Industriegas:Machtwechsel

Air Liquide stellt kostenfreies Bildmaterial zur Verfügung

Rauf die Treppe: Viele Jahre war Air Liquide die Nummer zwei auf dem Weltmarkt hinter Linde. Die Deutschen hatten sich 2006 an die Spitze gesetzt.

(Foto: Patrick Wack/pa/obs/Air Liquide Deutschland)

Im Markt für Industriegase werden die Karten neu gemischt. Air Liquide will den US-Anbieter Airgas kaufen.

Von Karl-Heinz Büschemann

Vom Industriegas-Anbieter Linde ist der breiten Öffentlichkeit nicht viel bekannt, das Münchner Unternehmen agiert gerne unter der Wahrnehmungsschwelle des Normalverbrauchers. Aber der zurückhaltende Dax-Konzern gefiel sich lange in der Rolle, der größte Gaseanbieter für Industrie und Medizin in der Welt zu sein. Das wird sich bald ändern. In der Branche steht eine Übernahme an. Der französische Konzern Air Liquide schickt sich an, den amerikanischen Anbieter Airgas zu übernehmen. Darauf haben sich beide Unternehmen verständigt. Dadurch entsteht ein neuer Weltmarktführer. Allerdings müssen die Wettbewerbsbehörden dem Plan noch zustimmen.

Air Liquide, der bislang hinter Linde zweitgrößte Konzern der Branche, will für das US-Unternehmen 13,4 Milliarden Dollar (12,5 Milliarden Euro) ausgeben. Diese Summe wird von Analysten als hoch eingestuft, an der Börse war die Reaktion am Mittwoch denn auch eindeutig. Die Kurse von Airgas stiegen, die von Air Liquide gerieten dagegen stark unter Druck. Aber auch die von Linde gaben deutlich nach.

Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten für Zusammenschlüsse

Insgesamt könnte der Griff über den Atlantik die Franzosen aber durchaus stärken. Airgas ist stark auf dem wichtigen US-Markt vertreten. Zudem wollen die Franzosen mit dem Zukauf der bisherigen Nummer fünf auf dem Gasmarkt Kosten in der Höhe von 300 Millionen Dollar sparen.

Die geplante Übernahme ist eine der letzten möglichen Fusionen in einem Markt, der schon lange von Zusammenschlüssen geprägt ist. Auch Linde selbst hatte in jüngerer Zeit zur Konsolidierung dieser Branche beigetragen. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Reitzle hatte Linde durch den Verkauf des Geschäfts mit Kühlanlagen und Gabelstaplern zum reinen Industriegase-Anbieter und Gasanlagenbauer gemacht. Zu den spektakulärsten Transaktionen in der Branchen- und Firmengeschichte gehörte 2006 die Übernahme des britischen Gasherstellers BOC durch Linde für zwölf Milliarden Euro. Damit hatte sich Linde an die Spitze des Weltmarktes gesetzt.

Auch die künftige US-Tochter von Air Liquide entstand durch Aufkäufe. Airgas-Gründer und -Verwaltungsratschef Peter McCausland wurde mit dem Zukauf Hunderter kleinerer Firmen zum größten Anbieter für Gase in den USA. 98 Prozent des Umsatzes von Airgas von 5,3 Milliarden Dollar entfällt auf die USA. Neben Industrie- und Medizingasen bietet das Unternehmen auch Spezialgase an. Der US-Markt ist wegen des billigen Schiefergases zu einem attraktiven Markt für europäische Industriebetriebe geworden.

Der Weltmarkt für Industriegase ist von starkem Wettbewerb geprägt. Das führt zu starkem Druck auf die Preise und das wiederum ist ein Anreiz für Zusammenschlüsse, um mit größeren Unternehmen die Kosten weiter zu senken.

Das Vorgehen von Air Liquide wird von der Börse aber auch zögerlich aufgenommen, weil die Franzosen für diesen Milliardendeal zusätzliches Kapital von ihren Aktionären brauchen. Die Rede ist im Markt von drei bis vier Milliarden Euro, die mit Hilfe einer Kapitalerhöhung hereingeholt werden sollen. Es könnte auch sein, dass sich die Fusionspartner auf Druck der Wettbewerbsbehörden Teile abgeben müssen - Linde könnte da zugreifen.

Air Liquide hatte sich nach einem kräftigen Umsatzplus im Sommer zuletzt optimistisch für das Gesamtjahr geäußert. Vor allem das Geschäft in Schwellenländern, der florierende Gesundheitssektor und die einsetzende Erholung in einigen Industriebranchen in Europa habe für steigende Einnahmen gesorgt. Linde wollte sich zu der Fusion nicht äußern.

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