Intelligente Ofen:Der mit dem Braten spricht

Miele Dialoggarer

Der Fisch wird gar, das Eis bleibt gefroren – Mieles Technologie macht das möglich.

(Foto: Miele)

Miele hat das Kochen neu erdacht: Mit dem Dialog­garen sollen ambitionierte Hobbyköche Gourmet-Menüs aus dem Herd zaubern. Die Inspiration dazu holte sich das Unternehmen aus der Medizin­technik.

Von Ulrike Sauer, Mailand

Gespräche tun gut. In einer Zweierbeziehung, in der Familie, im Job. Aber im Ofen? Wo Kartoffeln rösten, der Braten schmort oder das Soufflé aufgeht? Auch dort spielt Kommunikation in Zukunft eine Rolle. Dialoggarer nennt Miele deshalb seine neu entwickelte Ofen-Generation. "Es findet ein Dialog zwischen dem Gerät und dem Gargut statt", sagt Reinhard Zinkann, Geschäftsführer des deutschen Hausgeräteherstellers. Er sitzt in Mailand am Miele-Stand und erlebt auf der größten Möbelmesse der Welt den Rummel um seine Küchenrevolution.

Aufsehen erregt der Familienkonzern aus Gütersloh hier nicht mit Design, sondern mit Innovation. "Der Dialoggarer begründet eine völlig neue Art des Kochens", sagt der Gründerurenkel über sein Messe-Highlight. In dem Ofen können gleichzeitig unterschiedlichste Lebensmittel auf den Punkt gegart werden. So lassen sich exzellente Ergebnisse in sensationell kurzer Zeit erzielen, sagt Zinkann, selbst ein ambitionierter Hobbykoch. Das Unternehmen sieht in dem Dialoggarer den größten Innovationssprung seit Einführung der Induktionskochfelder vor 30 Jahren.

In den kommenden Tagen geht der intelligente Ofen im Werk in Oelde in Produktion. Der Vorstoß in die neue Dimension des Kochens forderte Miele einen Kraftakt ab. Die Idee übernahm man aus Israel. Sie wurde im Bereich der Medizintechnik entwickelt, um bei Transplantationen gekühlte Organe schnell und gleichmäßig auf Körpertemperatur zu bringen. Die herkömmliche Mikrowelle kommt dafür nicht in Frage. Die israelischen Forscher nutzten elektromagnetische Wellen mit wechselnden Frequenzen. Als sie bei Miele davon erfuhren, sagte man sich: Das muss auch fürs Kochen möglich sein.

Der Weg zum Dialoggarer war aber noch weit. Sieben Jahre experimentierte man mit der Technik. Es wurde ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag investiert. "Wir wollten diese Technologie auch deshalb haben, weil wir davon überzeugt sind, dass sie sich weiterentwickeln lässt", sagt Zinkann. Und da möchte man dann gern mitspielen. Zudem galt es, Mieles Nimbus als einer der Technologieführer der Branche zu verteidigen.

Elektromagnetische Wellen können gezielt auf Produkte ausgerichtet werden

Noch nie hat der Anbieter von Premium-Hausgeräten einen so großen Aufwand für die Markteinführung eines einzelnen Produkts getrieben. "Revolutionary excellence" heißt in Mailand das Motto des 1200 Quadratmeter großen Messestandes. Ein Aufwand, ohne den es einfach nicht geht. Wenn man in seiner Branche ein Produkt für 8000 Euro auf den Markt bringt, sollte das schon sehr schlagend präsentiert sein, sagt Zinkann. Es müsse ein richtiges Bedürfnis erzeugt werden, auch weil ja noch keiner das Ding kennt. Dafür passt der Luxusofen aber auch gut in eine Zeit, in der die Küche das Auto als Statussymbol abzulösen beginnt.

In Mailand lud Miele abends zur Kochshow an die angesagte Designer-Meile Tortona. In der schwarzen Halle Visconti inszenierten vier Profi-Köche vor den Augen der Gäste ein viergängiges Essen aus dem Dialoggarer - als Zauberei. Die Decke öffnete sich und Öfen wurden in die Mitte des Saals herabgesenkt. Als Amuse-Gueule legten sie rohe Fischfilets in hohle Eisblöcke und holten sie nach sechs Minuten zart gegart aus den gefrorenen Eiskästen heraus. Ein kulinarisches Erlebnis war es nicht, das Experiment sollte demonstrieren, wie verblüffend Kommunikation im Ofen funktioniert. Als Hauptgang wurden dann saftige Tournedos an halbierten Spargelstängeln, Mini-Pilzen, Erbsenpüree, einer mit Gänseleber gefüllten Brioche und einem Polenta-Küchlein zusammen auf einem Blech in den Herd geschoben. Das dicke Rindfleischstück war nach 24 Minuten uniform rosa durchgegart, das winzige Gemüse daneben bissfest.

Möglich macht das eine Technologie, die Miele "M Chef" genannt hat. Der Ofen setzt elektromagnetische Wellen mit Frequenzen um 915 Megahertz ein, die auch in Europas Mobilfunknetzen üblich sind. Eine Panzerung des Geräts verhindert Störungen beim Handy-Betrieb. Zwei Antennen an der Ofendecke messen im Dialog mit den Lebensmitteln permanent, wie viel der ausgesendeten Energie das einzelne Gargut tatsächlich aufgenommen hat. Nun ist Kochen ja reine Chemie, und da die Moleküle in Lebensmitteln unterschiedlich angeordnet sind und sich zudem während des Garprozesses verändern, nehmen sie die Energie unterschiedlich auf. Über die Sensoren passt der Ofen die Frequenzen ständig an, je nachdem wie viel Energie ein Lebensmittel noch braucht. Ein programmierter "Gourmet Assistent" unterstützt den Benutzer auf Wunsch bei der Wahl der passenden Einstellungen für seine Gerichte. Zinkanns wichtigste Zielgruppe ist die große Community anspruchsvoller Hobby-Köche. Käufern des Dialoggarers schickt Miele zur Anleitung einen Profi-Koch nach Hause. Der bereitet dann ein Menü für sechs Gäste vor.

Für den Hersteller ist der smarte Ofen das i-Tüpfelchen auf einer längeren Entwicklung. In den vergangenen 25 Jahren hat das Unternehmen seine Kompetenz in Sachen Reinigung (Wasch- und Spülmaschinen) aufs Kochen übertragen und sich damit stark entwickelt in Richtung einer Lifestyle-, Genuss- und Kochmarke. So ließ sich ein besseres Image aufbauen. "Keiner führt seinen Gast in den Keller oder ins Badezimmer, um ihm die neue Waschmaschine zu zeigen", sagt Zinkann.

Der Dialoggarer soll nun zum Mittelpunkt der großen, offenen Küchen von Menschen werden, die sich gern beim Kochen mehrgängiger Menüs entspannen. "Und damit bei den Gästen auch ein bisschen angeben möchten", sagt Zinkann. Das Zeug zum Statussymbol habe der Ofen natürlich auch. "Ich will den Ferrari der Küche haben" - das sei für manchen eben auch eine Kaufmotivation.

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