BMW:Wie Unternehmen Flüchtlinge in Arbeit bringen

BMW: BMW-Mitarbeiter begrüßen Senay Brhet, einen von 50 Flüchtlingen, die ein Praktikum bei dem Autobauer begonnen haben.

BMW-Mitarbeiter begrüßen Senay Brhet, einen von 50 Flüchtlingen, die ein Praktikum bei dem Autobauer begonnen haben.

(Foto: Rainer Häckl/oh)
  • Mittlerweile sind in deutschen Konzernen Modelle angelaufen, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
  • Diese Modelle sollen mehr als nur ein Praktikum sein: Sie sollen eine Perspektive für ein späteres Arbeitsleben in Deutschland ermöglichen.

Von Marie Tuil

Zu Hause hat Sara Lak Polstern gelernt und Schuhe genäht. Jetzt soll sie als Praktikantin bei BMW mithelfen, Autos zu bauen. Die junge Iranerin ist eine von fünfzig Flüchtlingen, die seit Anfang dieser Woche ein Praxistraining bei dem Münchner Autobauer absolvieren.

Aber was macht eine Näherin in der Autoproduktion? Die Antwort ist einfach: Autositze. Sie soll in der Endkontrolle mithelfen. "Ich denke, sie hat wegen ihrer Arbeitserfahrung einen guten Blick für Nähte und Schnitte", sagt ihr Mentor Jens Gräßler. "Aber als Erstes will ich sie natürlich den ganzen Jungs vorstellen." Abgesehen von der jungen Praktikantin gibt es in der Abteilung nämlich nur Männer. Daran ist die selbstbewusste Zwanzigjährige allerdings gewöhnt: "Ich habe auch in Iran mit 15 Männern zusammengearbeitet und war die einzige Frau", sagt sie.

So wie BMW haben sich die meisten deutschen Konzerne etwas ausgedacht, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. So haben bei BASF im Oktober ebenfalls 50 Flüchtlinge mit Sprachkursen und Qualifizierungsmaßnahmen begonnen. In einem Jahr sollen sie fit für eine Ausbildung sein. Die Deutsche Bahn bietet sogar eine 28-monatige Umschulung zum Elektrotechniker an. Dafür sind allerdings bislang nur 16 Plätze vorgesehen.

Die einen suchen Mitarbeiter, die anderen suchen Arbeit

Die 50 Flüchtlinge, die bei BMW den deutschen Arbeitsalltag kennenlernen sollen, bringen ganz verschiedene Erfahrungen mit. "Von der handwerklichen Ausbildung bis zum Studium ist alles dabei", sagt Inga Juergens, Personalchefin bei BMW. "Wir haben versucht, das, was die Fachabteilungen suchen, und das, was die Kandidaten mitbringen, zusammenzubringen." BMW produziert ja schließlich nicht nur Autos, der Konzern betreibt auch Marketing, vergibt Kredite und benötigt IT.

Genauso wichtig wie der Einblick in die Arbeitswelt ist für viele aber der Sprachkurs, der Teil des Programms ist. Zwei Stunden am Tag sind dafür reserviert. Dabei war die Sprache das wichtigste Auswahlkriterium für BMW: Ohne Kommunikation macht ein Praktikum schließlich wenig Sinn. Elementare Sprachkenntnisse sind Grundvoraussetzung. Und die hat Sara Lak erfüllt: "Ich habe mir das alles selbst beigebracht. Im Kontakt mit anderen, durch Fernsehen und Lesen." Obwohl die junge Iranerin schon seit 2011 in Deutschland ist, konnte sie bisher an keinem Sprachkurs teilnehmen. Ihr Asylantrag ist noch immer nicht entschieden - ein Integrationskurs kam darum bislang nicht infrage. Deutsch zu sprechen, fällt ihr deshalb auch nach vier Jahren noch schwer. Als die Beraterin bei der Bundesagentur für Arbeit ihr das Praktikum vorschlug, war sie sofort interessiert: "Ich möchte arbeiten. Und ich möchte mehr Deutsch lernen."

In den ersten zwei Tagen gab es aber erst einmal einen Integrationskurs im Schnelldurchlauf: Was erwarten deutsche Arbeitgeber eigentlich? Warum sind Deutsche so sachorientiert? Was ist der Unterschied in der Kommunikation? Und welche Regeln zur Arbeitssicherheit gibt es? Erst am dritten Tag ging es dann an den eigentlichen Arbeitsplatz.

Geld bekommen die Praktikanten während der neun Wochen von BMW nicht. Stattdessen erhalten sie einfach weiter die Leistungen, von denen sie auch vor dem Praktikum gelebt haben: Je nach Aufenthaltsstatus unterschiedlich, staatlich aber in jedem Fall. Und die Perspektiven nach dem Praktikum sind unklar. Langfristig will der Autokonzern den Flüchtlingen nichts versprechen. Eventuell könnten besonders geeignete Teilnehmer in eine Ausbildung übernommen werden - konkrete Pläne aber existieren nicht.

Beim Konkurrenten Daimler sind die Bedingungen ein bisschen besser: Auch hier haben Mitte November 40 Flüchtlinge ein Praktikum begonnen. Anders als BMW bezahlen die Stuttgarter den Flüchtlingen aber ab der siebten Woche den Mindestlohn. Erfolgreiche Praktikanten wollen sie außerdem nach dem Praktikum an Unternehmen, Zeitarbeitsfirmen oder in eine Berufsausbildung vermitteln.

Ohne Dokumente müssen Flüchtlinge bei null anfangen

In München soll dagegen ein Arbeitszeugnis reichen. "Es ist ganz wichtig, dass die Flüchtlinge verwertbare Papiere haben", sagt die Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in München. Schließlich kommen die meisten ganz ohne Dokumente. Und das im Zertifikat-orientierten Deutschland, wo man ohne formalen Abschluss bei null anfängt. Das BMW-Zeugnis soll den Flüchtlingen bei späteren Bewerbungen helfen. Nach dem Ende des Pilotprojekts in München will BMW das Programm auf mindestens fünf andere Standorte in Deutschland ausweiten. 500 Flüchtlinge sollen so bis Ende nächsten Jahres ein Praktikum gemacht haben.

Zum Vergleich: Deutschlandweit beschäftigt das Unternehmen 86 000 Mitarbeiter. Und in Anbetracht der mindestens 800 000 Flüchtlinge, die allein 2015 in Deutschland erwartet werden, sind 500 Flüchtlinge eine kleine Zahl. Doch der Aufwand für ein solches Programm sei groß, betont BMW-Personalchefin Juergens. "Jeder Kandidat hat einen eigenen Mentor, der ganz eng an der Person dran ist."

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