Infineon-Chef im SZ-Interview:"Nicht gerade Ertragskönige"

Der neue Infineon-Chef Peter Bauer über sein Sparprogramm, warum er sich nicht als Übergangslösung betrachtet und wie er das verlustreiche Kapitel Qimonda beenden will.

T. Fromm und T. Riedl

Von seinem Büro bei Infineon sieht Peter Bauer, 48, auf Felder im Münchner Vorort Neubiberg. Auf dem Schreibtisch des neuen Chefs von Deutschlands größtem Chiphersteller steht ein Monitor von BenQ - dem Unternehmen, das die Insolvenz der Siemens-Mobilfunksparte zu verantworten hat und Infineon fast mitgerissen hätte. Bauer bereitet Infineon nun auf schlechte Zeiten vor: Er sieht eine Wirtschaftsflaute nahen. Jeder zehnte Infineon-Beschäftigte muss gehen - der größte Abbau seit 2001.

Infineon-Chef im SZ-Interview: "Ich bin keine Übergangslösung" - Peter Bauer, der vierte Chef bei Infineon in nur neun Jahren.

"Ich bin keine Übergangslösung" - Peter Bauer, der vierte Chef bei Infineon in nur neun Jahren.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Bauer, Sie sind jetzt schon der vierte Chef bei Infineon in nur neun Jahren. Wie lange bleiben Sie im Amt?

Bauer: So lange es geht. Ich bin keine Übergangslösung.

SZ: Das hat Ihr Vorgänger auch geglaubt, bis er in Ungnade fiel.

Bauer: Glauben Sie mir, der Aufsichtsrat hat kein Interesse daran, Unruhe in die Belegschaft zu bringen. Ich habe das volle Vertrauen.

SZ: Ihr Vorgänger Wolfgang Ziebart wurde auf der letzten Infineon-Hauptversammlung öffentlich demontiert. Da müssen Sie doch Angst haben, dass es Ihnen einmal genauso ergehen könnte.

Bauer: Ich sehe keinerlei Anzeichen für diese Gefahr - im Gegenteil. Mir liegt viel daran, den Aufsichtsrat in meine Überlegungen einzubeziehen.

SZ: Trotzdem: Den Ruf eines Intrigantenstadls wird Infineon so schnell nicht mehr los.

Bauer: Zugegeben, es gab in den vergangenen Jahren viele Wechsel. Da konnte man in einen solchen Verdacht geraten. Ich habe aber keinerlei Anzeichen dafür, dass Infineon ein Unternehmen ist, in dem Intriganten arbeiten.

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"Nicht gerade Ertragskönige"

SZ: Schadet das miese Ansehen in der Öffentlichkeit nicht, etwa beim Anheuern von neuen Mitarbeitern?

Infineon-Chef im SZ-Interview: Eine Mitarbeiterin im Dresdner Infineon-Werk mit einem 300-Millimeter-Wafer.

Eine Mitarbeiterin im Dresdner Infineon-Werk mit einem 300-Millimeter-Wafer.

(Foto: Foto: ddp)

Bauer: Unsere Mitarbeiter können die ganze Diskussion nicht mehr hören. Niemand hängt sich gerne in seine Arbeit, schiebt Überstunden - und liest dann am nächsten Morgen in der Zeitung über den "Intrigantenstadl". Aber die Leute differenzieren genau zwischen diesem Bild und ihrer eigenen Arbeitsumgebung. Und die ist eben anders. Im Übrigen haben wir keine Probleme, auf dem Arbeitsmarkt die besten Fachkräfte für unser Unternehmen zu gewinnen, weil wir spannende Aufgaben für sie haben.

SZ: Sie waren gerade einen Tag lang im Amt, da haben Sie schon mit Stellenabbau gedroht. Das hat auch nicht gerade zur Motivation beigetragen. Warum haben Sie das gemacht?

Bauer: Wir müssen davon ausgehen, dass sich das weltweite Wirtschaftswachstum abkühlt. Es werden weniger Autos verkauft, und der Mobilfunksektor wächst langsamer. Das alles in Zeiten, in denen wir unsere Kapitalkosten nicht verdienen und nicht die Ertragskönige der Branche sind. Wir liegen mit unserem Kerngeschäft noch unter dem Branchendurchschnitt. Unsere Aktionäre erwarten bessere Zahlen und einen höheren Aktienkurs. Für mich heißt das: Ich muss auf die Kosten und auf die Effizienz schauen.

SZ: Und Ihre Mitarbeiter auf ihre Jobs. Wo wollen Sie denn streichen?

Bauer: Zunächst einmal geht es ja auch um eine Reihe von Maßnahmen ohne Folgen für die Mitarbeiter, etwa durch verbesserte Fertigungsabläufe. Aber leider reicht das nicht aus, deshalb kommen wir nicht ohne den Abbau von Stellen aus. Es geht dabei um rund 3000 von 30000 Stellen weltweit. Zwei Drittel davon werden in Deutschland wegfallen, und zwar vor allem an den Standorten in München, Regensburg und Dresden.

