Internationaler Währungsfonds:IWF-Chefin Lagarde ist wichtig für Europa

Managing Director of the International Monetary Fund Christine Lagarde reacts before the start of her trial about a state payout in 2008 to a French businessman, at the courts in Paris

Lagarde ist eine Persönlichkeit, die Superlative anzieht. Sie ist elegant und stilsicher, eloquent, freundlich, beliebt.

(Foto: Charles Platiau/Reuters)

Nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen werden viele Verfechter traditioneller westlicher Werte Washington verlassen. Lagarde muss auf jeden Fall dort bleiben.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Anders als erwartet, hat der Sondergerichtshof in Paris Christine Lagarde am Montag schuldig gesprochen. Angeklagt war die frühere französische Wirtschafts- und Finanzministerin wegen des fahrlässigen Umgangs mit Steuergeld. Eine Strafe verhängten die Richter zwar nicht, aber die Schrammen sind unübersehbar. Die symbolische Verurteilung beschädigt das bisher unangetastete Image Lagardes als Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die Lagarde, die in den Prozess hineingegangen ist, war eine andere als diejenige, die jetzt herausgekommen ist. Die neue Lagarde hat sich ausgerechnet als Finanzministerin des fahrlässigen Umgangs mit Steuergeldern schuldig gemacht. Inzwischen sitzt Lagarde im Chefsessel der bedeutendsten internationalen Finanzorganisation - und trägt wiederum die Verantwortung für viel Geld, nämlich das der Anteilseigner. Bisher ohne jegliche Klagen. Erst im Sommer bestätigten sie die IWF-Mitglieder für eine zweite Amtszeit.

Wichtig in Washington

Das Urteil von Paris setzt nun zumindest ein Fragezeichen hinter die Entscheidung. Die USA und die Europäer könnten zweifeln, ob es richtig war, erneut auf eine Kandidatin aus Frankreich gesetzt zu haben. Zur Erinnerung: Lagarde kam 2011 nur deshalb ins Amt, weil der damalige Chef, ihr Landsmann Dominique Strauss-Kahn über eine Affäre stürzte. Der damalige Staatspräsident Sarkozy setzte als Nachfolgerin seine Ministerin Lagarde durch.

Lagarde ist eine Persönlichkeit, die Superlative anzieht. Sie ist elegant und stilsicher, eloquent, freundlich, beliebt. Als Anwältin brachte sie es zügig zur Partnerin einer US-Kanzlei, als politische Quereinsteigerin stieg sie schnell zur Ministerin auf, um schließlich im Auftrag der Europäer in Washington das höchste Amt im Währungsfonds zu übernehmen.

Sie hat sich auf ihre Weise bedankt und den Europäern in der akuten Euro-Krise klug zur Seite gestanden. Diese Krise ist jetzt weitgehend ausgestanden. Lagarde in Washington zu haben ist aus Sicht der Europäer trotzdem noch weit bedeutsamer geworden.

Mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen werden viele Vordenker und Verfechter traditioneller westlicher Werte die US-Hauptstadt verlassen. Posten werden mit Konservativen besetzt. Die Französin Lagarde ist die einzige liberale Europäerin, die aus derart hervorgehobener Position noch westliche Werte im Trump'schen Umfeld verteidigen kann. Trump kann die mit den Stimmen des IWF gewählte Chefin nicht ablösen, so, wie er etwa frühere Obama-Berater im Fonds auswechseln kann.

Die Europäer sind gut beraten, Lagarde zu stützen. Zumal der Prozess ein innenpolitisches Geschmäckle hat. Die französische Linke hatte ihn angestrengt, um Sarkozy als Präsidentschaftskandidaten zu verhindern. Vor Gericht fehlten jetzt entscheidende Zeugen, die die damaligen Verstrickungen hätten ausleuchten können. Vieles bleibt offen. Lagarde selbst sollte das Urteil als ernste Warnung verstehen, politische Zugeständnisse zu machen.

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