Inflation:Die Preise steigen

Sparer leiden, weil die Zinsen niedrig sind. In vielen Euro-Ländern ist die Inflation nicht so hoch wie in Deutschland.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenrate sinkt und die Löhne steigen. In der Welt der traditionellen ökonomischen Theorie müssten die Preise hierzulande deutlich anziehen. Doch das tun sie nicht. Im November wird die Teuerungsrate bei 0,8 Prozent liegen, so die Prognose des Statistischen Bundesamts am Dienstag. Für den Oktober verbuchten die Statistiker den gleichen Wert.

Die Inflation bleibt damit weiter deutlich unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), die Werte von knapp unter zwei Prozent als ideal für die Konjunkturentwicklung ansieht. In den meisten anderen Euro-Staaten ist die Teuerungsrate allerdings längst nicht so hoch wie in Deutschland. Deshalb lag die Inflationsrate in der gesamten Währungsunion im Oktober bei gerade einmal 0,5 Prozent. Das ist zwar der höchste Wert seit zwei Jahren. Aber vom Zwei-Prozent-Ziel ist man noch weit entfernt.

"Für die EZB sind die Inflationsdaten aus Deutschland eine gute Nachricht, denn der deutsche Inflationskorb macht rund ein Drittel der gesamten Euro-Zone aus", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. "Die EZB wird die Zinsen aber noch lange niedrig halten."

Die deutschen Sparer sind in diesem Umfeld doppelt gekniffen: Die Inflationsrate ist hoch, doch die Zinsen bleiben auf Rekordtiefstand. Der Realertrag auf deutsche Sparvermögen ist am niedrigsten in der gesamten Euro-Zone. Grundsätzlich haben Inflation und Niedrigzins auch Einfluss auf die Vermögensverteilung. Reiche Menschen legen ihr Geld oft in Aktien an, sie profitieren damit von Kurssteigerungen an der Börse, die auch Folge der niedrigen Leitzinsen sind. Traditionelle Sparverträge bei Banken lohnen sich nicht mehr. Die Institute verlangen zum Teil sogar Strafzinsen. Viele Bürger haben zudem nicht genug Geld, um überhaupt sparen zu können. Sie müssen jetzt zusätzlich die höheren Preise verkraften. Teurer wurden unter anderem Mieten um 1,4 Prozent und Nahrungsmittel um 1,2 Prozent. Gleichzeitig profitieren die Deutschen vom Aufschwung und steigenden Löhnen. Die niedrigen Zinsen erleichtern zudem den Erwerb von Immobilien.

In den meisten Euro-Ländern ist die Inflation längst nicht so hoch wie in Deutschland

Im Januar 2017 könnten die Preise in Deutschland und im Rest der Euro-Zone deutlicher anziehen. Dann entfalten die diesjährigen Turbulenzen am Rohölmarkt ihre volle Wirkung. Anfang des Jahres waren die Ölpreise auf unter 30 Dollar je Barrel gefallen - aktuell kosten 159 Liter Öl knapp 47 Dollar. Das entspricht einem Preisaufschlag von knapp 50 Prozent, was sich in der Inflationsrate, die im Jahresvergleich gemessen wird, auswirken sollte.

Für das nächste Jahr rechnet die EZB für die Euro-Zone mit 1,3 Prozent Inflation. Doch eine Normalisierung der Inflation in Deutschland und im Euro-Raum auf alte historische Niveaus von zwei Prozent ist weiter nicht in Sicht. Die EZB wird auf ihrer nächsten Ratssitzung am 8. Dezember ihre lockere Geldpolitik wohl beibehalten und das Ankaufprogramm womöglich noch verlängern. Die Wirtschaftswissenschaftler streiten schon lange darüber, ob es richtig ist, dass die EZB und viele andere Notenbanken ein Inflationsziel von zwei Prozent anstreben. Die Notenbank Neuseelands war es, die 1989 als erste diese Marke ausrief. Fest steht: Die zwei Prozent als Inflationsziel wurden willkürlich gewählt. Es hätten auch 2,3 oder 1,7 Prozent sein können.

Der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman fordert schon lange, eine Inflation von vier Prozent anzustreben - nur so würde Wachstum entstehen. Andere Ökonomen halten ein oder gar null Prozent Inflation für ausreichend. Die globale Wirtschaft erzeuge grundsätzlich weniger Teuerung, weil die Löhne der Belegschaften kaum stiegen und technologischer Fortschritt die Preise senke.

Für die meisten Bürger dürfte es nur schwer nachvollziehbar sein, dass die EZB unter stabilen Preisen eine Inflationsrate von zwei Prozent versteht. Null Prozent klingen da logischer. Allerdings, und das wissen die Statistiker, ist die Messung der Inflation im Nachkommabereich ungenau. So könnte es sein, dass man null Prozent Inflation ausweist, in Wirklichkeit die Preise aber schon leicht sinken. Man würde damit eine Gefahr übersehen.

Die EZB möchte eine Deflation, also dauerhaft sinkende Preise, unter allen Umständen verhindern, weil die Wirtschaft dadurch in die Rezession getrieben würde. Das Argument: Unternehmen nehmen dann weniger Geld für ihre Produkte ein und müssen gleichzeitig die hohen Löhne bezahlen. Das führe zu Entlassungen und zu Konkursen.

Es gibt auch andere Meinungen: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hält die Furcht vor einer Deflation für übertrieben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: