Interview:"Ein Streit kann existenzbedrohend sein"

Wie die Betriebsübergabe in der Familie besser klappt und man Streit vorbeugen kann, sagt Christian Andres, Professor an der WHU - Otto Beisheim School of Management im Gespräch.

Interview von Pauline Schinkels

Ein Unternehmen zu führen ist eine ständige Herausforderung. Doch eines zu übergeben eine Kunst. Bei mittelständischen Betrieben können schnell Konflikte auftreten, wenn es keine klare Rollenverteilung gibt, erklärt Christian Andres, Professor an der Privathochschule WHU - Otto Beisheim School of Management. Wie man Streit vorbeugen kann, sagt er im Gespräch.

SZ: Nur zwölf Prozent aller Unternehmer schaffen die erfolgreiche Übergabe. Woran hapert es?

Christian Andres: Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Der Gründer bleibt oft zu lange im Unternehmen, er hat dort über Jahrzehnte Strukturen aufgebaut, an denen er festhält. Auch wenn einige Denkmuster nicht mehr zeitgemäß sind. Die Planung für eine Unternehmensübergabe beginnt dann viel zu spät. Und der Pool an potenziellen Nachfolgern ist klein. Nicht immer ist der Sohn oder die Tochter aus der Familie der geeignetste Nachfolger. Unternehmergeist ist nicht vererbbar.

Wann sollte die Planung beginnen?

So früh wie möglich. Gerade mittelständische Unternehmen sind sehr stark auf ihre Gründerpersönlichkeit ausgerichtet, viele Verträge sind implizit und basieren auf vertraulichen Beziehungen, die über Jahre aufgebaut wurden. Mit dem Abgang des Gründers brechen die komplett weg. Deshalb sollten solche Betriebe extrem früh anfangen, den Nachfolger an seine Rolle im Unternehmen heranzuführen. Am besten schon zehn Jahre vor der Pensionierung.

Die DIHK empfiehlt einen Notfallkoffer zu zurren, in den alle wichtigen Unterlagen gehören, falls der Gründer unerwartet aus dem Unternehmen ausscheidet. Was gehört alles in so einen Koffer?

Der Gesellschaftsvertrag und die Protokolle der Gesellschafterversammlung, die Gewinn- und Verlustrechnungen, Patente, Vollmachten, Nachweise über das eingezahlte Stammkapital und Unterlagen zur Unternehmensstrategie. Das wäre das Mindestmaß an Unterlagen, aber selbst die haben die wenigsten Betriebe griffbereit.

Viele Unternehmensübergaben scheitern an internen Streitereien, die bis vor Gericht gehen.

Bei der Übergabe kommt es schnell zu einem Generationenkonflikt, weil es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie das Unternehmen zu leiten ist. Da hilft oft eine klare Rollenverteilung. Es muss deutlich sein, wer für welche Entscheidungsprozesse zuständig ist. Auch ein Patriarch muss irgendwann Kontrolle abgeben. Andernfalls kann so ein Streit existenzbedrohend sein.

Wie kann man solchen Konflikten vorbeugen?

Mit Beiräten oder einer Familienverfassung. Eine Mitgliedschaft im Beirat bietet auch dem Gründer einen Kanal, sich weiterhin zu äußern. Der Nachfolger kann auch andere ehemalige Mitarbeiter im Beirat an das Unternehmen binden. Das kann eine sehr wichtige Ressource sein, wenn es zum Beispiel um alte Kundenbeziehungen geht. In der Familienverfassung können die Werte des Unternehmens und ein Verhaltenskodex festgelegt werden. Börsennotierte Unternehmen haben dafür den Corporate Governance Kodex, in dem sie so etwas festhalten. Ein Pendant dazu fehlt in mittelständischen Unternehmen oft.

135 000 Unternehmen suchen laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in den nächsten Jahren einen Nachfolger. Sind Sie zuversichtlich, dass diese innerhalb der Familie übergeben werden?

Die meisten Unternehmen werden in Familienhand bleiben. Das ist ja kein Konsumgegenstand, sondern ein emotionales Asset, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Einige werden auch nach externen Finanzinvestoren suchen - die haben aber in Deutschland noch immer einen eher schlechten Ruf.

Was macht einen geeigneten Nachfolger aus?

Bei der Auswahl geht es besonders um soziale Kompetenzen. Kann der Kandidat zeigen, dass er ein sensibles Gespür für das Unternehmen hat und Vertrauenskapital aufbauen kann? Außerdem muss er signalisieren, dass er lange in dem Unternehmen bleiben möchte. Gerade bei mittelständischen Unternehmen ist es wichtig, dass er eine gewisse Kontinuität vermittelt.

Angenommen, ein Unternehmer möchte seinen Betrieb übergeben.

Dann muss er sich als Erstes klar werden, was er will. Möchte er nur das Management abgeben oder auch seine Kapitalanteile an dem Unternehmen? Je nachdem sollte er sehr schnell anfangen, Investoren zu suchen, Personalagenturen zu beauftragen und den Steuerberater einzuschalten.

Die Reform der Erbschaftsteuer kommt nächstes Jahr, ich rate jedem jetzt noch einmal mögliche Optimierungen auszuloten, ansonsten können profane steuerliche Gründe bei der Übergabe am Ende noch zu Liquiditätsproblemen führen. Außerdem sollten die Mitarbeiter möglichst früh informiert werden, sonst wird grundlos Vertrauen verspielt.

Ist es derzeit nicht geschickter, ein Unternehmen zu gründen, als ein bestehendes zu übernehmen? Gerade mit Blick auf die Start-up-Szene in Berlin oder München?

Da ist sicherlich etwas dran. Es gab in den vergangenen Jahren eine Gründerwelle in Deutschland. Aber vor allem die Anfangszeit kann extrem hart werden - viele Neugründungen scheitern. Solche Probleme fallen bei der Übernahme eines älteren Betriebs weg. Irgendwo kann man sich da in ein sicheres, gemachtes Nest setzen, auch wenn Aspekte wie Social Media rausfallen und das Ganze auf den ersten Blick nicht so anziehend wirkt.

Viele Unternehmer üben Druck auf ihren Nachwuchs aus, wenn es darum geht, ihr Lebenswerk zu übernehmen. Ist das ein Fehler?

Nein, wenn das bedeutet, dass der Sohn oder die Tochter für das Unternehmen begeistert und langsam an den Betrieb herangeführt werden. Wenn aber eine überzogene Erwartungshaltung an den Nachfolger herangetragen wird, dann halte ich das für einen Fehler.

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