Insolvenz von Air Berlin:Etihad droht Milliarden-Klage

Der frühere Hauptaktionär von Air Berlin, Etihad Airways, hatte der Fluggesellschaft Hilfe zugesagt, sie aber später zurückgezogen. Das führte zu deren Insolvenz. Nun wollen die Gläubiger Schadenersatz.

Von Jens Flottau, Frankfurt

An diesem Montag tritt der Gläubigerausschuss von Air Berlin zusammen und diskutiert eine Klage, die für Etihad Airways teuer werden kann. Der ehemalige Hauptaktionär der insolventen Fluggesellschaft hatte nämlich im vergangenen Jahr seine Unterstützung für Air Berlin zugesagt, später aber zurückgezogen. Nun wollen die Gläubiger Schadenersatz fordern - in Milliardenhöhe.

Die Forderung bezieht sich auf ein Schreiben vom 28. April 2017, sieben Zeilen lang und an den Air-Berlin-Verwaltungsrat gerichtet. Der damalige Etihad-Airways-Chef James Hogan bestätigte darin knapp "unsere Absicht, weiterhin die nötige Unterstützung zu leisten, um sicherzustellen, dass Air Berlin seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann, wenn diese in der absehbaren Zukunft fällig werden." Dies gelte in jedem Fall für 18 Monate. Für Etihad könnte der Brief nun zum Fiasko werden, denn Air Berlin meldete keine vier Monate später Insolvenz an.

Nur wegen der Etihad-Zusage hatten Prüfer Air Berlin eine positive Prognose gegeben

Für Insolvenzverwalter Lucas Flöther steht fest: "Wir werden auf jeden Fall Ansprüche gegen Etihad erheben, die Frage ist nur wie." Etihad, bis zur Pleite mit rund 29 Prozent der Anteile größter Air-Berlin-Eigner, hatte die Airline über die Jahre mit Milliarden-Hilfen am Leben gehalten. Und nur aufgrund des Hogan-Briefes hatten die Wirtschaftsprüfer von KPMG Air Berlin noch einmal eine positive Fortführungsprognose gegeben und den Jahresabschluss 2016 beglaubigt. Auch eine Insolvenz schon im April konnte gerade noch einmal vermieden werden. Doch Etihad fühlte sich nicht mehr an die Zusagen des mittlerweile geschassten Chefs gebunden. Am 15. August 2017, dem Tag der Air-Berlin-Insolvenz, schrieb das Unternehmen, dass das Geschäft von Air Berlin sich "rapide verschlechtert" habe, daher könne Etihad "als Minderheitsgesellschafter keine weitere Finanzierung leisten, welche unsere Verbindlichkeiten erhöhen." Weil Etihad dies Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann auch so mitgeteilt hatte, stellte dieser sofort den Insolvenzantrag. Wenige Monate später war Air Berlin am Ende.

Flöther und andere Rechtsexperten glauben, dass Etihad sich gar nicht aus der Verpflichtung hätte lösen können. Der Insolvenzverwalter hat in den letzten Monaten dazu mehrere Gutachten angefordert. Diese "kommen zu dem Schluss, dass es sich um eine harte Patronatserklärung handelt," so Flöther. Auch Werner Meier, Partner bei der internationalen Kanzlei Simmons & Simmons, hält es für sehr wahrscheinlich, dass ein Gericht Hogans Schreiben als bindend sieht. Simmons & Simmons vertritt eine Gruppe von Gläubigern, die Air-Berlin-Anleihen gezeichnet hatten.

"Die Ansprüche gegen Etihad sind potenziell der wichtigste Vermögenswert im Verfahren", so Flöther. Nachdem der Verkauf anderer Unternehmensteile, unter anderem der österreichischen Tochtergesellschaft Niki, weniger eingebracht hat als erhofft, setzt der Insolvenzverwalter nun voll auf Etihad. Er glaubt, dass allein die Ansprüche der Konzernholding Air Berlin plc gegen den ehemaligen Eigentümer im Milliardenbereich liegen. Wenn auch die Ansprüche der operativen Gesellschaften, etwa der Air Berlin Luftverkehrs KG eingerechnet werden, sind es nach seiner Einschätzung mehrere Milliarden Euro. Das sieht Gläubiger-Anwalt Meier ähnlich: "Ansprüche von mehreren Hundert Millionen Euro der plc wären plausibel", inklusive operativer Gesellschaften rechnet auch er mit mehreren Milliarden Euro. Damit könnte ein großer Teil der Forderungen von Gläubigern befriedigt werden.

Nun sucht der Insolvenzverwalter Geldgeber für den aufwendigen Prozess

Doch es dürfte Jahre dauern, bis es zu einem Urteil kommt. Denn es ist keinesfalls sicher, ob ein Prozess in Deutschland stattfinden würde. Als Gerichtsstand kämen auch Abu Dhabi, der Sitz von Etihad Airways, oder London in Frage - Air Berlin war seit 2006 eine Aktiengesellschaft nach britischem Recht mit Sitz in der britischen Hauptstadt. Ein Verfahren außerhalb Deutschlands wäre wesentlich komplizierter und teurer, und der Ausgang wäre ungewiss. Schon allein wegen der besseren Möglichkeiten, ein denkbares Urteil auch zu vollstrecken, muss Flöther alles daran setzen, den Prozess innerhalb der Europäischen Union zu halten. Ein realistisches Drohszenario - nämlich das Risiko, dass Etihad-Flugzeuge an europäischen Flughäfen beschlagnahmt werden - ist wichtig, sollte sich Etihad am Ende weigern, zu zahlen.

Aus der Insolvenzmasse von Air Berlin ließe sich ein aufwendiger Prozess aber in keinem Fall finanzieren. Flöther sondiert daher die Angebote mehrerer Prozessfinanzierer. Diese würden die Kosten des Verfahrens auf eigenes Risiko übernehmen und im Erfolgsfall einen Anteil an den Erlösen bekommen, potenziell ein sehr lukratives Geschäft. "Das Interesse ist sehr hoch," sagt Flöther. Auch Meier glaubt, es wäre kein Problem, Geldgeber für einen solchen Prozess zu finden.

Flöther will sich noch nicht auf einen Zeitrahmen festlegen - alles hängt davon ab, wie schnell sich die Mitglieder des Gläubigerausschusses zusammenraufen. Derzeit gibt es einen Konflikt darüber, ob der Vertreter einer Air Berlin-Flugzeugfinanzierungstochter als nachrangiger Gläubiger dem Gremium weiter angehören soll.

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