Interview mit Giorgos Stathakis:"Die Geldgeber wollen gar nicht verhandeln"

Greek Cabinet Meeting On Eve Of EU Summit Bailout Talks

Griechenlands "Superminister" Giorgos Stathakis ist überzeugt: "Die Geldgeber wollen gar nicht verhandeln."

(Foto: Kostas Tsironis)

Athens "Superminister" Giorgos Stathakis ist für viele Bereiche zuständig, in denen nach dem Willen der Geldgeber gespart werden soll. Im Interview mit der SZ erklärt er, bei welchen die Regierung Tsipras das umsetzen kann - und bei welchen nicht.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Giorgos Stathakis, 61, führt in der griechischen Regierung ein sogenanntes Superministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Schifffahrt und Tourismus. Während die Süddeutsche Zeitung mit Stathakis in Athen spricht, geht der Nervenkrieg in Brüssel um ein Abkommen, das Griechenlands Staatspleite verhindern soll, weiter. Es gibt eine neue gemeinsame Vorlage aller drei Institutionen, der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Stathakis, ein promovierter Ökonom, empfängt in seinem Ministerium. Aus dem Fenster seines Büros blickt er auf den Syntagma-Platz vor dem Parlament. Er wirkt müde und angespannt, aber konzentriert.

SZ: Es gibt neue Vorschläge der Kreditgeber an Griechenland, in denen alte Forderungen stehen, die Athen schon abgelehnt hatte. Was halten Sie davon?

Stathakis: Das Papier zeigt, dass die Geldgeber gar nicht verhandeln wollen.

Was wollen sie dann?

Ich habe keine Erklärung dafür.

Wenn es dabei bleibt, bedeutet das den Abbruch der Verhandlungen?

Eine Vereinbarung auf der Ebene der Regierungschefs ist immer noch möglich. Wir wollen eine Vereinbarung, und wir haben dafür gute Vorschläge gemacht. Die Entscheidung liegt jetzt in den Händen unserer europäischen Partner.

Die haben Ihre Vorschläge zuletzt abgelehnt, weil sie neue Belastungen für die griechische Wirtschaft brächten.

Unsere Absicht, Gewinne mit 29 statt bislang 26 Prozent zu besteuern, sind nicht extrem, sondern absolut im europäischen Rahmen.

Die Kreditgeber verlangen, die Mehrwertsteuer für Hotels von 6,5 und für Restaurants, bisher 13 Prozent, einheitlich auf 23 Prozent zu erhöhen. Was sagen Sie dazu?

Das würde den Kollaps der griechischen Tourismusindustrie bedeuten. Die höchste Rate für Hotels in Europa ist elf Prozent. Unser Vorschlag war 13 Prozent.

Neu ist die Idee der Geldgeber für eine höhere Tonnage-Steuer für die Reeder.

Das ist allenfalls nach einer gründlichen Analyse möglich. Es gibt starken internationalen Wettbewerb auf den Weltmeeren und die Auswirkungen auf Griechenland müssten erst geprüft werden.

Wie kann Griechenland wieder Wachstum erwirtschaften, mit Tourismus allein wird es kaum gehen?

Unser Vorteil ist unsere gut ausgebildete Jugend. Einer von zwei Griechen hat einen Universitätsabschluss. Wir müssen in neue Technologien investieren, in wertvolle Agrar- und Medizinprodukte. Die Löhne weiter zu senken, wird Griechenland nicht helfen. Die sind in fünf Jahren schon um 40 Prozent gesunken. Das hat das Land nicht wettbewerbsfähiger gemacht.

"Niemand weiß was passiert, wenn es keine Vereinbarung gibt"

Es gibt das Wachstumspaket von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, mit 35 Milliarden Euro für Griechenland, das diese Woche im EU-Parlament gebilligt wurde. Kann das helfen?

Es ist eine gute Idee, auch wenn das keine neuen Mittel sind, sondern Gelder aus den Strukturfonds und der Europäischen Entwicklungsbank. Voraussetzung aber ist, dass wir jetzt eine Vereinbarung bekommen, daran hängt alles.

Die Geldgeber verlangen erneut auch eine lange Liste von Privatisierungen.

Wir werden das Wasser, den Strom und die Post nicht privatisieren. Nur die Dinge, die auf unserer Liste für 2015 und 2016 stehen, können verkauft werden.

Auch Häfen und Flughäfen?

Stathakis: Ja. Aber generell muss man sagen, dass wir verglichen mit anderen europäischen Ländern, auch mit Deutschland, schon die kleinsten staatlichen Anteile an der Gesamtwirtschaft haben.

Aber Griechenland hat besonders hohe Strompreise, über die die Wirtschaft klagt.

Sie tut das zu Recht. Aber der bisherige Wettbewerb in diesem Bereich hat bei uns dazu geführt, dass entsprechende Firmen wegen Betrugs vor Gericht stehen.

Was passiert, wenn es keine Einigung in Brüssel in letzter Minute gibt?

Das wäre ein gefährlicher Weg für Griechenland und für Europa. Was mir Hoffnung gibt, dass es doch noch gelingt, ist die weltweite positive Entwicklung an den Finanzmärkten seit Beginn dieser Woche. Die Märkte zeigen, was die einzige rationale Entscheidung wäre.

Und was wird ohne Vereinbarung aus der Regierung Tsipras? Gibt es Neuwahlen?

Keiner weiß, was dann passiert.

Wird die Syriza-Fraktion jede Vereinbarung mittragen, die der Premier unterschreibt?

Wenn die Vereinbarung so ausgewogen ist wie unser Vorschlag, dann gibt es kein Problem. Wenn die Geldgeber aber ihr altes Programm durchsetzen wollen, dann wird Tsipras es nicht unterzeichnen und es wird es auch keine Abstimmung im griechischen Parlament geben.

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