Infineon:Liebesgrüße aus Russland

"Warum eigentlich nicht?": Moskau bemüht sich um einen Einstieg bei Infineon. Das hätte Vorteile, sagen Experten. Doch das Vorhaben stößt auf Ablehnung.

T. Riedl und G. Bohsem

Alte Liebe rostet nicht. Schon mehrfach hat der russische Mischkonzern Sistema Interesse am deutschen Chiphersteller Infineon bekundet. Vor zwei Jahren etwa sagte der Oligarch Wladimir Jewtuschenkow, Gründer von Sistema und einer der reichsten Russen, auf die Frage, ob er Infineon nicht übernehmen wolle: "Warum eigentlich nicht? Das Unternehmen ist nicht teuer". Bislang geschah nichts - aber die Avancen nahmen kein Ende. Der russische Staat soll nun bei der Beziehungsanbahnung helfen. Bei Infineon ziert man sich.

Infineon, dpa

Reinraumroboter bei Infineon.

(Foto: Foto: dpa)

Großeinkauf in Deutschland

Würden die Russen den Fuß in die Tür von Infineon bekommen, wäre dies die Fortsetzung einer schon länger anhaltenden Entwicklung: Immer mehr russische Firmen haben sich in vergangener Zeit in Deutschland eingekauft. So unterhält der staatlich kontrollierte Erdgaskonzern Gazprom mit Wintershall hierzulande die Tochter Wingas. Russische Geschäftsleute haben sich am Touristikkonzern Tui ebenso wie am Bergbauunternehmen K+S beteiligt. Bei der Wadan-Werft ist kürzlich Wladimir Putins ehemaliger Energieminister Igor Jussofow eingestiegen. Neben dem kanadischen Autozulieferer Magna zählt bei Opel auch die russische Sberbank zu den künftigen Gesellschaftern. Das Ziel der Russen ist klar: Sie holen sich auf diese Weise industrielles Know-how ins Land.

Nun also Infineon: Mitte August hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew über die wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen, ein Thema war Infineon. Hochtechnologie sei "das, was uns fehlt", sagte Medwedjew. Berichte, wonach jetzt das Wirtschaftsministerium über einen Einstieg der russischen Regierung bei Infineon berate, wurden in Regierungskreisen aber zurückgewiesen. "Da ist nichts dran." Bei Infineon weiß man um das Werben der Russen. "Es gab und gibt immer wieder Gespräche mit Sistema", sagt ein Infineon-Sprecher. "Diese befinden sich in keinem konkreten Stadium."

Beteiligung an Glonass denkbar

Leonid Melamed, Chef von Sistema, bestätigte am Rande der Pressekonferenz zu den Quartalszahlen, dass der russische Konzern seine Regierung berate. "Wir sind eingeladen worden, dieses Projekt als Industrieexperten zu begleiten", erklärte er der Agentur Bloomberg zufolge. Sistema habe bislang aber keine Pläne, Aktien von Infineon zu kaufen.

Das Infineon-Management habe im Frühjahr seinem Konzern angeboten, sich an der mittlerweile abgeschlossenen Kapitalerhöhung zu beteiligen, sagte Anton Abugov, Strategieverantwortlicher von Sistema. Man hatte kein Interesse und reichte die Offerte an die öffentliche Hand weiter. "Wir beraten die Regierung nun bei einer möglichen Integration von Infineon-Services in Russland."

Eine solche Dienstleistung könnte die Beteiligung von Infineon am Ausbau des russischen Satellitennavigationssystem Glonass sein. Der deutsche Chiphersteller hält bei Navigationsprozessoren für Handys weltweit eine Spitzenposition. Auch in der Autoindustrie würden Infineon-Halbleiter in Russland nutzen. "Das wird von Kundenseite Probleme bringen", sagt aber ein Analyst. Infineon bestückt derzeit viele europäische und nordamerikanische Automobilzulieferer. Diese Klientel könnte gegen einen russischen Einstieg Sturm laufen.

Auf wenig Gegenliebe trifft der russische Vorstoß auch bei der Führung von Infineon. Die Kapitalerhöhung glückte im August, ganz ohne den drohenden Einstieg eines Finanzinvestors. Der Aktienkurs hat sich seit März fast verzehnfacht. Ab Montag notiert das Papier nach sechsmonatiger Auszeit wieder im Börsenbarometer Dax. Durch das wiedergewonnene Selbstvertrauen ist dem Vernehmen nach das Interesse an einem Einstieg der Russen nur gering. "Im Infineon-Management sehen in einem solche Schritt nur wenige eine Chance."

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