In Japan:Barfuß im Hotel

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Andere Länder, andere Sitten - heißt es. Neues zu erleben, ist ja oft der Zweck einer Reise. Doch auf manches bereitet einen nicht einmal der kluge Reiseführer vor.

Von Charlotte Theile

Auf den Hausschuhen steht "Charlotte Theile", das ist schön. Heißt aber auch, dass die Straßenschuhe weg müssen. Bis zum Check-out bleiben sie verschwunden. An der Rezeption die Frage: "Wann möchten Sie zu Abend essen?" So gegen acht, aber diese Möglichkeit besteht nicht. Stattdessen exakte Termine: Um Punkt 19 Uhr wird das Essen aufs Zimmer gebracht, um 7.45 Uhr werden die Gäste im Saal zum Frühstück erwartet. Auf dem Zimmer die nächste Überraschung: Es gibt keine Betten. Dafür einen niedrigen Tisch, Sitzkissen und ausnehmend hübsche Kimonos. Einmal angezogen geht es in den Onsen, das große Gemeinschaftsbad. In den Japan-Reiseführern heißt es: Der Onsen ist nur in maximal sauberem Zustand zu betreten. Also: Duschen im Zimmer, im Bad noch einmal. Man will ja nicht negativ auffallen. Der Onsen ist angenehm heiß, man fühlt sich ein bisschen wie ein Hummer im Topf, nach einer Weile wird man schläfrig. Wenn man ein Hummer wäre, könnten sie jetzt die Temperatur aufdrehen und man würde sich widerstandslos kochen lassen. Nun ja. Es ist bereits halb sieben. Um 18.59 Uhr beginnt ein sagenhaftes Mahl. Mehrere Dutzend Gerichte werden hereingetragen, manchmal ist etwas Zeit dazwischen. Genug Zeit, um schnell zur Toilette zu gehen. Was jetzt geschieht, ist der klassische Touristen-Fehler: Im Badezimmer gibt es eigene Schuhe, die nie außerhalb des Bads benutzt werden dürfen. Noch halb im Hummermodus, ist diese Regel kurz vergessen. Was folgt, ist Slapstick. Lachanfälle, panisch zum Bad rennen, immer die Tür im Auge, durch die in wenigen Sekunden der nächste Gang kommen wird, Schuhe tauschen, zurückrennen, hinsetzen. Hände zur Buddha-Pose. Der nächste Gang, Hummersuppe. Als dann um 20.30 Uhr zwei Angestellte die Betten aus dem Schrank holen und aufbauen, ist zwei Minuten später alles vorbei. Erschöpfte Stille. Nur die Lüftung, die den Essensgeruch aus dem Zimmer zieht, brummt noch leise vor sich hin.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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