Industriepolitik:Europäische Champions gesucht

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Es gibt kaum Produkte, die mit dem Label "Made in Europe" werben. Das sollte sich ändern! Die Konkurrenz aus Asien und Amerika schläft nicht.

Von Cerstin Gammelin

Wer "Made in Europe" in eine bekannte Suchmaschine eingibt, wird überrascht. Man sieht ein paar europablaue Bildchen, dann kommt der erste Treffer: "Made in Europe", das 1976 veröffentlichte Album der englischen Rockband Deep Purple. Gefolgt vom Hartschalenkoffer Samsonite. Er ist offenbar das bekannteste Produkt mit dem europäischen Label. Aus industriepolitischer Sicht ist schon das Suchergebnis ein Zeugnis des Versagens. Es gibt kaum gefragte Produkte unter europäischem Label. Das wirkliche Problem dahinter aber ist ein ganz grundsätzliches: Es gibt so gut wie keine großen europäischen Champions, die es mit der anrückenden Konkurrenz aus Fernost, aber auch Amerika aufnehmen können.

Es ist ein gutes Zeichen, dass sich Unternehmen wie Politiker jetzt daran machen, den Mangel zu beheben. Dazu gehört die Nachricht, dass Siemens prüft, sein Zuggeschäft mit dem des französischen Konkurrenten Alstom zu fusionieren. Beide Zugsparten gemeinsam könnten zu einem schlagkräftigen europäischen Konzern geformt werden, der den aus China anrückenden Zugbauern das Geschäft streitig machen kann.

Der Blick auf eine andere Branche zeigt, dass die Fusion überfällig ist. Im Flugzeugbau hat es die Europäische Union geschafft, einen eigenen Konzern zu bauen und damit auf dem Weltmarkt mitzumischen. Airbus bietet dem US-Hersteller Boeing Paroli. Ähnliches ist auf der Schiene denkbar. Aus der Fusion der deutschen und französischen Zugsparten entstünde Railbus, Airbus auf der Schiene.

Europa braucht große Konzerne, um im globalen Wettbewerb mithalten zu können

Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass auch auf der Straße der europäische Airbus nicht mehr weit ist. Sicher, deutsche Firmen führen die Rankings mit an. Aber schon heute bilden die Hersteller aus Deutschland und Frankreich so etwas wie einen virtuellen Konzern. Die einen bauen Kleinwagen, die anderen Mittelklasse, wieder andere die ganz großen Limousinen. Jeder Hersteller hat sich auf bestimmte Marktsegmente und damit Kunden spezialisiert, man macht sich nicht zuviel Konkurrenz.

Auf Dauer wird das nicht reichen, weil aus Fernost und Amerika die Konkurrenz anrollt. Chinas Autobauer stürmen bei E-Autos an die Weltspitze, jenseits des Atlantiks Tesla. Die neuen Wagen reflektieren den Zeitgeist. Kunden wollen mobiler unterwegs sein, auch umweltfreundlicher. Dass Hersteller traditioneller Wagen dabei auf der Strecke bleiben werden, zeigt die Übernahme von Opel durch den französischen Autobauer PSA.

Die Fusion darf als Anfang eines Verschmelzungsprozesses gelten, an dessen Ende ein, zwei europäische Autokonzerne stehen werden, nebst Zulieferindustrie. Wie nah diese Entwicklung ist, zeigen Planungen der Europäische Kommission. Vizepräsident Maros Sefcovic hat die nationalen Batterie-Entwickler aufgefordert, ein europaweites Konsortium zur Batteriefertigung zu bilden, einen Airbus für Batterien, um bei den E-Autos schneller zu werden.

Das politische Hindernis, das europäischen Champions bisher im Wege stand, ist inzwischen ausgeräumt. Dank Brexit und Trump stehen die Zeichen in den Regierungszentralen in Berlin und Paris auf Zusammenrücken. Angela Merkel will, dass die Europäer ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Emmanuel Macron will ein Europa bauen, das seine Bürger schützt. Die Versprechen lassen sich nur verwirklichen, wenn beide Staaten Kräfte bündeln. Und wenn dabei europäische Player entstehen, die Arbeitsplätze in Bildung, Forschung und Produktion anbieten - und ihre Produkte weltweit exportieren. Mit dem Label "Made in Europe".

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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