Infrastruktur:Dem Bund droht ein Autobahn-Fiasko

Autobahnbetreiber A1 mobil

Wenig los: Auf dem Autobahnabschnitt zwischen Hamburg und Bremen fahren weniger Lkw als erwartet. Der Betreiber A1 mobil klagt über niedrige Einanhmen.

(Foto: dpa)
  • Weil die Maut-Einnahmen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben, fordert der Betreiber eines Autobahn-Abschnitts eine riesige Summe vom Bund.
  • Bei der Gerichtsverhandlung deutete sich am Freitag an, dass der Abschnitt auf der A1 für die Steuerzahler deutlich teurer werden könnte als gedacht.

Von Markus Balser, Hannover

Die Millionenklage, die an diesem Morgen vor dem Landgericht Hannover verhandelt wird, ist auch für erfahrene Juristen wie Peter Bordt außergewöhnlich. Der Vorsitzende Richter schaut im großen Schwurgerichtssaal auf Tabellen und Kurven. Der Streitwert sei mit fast 780 Millionen Euro beachtlich, die Rollen in der Öffentlichkeit eigentlich klar verteilt: Auf der einen Seite stehe der private Autobahnbetreiber A1 Mobil, der die Riesensumme vom Staat fordere, um die eigene Pleite abzuwenden. "Viele werden denken: Da sollen Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden", sagt Bordt zum Auftakt des spektakulären Rechtsstreits. "Aber so einfach ist es in diesem Fall wohl nicht".

Vor Gericht steht im Saal 127 das bislang größte öffentlich-private Infrastrukturprojekt Deutschlands. Und damit in den Augen vieler auch das Modell dieser umstrittenen Partnerschaften generell. Denn die A1 galt eigentlich mal als Vorzeigevorhaben der Autobahnprivatisierung. Die "Hansalinie" wurde von 2008 bis 2012 auf 73 Kilometern zwischen Bremen und Hamburg sechsspurig ausgebaut. Noch nie gelang das bei einem so langen Autobahnstück in so kurzer Zeit.

Doch die erhofften Einnahmen durch die Lkw-Maut blieben aus. Die Finanzkrise habe den Güterverkehr in "nie dagewesener Form" einbrechen lassen, erklärt der Betreiber vor Gericht - und fordert die Riesensumme als Ausgleich, weil sonst die Pleite droht. Der Lastwagen-Verkehr sei zwischenzeitlich um mehr als 20 Prozent eingebrochen, sagt A1-Geschäftsführer Ralf Schmitz. Der Bund lehnt die Forderung ab. Er sieht das Risiko beim Betreiber.

Das Gericht wollte sich am Freitag zwar noch nicht auf eine Seite schlagen. Dass es die Forderungen zumindest teilweise für plausibel hält, macht allerdings ein überraschender Vorschlag klar: Denn Richter Bordt schlug am Freitag einen Vergleich vor, der den Bund einiges kosten dürfte. Demnach sollen künftig statt fester Beträge prozentuale Anteile an den Einnahmen aus der Lkw-Maut an den Bund fließen.

Strengere Kontrollen solcher Projekte sind nicht in Sicht

Die Finanzierungslücke der Betreibergesellschaft soll aus einer Finanzspritze gedeckt werden, zu der das Konsortium und der Bund je zur Hälfte beitragen sollen. Am Ende könnte das nach ersten Schätzungen von Beteiligten eine Zahlung von mehreren hundert Millionen Euro an Steuergeldern bedeuten. Die Finanzkrise 2008 und ihre Folgen, die auf der Autobahn durch den geringeren Containerverkehr der deutschen Häfen noch viele Jahre spürbar blieben, habe schließlich niemand vorhersehen können, sagt Richter Bordt.

Das Projekt könnte die Steuerzahler also noch deutlich teurer kommen als geplant. Der Rechtsstreit dürfte die Debatte um öffentlich-private Partnerschaften beim Autobahnausbau damit erneut verschärfen. Denn auch die neue Bundesregierung will mit ihrer Hilfe die Erneuerung der maroden deutschen Straßeninfrastruktur voranbringen. Dabei sind die vom Bundesrechnungshof angemahnten strengeren Kontrollen solcher Projekte noch immer nicht in Sicht. Auch die von den Prüfern angemahnte Datenbank, die Erfahrungen bündeln und so Fehler vermeiden soll, gibt es noch nicht. Das Bundesverkehrsministerium will nun binnen eines Monats entscheiden, ob es auf den Vergleichsvorschlag eingeht. Scheitert der Vorstoß, wird das Urteil am 24. August gefällt.

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