SZ: Es müssen also wieder mal nur einfache Angestellte gehen?

Bauer: Nein. Der Sparplan trifft die gesamte Firma. Es fallen auch Jobs im Management weg, weil wir durch die geplante Reorganisation Arbeitsbereiche zusammenlegen. Wir sparen bei Unternehmensfunktionen, also bei Forschung und Entwicklung, im Vertrieb, aber auch bei Stäben mehr als 50 Millionen Euro ein, in der Fertigung zusätzliche 150 Millionen Euro.

SZ: Werden Standorte von Infineon geschlossen?

Bauer: Es wird in Deutschland kein Standort geschlossen.

SZ: Aber die Fertigung von Halbleitern hier zu Lande rentiert sich doch kaum.

Bauer: Klar, das Produzieren in Deutschland ist teuer. Eine Verlagerung der Produktion ist aber extrem aufwendig und kostet eine Menge. Das tut man sich nur dann an, wenn man keine andere Wahl hat. Nur um den Wertverfall des Dollars auszugleichen und für ein Sparprogramm im geplanten Umfang ist das kein angemessener Schritt. Wir würden dadurch eine Menge Fachwissen verlieren. Außerdem haben wir unsere Standorte in Dresden, Regensburg und Villach früh modernisiert.

SZ: Stehen Sie also langfristig hinter den deutschen Standorten?

Bauer: Eine Bestandsgarantie für die nächsten 20 Jahre kann ich für keinen Standort in der Welt geben. Das aktuelle Sparprogramm ist jedoch so ausgelegt, dass wir kurzfristig nicht nachlegen müssen. Eine solche Salamitechnik wäre das Unangenehmste für die Mitarbeiter. Das würde die Moral im Unternehmen untergraben.

SZ: Wünschen Sie sich mehr Unterstützung vom Staat?

Bauer: Die Produktionskosten in Asien sind nicht nur geringer, die Förderungen für das Ansiedeln einer Fabrik sind auch höher als in Deutschland. Allerdings benötigen wir im Moment gar keine Subventionen, denn wir planen auch nicht den Aufbau neuer Fabrikanlagen. Eine flexiblere Förderung von Forschung wäre mir sehr viel lieber.

SZ: Ihre frühere Konzernmutter Siemens baut Tausende von Stellen in Deutschland ab, ebenso die Hypo-Vereinsbank. Und jetzt kündigen Sie den größten Stellenabbau bei Infineon seit 2001 an. Sind Sie der nächste Buhmann?

Bauer: Leicht fällt mir das nicht. Wir müssen das aber im langfristigen Interesse des Unternehmens jetzt tun. Unser Personalstand und unsere Struktur müssen den Marktverhältnissen angepasst werden. Ich hoffe auf Verständnis und einen konstruktiven Dialog, wie wir transparent und fair mit diesen Notwendigkeiten umgehen.

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"Nicht gerade Ertragskönige"

SZ: Wird es betriebsbedingte Kündigungen geben?

Bauer: Das kann ich im Moment nicht ausschließen. Ich würde es gerne vermeiden, deshalb bieten wir den Leuten zunächst Abfindungen an. Wir müssen schauen, wie weit wir damit kommen.

SZ: Auffällig war, wie schnell Sie mit dem Sparprogramm zur Stelle waren. Hatten Sie die Pläne bereits in der Schublade?

Bauer: Nein. Eine Woche nach meinem Antritt habe ich mit internen Teams und externen Beratern das Projekt gestartet. Die Details der Einsparungen stehen erst seit einigen Tagen fest.

SZ: Also musste Ihr Vorgänger Ziebart gehen, um Platz für Sie und Ihr Sparprogramm zu machen?

Bauer: Ich kann nicht für den Aufsichtsrat sprechen. Klar ist aber, dass wir schnell und konsequent unser Unternehmen voranbringen müssen.

SZ: Sie sagten Anfang Juli, wir zitieren: "Das Schöne an meiner Situation ist, dass ich nicht erst herausfinden muss, was getan werden muss". Wenn alles so klar ist - warum haben Sie nichts getan? Sie arbeiten doch schon seit 1999 im Vorstand.

Bauer: Hinter einer Reihe von kritischen Entscheidungen, die wir im Vorstand getroffen haben, stehe ich auch weiterhin. Es war richtig, die Speichersparte unter dem Namen Qimonda auszugliedern, und es war auch richtig, nach der Pleite von BenQ Mobile am Geschäft mit Kommunikationschips festzuhalten. Bei beiden Themen arbeiten wir konsequent an der weiteren Umsetzung.

SZ: Aber der Ausstieg aus Qimonda ist schwieriger, als Sie glaubten. Auch nach dem Börsengang der Speichertochter halten Sie noch 77 Prozent an dem Unternehmen. Ihr Ergebnis wird jedes Quartal aufs Neue von Qimonda verhagelt - wann hört das endlich auf?

Bauer: Das ist eine der kniffligsten Aufgaben im Moment. Wir arbeiten mit höchster Priorität an der Frage, wie wir das Kapitel Qimonda möglichst schnell abschließen. Und zwar im Interesse von uns und von Qimonda. Spätestens bis zur Hauptversammlung 2009 wollen wir das Problem gelöst haben.

SZ: Wenn Sie bis dahin keinen Käufer für die Anteile gefunden haben, wollen Sie Qimonda an die Infineon-Aktionäre verschenken. Keine elegante Lösung.

Bauer: Das ist eine Option, aber nicht die von uns gewünschte.

SZ: Was wünschen Sie sich denn?

Bauer: Wir sprechen zurzeit mit Finanzinvestoren und interessierten Unternehmen aus der Branche über einen Verkauf. Es gibt keine Tabus: Ein Komplettverkauf ist ebenso möglich wie ein Minderheitsanteil. Wir prüfen momentan mehrere Optionen. Über den Zeitrahmen möchte ich nicht spekulieren.

SZ: Die Infineon-Geschichte zeigt, dass man nicht lange fackelt, wenn man mit den Leistungen von Chefs nicht zufrieden ist. Welche Zukunft hat Qimonda-Chef Kin Wah Loh?

Bauer: Wir sprechen täglich miteinander über unsere Strategien. Ich weiß, dass Kin Wah Loh die richtigen Prioritäten setzt.

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"Nicht gerade Ertragskönige"

SZ: Probleme gibt es nicht nur bei Qimonda, sondern auch im Geschäft mit Kommunikationschips. Spätestens seitdem Ihr Hauptabnehmer BenQ Mobile pleite ist, fehlen Ihnen doch die Kunden. Wollen Sie das Geschäft nicht lieber verkaufen, statt noch jahrelang Geld in das schwache Geschäft zu pumpen?

Bauer: Wir haben den Verlust von BenQ Mobile innerhalb der vergangenen eineinhalb Jahre ausgeglichen und die fünf größten Handy-Hersteller als Kunden gewinnen können. Wir sind davon überzeugt, dass die Sparte langfristig eigenständig im Wettbewerb bestehen kann.

SZ: Wollen Sie den Bereich durch weitere Zukäufe oder Partnerschaften stärken?

Bauer: Wir müssen nicht alles alleine machen. Im vergangenen Sommer haben wir deshalb die Mobilfunksparte von LSI Logic übernommen. Käufe und Partnerschaften können auch sinnvoll sein.

SZ: Und ein Verkauf?

Bauer: Ist nicht geplant.

SZ: Im kommenden Jahr steht das zehnjährige Firmenjubiläum an. Wo steht Infineon 2009?

Bauer: Fest steht: Wir müssen unsere Ertragslage nachhaltig verbessern und zu unseren Wettbewerbern aufschließen. Ende 2009 wollen wir so weit sein. Infineon wird dann nicht so gut sein wie Texas Instruments oder Qualcomm. Das kann man auch nicht vergleichen, weil wir es hier mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu tun haben. Unser Ziel ist aber, im nächsten Jahr die Basis zu schaffen, um dann unsere Kapitalkosten von zwölf Prozent zu verdienen und damit zu vergleichbaren Wettbewerbern aufzuschließen.

SZ: Die fränkische Schaeffler-Familie ist gerade dabei, den Dax-Konzern Conti zu schlucken. Sie wären wegen Ihres günstigen Aktienkurses auch ein Übernahmekandidat.

Bauer: Ich will feindliche Übernahmeangebote nicht ausschließen, aber es ist nicht meine größte Sorge. Vor zwei Jahren war die Gefahr deutlich höher. Kredite waren damals leichter verfügbar. Die Finanzinvestoren haben gelernt, dass das Halbleitergeschäft sehr zyklisch ist. Es ist schwierig, den richtigen Moment zu erwischen, um ein- und auch wieder auszusteigen. Ich möchte, dass Infineon als selbständiges, börsennotiertes Unternehmen weiter besteht.

SZ: Und dennoch könnten Sie irgendwann in die Rolle des Abwicklers geraten, der Infineon verkauft.

Bauer: In diese Situation möchte ich erst gar nicht kommen. Ich liebe dieses Unternehmen, ich habe es mit an die Börse gebracht und den überwiegenden Teil meines Lebens hier verbracht. Ich habe keine Lust, den Abwickler zu machen, dafür bin ich der Falsche. Ich bin kein kalter Sanierungstyp. Ich möchte, dass Infineon das bekommt, was es verdient.

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