Industriegeschichte:Unternehmer ohne Skrupel

KZ-Verbrecher vor Gericht

Wegen NS-Kriegsverbrechen auf der Anklagebank: Friedrich Flick (Mitte), erfolgreicher und zugleich umstrittener Unternehmer wird 1947 von einem Militärgericht in Nürnberg zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

(Foto: dpa)

Im Nürnberger Prozess wurde Friedrich Flick wegen Förderung des NS-Regimes verurteilt. Reue hat er jedoch nie gezeigt.

Von Karl-Heinz Büschemann

Der Unternehmer Friedrich Flick war eine kantige Persönlichkeit mit einem guten Gespür für Geschäfte. Familienunternehmer, die diesem Typus des Erfolgreichen entsprechen, werden auch heute noch gern positiv gesehen. Einer, der zweimal der reichste Deutsche war, einmal vor dem Krieg, einmal danach, hat sicher manches richtig gemacht. Schon vor dem Krieg gehörte dem 1872 im Siegerländischen Kreuztal geborenen Unternehmer ein ganzes Bündel von Firmen, vor allem in der Stahl- und Kohleindustrie. Und nach 1945 war es wieder so. Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte Flick voller Bewunderung sogar "ein großes und staunenswertes Lebenswerk" attestiert.

Solche Anerkennung war im Deutschland der Nachkriegszeit nicht ungewöhnlich, obwohl dieser Friedrich Flick wenige Tage vor Weihnachten 1947, also vor genau 70 Jahren, zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war: wegen Förderung des NS-Regimes und Ausplünderung der besetzten Gebiete. Unter seiner Verantwortung waren in den Flick'schen Waffenfabriken und Stahlwerken 20 000 Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten im Osten und Sklavenarbeiter aus Konzentrationslagern zu Tode gekommen - wegen schlechter Behandlung und Unterernährung.

Ein Historiker bescheinigt dem uneinsichtigen Unternehmer "hochfahrende Arroganz"

Doch was diesen Friedrich Flick von anderen in Nürnberg verurteilten Industriellen unterschied, war seine Unfähigkeit, die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Er habe seinen unternehmerischen Aufstieg nicht dem Nationalsozialismus zu verdanken, behauptete er. "Eine Verleumdung" sei das. "Ich habe die Organe des Nationalsozialismus weder für meine wirtschaftliche Entwicklung noch für mein Vermögen gebraucht." Von Reue keine Spur. Der Historiker Norbert Frei bescheinigt dem uneinsichtigen Unternehmer daher "hochfahrende Arroganz". Das vergleichsweise milde Urteil habe bei Flick "weder als Denkzettel noch als Anlass zur Selbstkorrektur" gewirkt.

Aber die junge Bundesrepublik ließ ihn, wie auch andere in Nürnberg verurteilte Industrielle, die in Nürnberg verurteilt wurden, wieder gewähren. Leute wie er wurden für den Wiederaufbau gebraucht. Flick wurde 1950 vorzeitig aus dem Gefängnis in Landsberg entlassen und legte seinen zweiten Aufstieg hin. Als Flick 1972 starb, hinterließ er das damals größte Industrieimperium des Landes mit 330 Unternehmen, darunter Namen wie Buderus, Maxhütte, Dynamit Nobel oder der Panzerbauer Krauss-Maffei. Auch eine große Beteiligung an Daimler war dabei. Flick hatte in seinem Firmendickicht 300 000 Beschäftigte und machte 18 Milliarden Mark Umsatz.

Schon als junger Mensch war Flick ein außergewöhnlich aggressiver und zielorientierter Mann der Wirtschaft. Der Grundstein seines Aufstiegs beruhte auf einem Verhalten, das zwar sehr zweckorientiert war, aber mit heutigen Prinzipien guter Unternehmensführung nicht mehr vereinbar wäre. Er hat als junger Geschäftsführer der Charlottenhütte in Niedersachsen im Jahr 1915 sein Wissen genutzt, um einen hohen Aktienanteil an dieser Firma zu erwerben. Heute wäre das ein strafbares Insidergeschäft. Später, in der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg, nutzte Flick die günstigen Umstände, um sich mit billigen Krediten ein ganzes Firmenimperium zusammenzukaufen. Das geschah vornehmlich im Osten. Die Ruhrbarone hatten das Ruhrgebiet unter sich aufgeteilt und ließen dem knorrigen Siegerländer dort keinen Platz. Bald war Flick der größte Schwerindustrielle des deutschen Reiches. Und der schlaue Fuchs wusste, wie man eine Regierung erfolgreich zum eigenen Nutzen unter Druck setzt.

Sein Expansionsdrang hatte ihn in der Weltwirtschaftskrise an den Rand des Ruins getrieben. Raffiniert verbreitete der Unternehmer daher das Gerücht, ein französisches Unternehmen sei an seiner Gelsenkirchener Bergwerks AG interessiert. Jetzt sollte sich auszahlen, dass Flick alle Parteien des Weimarer Zeit reichlich mit Spenden versorgt hatte.

