Internet-Start-up:Shopping der besonderen Art

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Wenn Chinesen in Europa Urlaub machen, zieht es sie häufig in die Stores bekannter Luxusmarken. (Foto: AFP)
  • Im vergangenen Jahr reisten mehr als 100 Millionen Chinesen ins Ausland.
  • Während einer einwöchigen Europareise geben die Chinesen im Schnitt 1800 Euro für Einkäufe aus.
  • Jetzt gibt es eine Shopping-App für die chinesischen Shopping-Touristen.

Von Vivien Timmler

Eine Handtasche von Prada, eine Sonnenbrille von Gucci, gleich drei Paar Sandalen von Birkenstock und das Küchenmesser-Set von Zwilling: Viele Chinesen, die in Europa Urlaub machen, verfallen in einen Shoppingrausch. Zwar kommen sie zumeist mit dem Ziel, möglichst viele Länder in möglichst kurzer Zeit zu bereisen. Vor Ort gilt dann aber: Kaufen, was der Geldbeutel hergibt.

Mehr als 100 Millionen Chinesen reisten im vergangenen Jahr ins Ausland. Die Gäste aus Fernost bringen auch ein enormes Shoppingbudget mit: Im Schnitt 1800 Euro gibt ein Chinese während einer einwöchigen Europareise für Einkäufe aus. Damit entfällt etwa ein Drittel des globalen Umsatzes für Luxusgüter allein auf Chinesen. Insgesamt 150 Milliarden Euro sollen es laut dem Beratungsunternehmen OC&C im vergangenen Jahr gewesen sein.

Weg zum Shopping-Glück

Zahlen, die den Unternehmer Fred Klinkert, 29, auf eine Idee gebracht haben: Er erfand einen Einkaufsführer für Chinesen. Und zwar nur für Chinesen. Seine App "Edaole" - übersetzt heißt das in etwa "ein Weg zum Glück" - navigiert den chinesischen Shopping-Touristen zielstrebig durch Europas Einkaufsmetropolen und informiert ihn über Sortimente, Preise und Öffnungszeiten - selbstverständlich auf Chinesisch.

Die Shopping-App ist Klinkerts erstes eigenes Start-up. Ein Neuling in der Branche ist er jedoch nicht: Nach Stationen beim Modehändler Zalando, dem Zahlungsdienstler Payleven und dem Kosmetikversender Glossybox wurde er 2013 Geschäftsführer beim Herrenschneider-Start-up Youtailor, einem Unternehmen, das zuvor bereits zweimal Insolvenz anmelden musste. Vor einer dritten Krise konnte jedoch auch Klinkert das Start-up nicht bewahren. Anfang 2015 verließ er die Firma, kurz danach fusionierte sie mit einer Krawattenmanufaktur.

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"Chinesen lieben Rabatte nicht - sie jagen sie"

Jetzt also Edaole: In 13 europäischen Shopping-Metropolen bietet das Start-up zu Beginn den Einkaufs-Guide an. Mailand, Paris, Berlin - und die deutsche Destination Nummer eins: Frankfurt am Main. Dabei hatten die Chinesen es hierzulande bislang eigentlich nicht schwer, die Luxus-Gegenden aufzuspüren: die Frankfurter Goethestraße, die Münchener Maximilianstraße, das Berliner Kadewe - allesamt altbewährte Orte des Luxuskonsums. Wozu also noch eine weitere Einkaufs-App? "Edaole stellt für die Chinesen die effizienteste Shopping-Routen zusammen, auch abseits der großen Kaufhäuser. Zusätzlich erhalten sie über die App viele Vorteilskonditionen. Chinesen lieben Rabatte, nein, sie jagen sie regelrecht", sagt Unternehmer Klinkert.

Edaole versteht sich nicht nur als Dienstleister für die chinesischen Kunden. Das Start-up wendet sich gleichzeitig an Luxusmarken-Händler. "Chinesische Touristen suchen aus Prinzip keine einzelnen Geschäfte, sondern die großen Marken", sagt Klinkert. Viele Designer in der Nische haben es schwer, chinesische Kundschaft auf sich aufmerksam zu machen. Zu dominant sind die großen Einkaufszentren in chinesischen Reiseführern und Online-Netzwerken. Werben die weniger bekannten Marken über Edaole, so vergrößert sich immerhin die Wahrscheinlichkeit, dass Chinesen auf sie aufmerksam werden. Für die Werbung und die Übersetzung der Inhalte müssen die Unternehmen vorerst nicht bezahlen - erst nach erfolgreichem Verkaufsabschluss wird eine Provision fällig.

Mehr als 300 Luxusfilialen mit einem Angebot von 2000 Marken gehören mittlerweile zum Netzwerk Edaoles, darunter der Uhrenhersteller Rolex oder die Luxusmarken Hermès, Hugo Boss oder Chanel. Schon drei Woche nach ihrem Start wurde die App mehrere Zehntausend Mal heruntergeladen.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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