Umbrüche?

Burda: In meinem Alter bin ich für viele Anwendungen zu weit weg - aber die jungen Kräfte in meinem Unternehmen sind da hinterher. Und ich sehe ja bei meinem 15-jährigen Sohn Jacob, wie leicht er sich mit solchen Innovationen tut.

Er ist, im Gegensatz zu mir, nicht mit mehreren Applikationen auf dem Handy überfordert. Sehen Sie sich doch mal Jamba an: Die Firma macht mit Klingeltönen mehr Umsatz als so manche Musik-Company mit CDs.

SZ: Gibt es auch verpasste Gelegenheiten für Burda, denen Sie heute nachtrauern?

Burda: Es wäre sicherlich schön gewesen, wenn wir 1994 unser Europe Online mit AOL Europe von Bertelsmann funsioniert hätten.

SZ: Europe Online ist nachher in die Insolvenz gegangen...

Burda: Vielleicht war es ja naiv gewesen, diesen Online-Dienst zu starten - aber zusammen mit AOL wäre das der größte Internet-Provider in Europa geworden. Leider wollte der damalige Bertelsmann-Chef Mark Wössner das nicht.

Eine nicht realisierte Chance war auch Alando - mit diesem Online-Haus würden wir heute drei Prozent an E-bay halten. Ich Idiot habe es 1999 für zehn Millionen Mark verkauft, weil ich mir sagte: "Ich will endlich auch mal Geld sehen im Internet." Heute sind fast alle unsere Online-Beteiligungen profitabel.

SZ: Wann war Ihnen zum ersten Mal klar, dass es zu einer Art digitaler Revolution kommen wird?

Burda: Im Jahr 1991. Damals entstand bei unserer Super-Zeitung in Berlin erstmals ein Blatt vom Computer aus. Helmut Markwort hat nach der Einstellung von Super im Herbst 1992 die Infrastruktur für Focus genutzt.

Von meinem 51. Lebensjahr an habe ich mich intensiv mit den digitalen Medien auseinander gesetzt. Es war mir klar: Die digitale Integration ist die größte Veränderung seit dem Buchdruck Gutenbergs. Aber auch hier gibt es, wie immer, eine Upside und eine Downside: Das eine sind Google und E-bay, das andere die Arbeitslosen.

SZ: Fällt es Ihnen als Verleger schwer, sich in diese neuen Welten hineinzudenken?

Burda: Nein. Ich traue mir als Kunsthistoriker zu, in ästhetischen Fragen relativ sicher zu sein. Wissen Sie, alles sind ja Interfaces: Papier ist ein Screen, ein Bildschirm. Es handelt sich um Schnittflächen, mit denen ich die äußere Wirklichkeit durch die Medien in mir aufnehme. Das Spannende ist, dass jede dieser Schnittflächen ihre eigene Ästhetik hat, ihre eigene Gesetzmäßigkeit.

SZ: Warum sind Sie eigentlich erst 1995 mit einer Online-Ausgabe von "Focus" gestartet?

Burda: Schon im Januar 1993 hatten wir eine digitale Ausgabe bei uns im Haus auf dem Schirm - beim Start unseres Nachrichtenmagazins. Doch mit dem Markteintritt haben wir noch gewartet. Ich glaubte damals, die Leute lesen die Zeitschrift auch im Internet - und ich habe keine Vertriebserlöse mehr. Für Journalisten ist das wurscht, für Verleger eine Katastrophe.

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