Insolvenzrecht:"Fatale wirtschaftliche Folgen"

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger verteidigt die Pläne zum Insolvenzrecht. Sie hält die Kritik der Insolvenzverwalter für überzogen.

Daniela Kuhr

Zwischen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und den deutschen Insolvenzverwaltern bahnt sich ein Konflikt an. Die FDP-Politikerin hält die Kritik der Verwalter am Sparpaket der Bundesregierung für überzogen. Das geht aus einem Brief hervor, den sie am Donnerstag an den Vorsitzenden des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), Siegfried Beck, verschickt hat. Die Ministerin wirft den Verwaltern vor, die Regierungsbeschlüsse zum Insolvenzrecht nicht verstanden zu haben. Es bestehe "noch eine gewisse Unkenntnis darüber, was in dem Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 tatsächlich innerhalb der Bundesregierung vereinbart wurde", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wirft den Insolvenzverwaltern vor, die Regierungsbeschlüsse zum Insolvenzrecht nicht verstanden zu haben.

(Foto: Getty Images)

Hintergrund sind die Reformvorschläge, mit denen Leutheusser-Schnarrenberger insgesamt 500 Millionen Euro einsparen will. Bei Insolvenzverwaltern hatten die Pläne einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Sie hätten "fatale wirtschaftliche Folgen", schrieb die Gläubigerschutzvereinigung Deutschland (GSV). Der VID-Vorsitzende Beck kritisierte, bewährte Grundsätze des Insolvenzrechts würden "ins Absurde" geführt. Durch die Änderungen werde eine Sanierung von Betrieben "erheblich erschwert".

Sie habe diese Äußerungen "mit Sorge" zur Kenntnis genommen, schreibt Leutheusser-Schnarrenberger. Die Ministerin geht jedoch davon aus, dass die Insolvenzverwalter nicht auf dem neuesten Stand sind, was die Regierungsbeschlüsse anbelangt. Ursprünglich hatte das Kabinett in der Sparklausur vom 7. Juni verabredet, das Fiskusprivileg wieder einzuführen.

"Erhebliche Unruhe"

Bei diesem Fiskusvorrecht hätten die Finanzämter immer den ersten Zugriff auf das Vermögen der Pleitefirma gehabt - so wie es bis 1998 in der Konkursordnung auch der Fall war. Andere Gläubiger hätten das Nachsehen gehabt. Dieser Vorschlag habe "völlig zu Recht zu erheblicher Unruhe in den Fachkreisen geführt", schreibt Leutheusser-Schnarrenberger. In zwei von drei Insolvenzen wäre "für die nicht gesicherten Gläubiger, also insbesondere für Lieferanten und Handwerker, überhaupt keine Quote mehr verblieben".

Doch das Fiskusprivileg sei "in äußerst zähen und langwierigen Verhandlungen" mit dem Bundesfinanzministerium abgewendet worden. Erschwert worden seien die Verhandlungen dadurch, dass im ersten Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes "die Sonderregelungen für den Fiskus auch auf die Sozialkassen ausgedehnt worden waren". Auch das sei mittlerweile vom Tisch. "Diese zusätzliche Belastung für die Insolvenzmasse konnte vollständig abgewendet werden", stellt Leutheusser-Schnarrenberger klar. Nicht verhandelbar sei aber die Vorgabe gewesen, das geforderte Einsparvolumen zu erbringen. Letztlich habe das Kabinett daher drei Maßnahmen beschlossen.

Zum einen soll die im Eröffnungsverfahren von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Umsatzsteuer nach Eröffnung des Verfahrens zu einer "Masseverbindlichkeit" werden. Das bedeutet: Sie wird vor den Forderungen anderer Gläubiger bedient. "Aus Sicht der Insolvenzverwalter mag dies zwar zu einem nicht erwünschten Liquiditätsabfluss führen, dennoch ist diese Änderung bei einer Gesamtbetrachtung gerechtfertigt", schreibt die Politikerin.

Zudem können Fiskus und Sozialkassen künftig leichter als bisher Insolvenzanträge für zahlungsunfähige Unternehmen stellen. Bislang musste das Finanzamt oder die Krankenkasse den Antrag zurücknehmen, wenn der Schuldner seine Schuld nach dem Antrag noch rechtzeitig erfüllt hat. Künftig gilt: "Liegt trotz Erfüllung der Forderung ein Insolvenzgrund vor, so kann das Verfahren weiter betrieben werden", heißt es in dem Schreiben. "Diese Regelung wird nicht nur bewirken, dass die Sanierungschancen für notleidende Unternehmen steigen, sondern zusätzlich verhindern, dass zulasten von Fiskus und Sozialkassen weiter Forderungen entstehen, die vom Schuldner nicht bedient werden können", ist die Ministerin überzeugt.

Von den Verwaltern besonders kritisiert worden war die dritte Maßnahme: Künftig kann der Fiskus eigene Forderungen gegen die Pleitefirma deutlich leichter aufrechnen als andere Gläubiger. Bei diesem Punkt hat die Ministerin "durchaus Verständnis" für die Kritik. Sie gibt aber zu bedenken, dass man sich davon lediglich Einnahmen von 50 Millionen Euro erhofft. Setze man das in Relation zu den geschätzten 33.000 Unternehmensinsolvenzen in diesem Jahr, "so ist damit zu rechnen, dass das einzelne Verfahren von dieser Regelung nicht so schwerwiegend beeinträchtigt wird, wie derzeit behauptet."

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