Der damalige Reichskanzler Heinrich Brüning, der für seine rigorose Sparpolitik bekannt und gefürchtet war, ließ sich beeindrucken und sorgte im Mai 1932 dafür, dass Flick die Firma zu einem völlig überhöhten Preis an den Staat verkaufen konnte. So ging es auf Kosten der deutschen Steuerzahler für Flick weiter. Der Siegerländer hatte wieder genug Geld für den weiteren Aufstieg. Aber das Deutsche Reich hatte einen Flick-Skandal, dem in der Bundesrepublik etwa 50 Jahre später noch ein weiterer folgen sollte.

Schon bald war Flick mit den Nationalsozialisten im Geschäft. Hitler umgarnte den Einzelgänger im Unternehmerlager von Anfang an. Schon 1933 bekam er erste Aufträge für den Bau von Flugzeugen, danach lieferte er Bomben, Granaten und Munition. Flick belieferte die Hochöfen der Reichswerke Hermann Göring in Salzgitter mit seiner Kohle und sicherte sich damit die Zusage, bei der "Arisierung" von Unternehmen, also beim Enteignen jüdischer Unternehmer, begünstigt zu werden.

Flick, der 1937 in die Partei eingetreten war, bedachte jetzt nur noch die NSDAP mit seinen Spenden, und bald war er der größte Rüstungsfabrikant Deutschlands.

Sein autokratisches Wesen - auch leitende Mitarbeiter kontrollierte er mit brutalem Druck - passte genau in die NS-Vorstellung von strenger Führung durch den Einzelnen. Er war Wehrwirtschaftsführer und Mitglied im Reichsverteidigungsrat sowie im Freundeskreis von Reichsführer SS Heinrich Himmler. Auf den Reichsparteitagen in Nürnberg hatte er eine eigene Loge.

Kaum einer profitierte von der NS-Kriegswirtschaft wie Flick.

Doch der stellte sich gern als unpolitisch dar. Seine politischen Instinkte funktionierten aber gut. Als es mit dem Krieg zu Ende ging, baute er schon mal vor und versuchte, seine Schuld zu verkleinern. Flick ließ in seinen Archiven die Spendenquittungen zugunsten demokratischer Parteien aus der Weimarer Zeit sammeln. Er verlegte die Konzernzentrale von Berlin nach Düsseldorf, um nach dem Krieg bei Westbesatzern zu landen und nicht bei den Sowjets.

Flick machte nach dem Krieg dasselbe wie vorher. Der Mann, den manche das "Genie der Geräuschlosigkeit" nannten, machte Geschäfte, wie sie ihm Vorteile versprachen, und immer nach dem alten Schema. Je verschachtelter und undurchsichtiger das Konglomerat der Firmen war, desto besser erschien es dem Patriarchen. Der Alte verkörperte gleichzeitig eine karge Lebensführung, die ihn von dem Verdacht befreite, er habe es auf persönlichen Reichtum, Prunk und Prahlerei abgesehen.

Und wieder war es ein System der Korruption, das seine Konzernstrategie begleitete. Erneut sorgte er mit Parteispenden für die nötige Nähe zur Politik, und sein Prinzip, das später "politische Landschaftspflege" genannt wurde, übertrug er auch gleich auf seinen Sohn Friedrich Karl Flick.

Korruption und Intranzparenz waren wichtige Bestandteile der Konzernstrategie

Wichtigstes Prinzip schien zu sein, Steuern zu sparen. Als der Sohn 1975 den Anteil an Daimler verkaufen wollte, ließ er sich von wohlgesonnenen Bonner Politikern die Steuerfreiheit des Handels genehmigen, um eine Milliarde Mark zu sparen. Seinen Manager und Hausmeier Eberhard von Brauchitsch ließ er großzügige Parteispenden an CDU, FDP und SPD verteilen. Die Affäre kam 1985 ans Licht. Sie kostete den damaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und andere Spitzenpolitiker ihre Posten, und die Bundesrepublik galt seitdem als "gekaufte Republik", wie der Spiegel titelte.

Die Bundesrepublik Deutschland hatte dem unheimlichen Friedrich Flick aber zuvor längst das Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband verliehen, und Flicks Geburtsstadt Kreuztal brauchte bis 2008, um ihr nach Friedrich Flick benanntes Gymnasium umzubenennen.

Die von Friedrich Flick begründeten Prinzipien der Intransparenz, der Skrupellosigkeit und der Korruption hingegen fanden ihr Ende schon früher. Flicks Sohn Friedrich Karl verkaufte im Dezember 1985, zermürbt von den Skandalen der Vergangenheit, den Konzern schließlich für fünf Milliarden D-Mark an die Deutsche Bank. Die von seinem Vater begründete Unternehmenskultur, die allein dem Profit diente und der die Gesellschaft egal war, hatte ausgedient.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: