Immobilienpreise:Kein Ende des Immobilien-Booms in Sicht

Blick auf München, 2013

Wo es Arbeitsplätze gibt, zieht es viele Menschen hin. In Städten wie in München ist die Nachfrage nach Immobilien groß.

(Foto: Veronica Laber)

Als Zuwanderungsland benötigt Deutschland viele neue Wohnungen, aber in begehrten Lagen und Städten sind die Preise bereits sehr stark gestiegen.

Von Helga Einecke

Wo die Menschen der Republik geballt wohnen, ragen die Baukräne sichtbar auf. Pendler müssen mit Umleitungen rechnen, die nicht mal das Navi kennt. Glänzende Schautafeln locken in etliche neue Wohnprojekte. Hausbesitzer erhalten Makleranfragen, Mieter erleben steigende Mieten. Keine Frage, Deutschland steckt mitten im Bauboom. Und das wird laut einer Studie, die Prognos im Auftrag der Allianz erstellt hat, auch so bleiben. Danach bleibt Deutschland ein Einwanderungsland vergleichbar mit der Schweiz oder Kanada mit entsprechenden Folgen für den Immobilienmarkt.

Nicht aber die Zuwanderung an sich sorgt für weiteren künftigen Bedarf an Wohnungen, sondern die Konzentration auf Ballungsgebiete. Vor allem jüngere Menschen zieht es dorthin, wo Bildung und Arbeitsplätze geboten werden. Bis zum Jahr 2030 fehlen der Studie zu Folge weitere 940 000 Wohnungen. Die Investitionen in den Wohnungsbau müssten signifikant gesteigert, die Hürden für Planung und Genehmigung vereinfacht und beschleunigt werden, fordern die Berater. Unterstellt wird dabei ein Wachstum der Anzahl der deutschen Haushalte von derzeit 40 Millionen auf 46 Millionen.

Wohnungen werden nach diesen Vorhersagen vor allem in München, Berlin, Rhein-Main und Stuttgart fehlen, also Regionen, in denen die Preise wegen der starken Nachfrage schon bisher stark gestiegen sind. Die Bedarfsliste von Prognos nennt darüber hinaus Hamburg, Köln, den südlichen Oberrhein, Hannover, Münster und Düsseldorf als Regionen mit besonders starker Nachfrage. Auf der anderen Seite gibt es auch Gegenden, die schon heute mehr Wohnungen bieten als gebraucht werden. Dazu zählen strukturschwache Gebiete Ostdeutschlands, wie Ostthüringen, Oberlausitz-Niederschlesien, die Mecklenburgische Seenplatte, Südsachsen und Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg.

Die Bundesregierung steuert um. Bundesbauministerin Barbara Hendricks sieht einen Bedarf von mindestens 350 000 neuen Wohnungen pro Jahr. Immerhin ist die Zahl der Genehmigungen im vergangenen Jahr bereits auf 309 000 gestiegen, eine deutliche Erholung gegenüber 2009, als im Zuge der Finanzkrise nur 160 000 Wohnungen geplant wurden. Beschleunigt werden soll der Bau neuer Wohnungen nun durch Steueranreize. In Regionen mit angespannten Märkten sollen Investoren 35 Prozent der Baukosten in drei Jahren abschreiben können. Außerdem will Hendricks mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau stecken, für den jährlich eine Milliarde Euro fließt.

Auch Haushalte mit mittleren Einkommen haben in einigen Städten kaum mehr Chancen auf bezahlbaren Wohnraum. Das Internetportal Verivox hat für Wohnimmobilien (aller Baujahre) in München Kaufpreise von fast 6500 Euro pro Quadratmeter im Schnitt ausgemacht. In Hamburg und Frankfurt sollen es etwa 4000 Euro sein, in Berlin 3600 Euro. Noch interessanter sind die Veränderungen über ein Jahr. Danach ging es in Köln um zehn Prozent aufwärts, in München und Berlin um fünf Prozent, in Frankfurt aber um drei Prozent rückwärts. Völlig anders sieht das bei den Mieten aus. Da ging es in München mit zehn Prozent kräftig aufwärts, in Frankfurt und Köln mit vier Prozent mittelprächtig, während in Hamburg die Mieten um fünf Prozent fielen. Im Schnitt fallen in den Großstädten 12,40 Euro für den Quadratmeter an. Wer also unter der Schwelle von 1000 Euro Monatsmiete bleiben will, muss sich im Wohnraum beschränken oder ins Umland ausweichen. Die stark steigenden Immobilienpreise alarmieren die Bundesbank, die das in Euro angelegte Vermögen stabil halten will. Sie beruft sich auf das Analyseunternehmen Bulwiengesa, das für die sieben größten Städte Deutschlands Preissteigerungen um 45 Prozent in den letzten fünf Jahren für Wohnimmobilien ausgemacht hat. Der Preisauftrieb erfasste zuletzt auch ländliche Gebiete. Im Schnitt erhöhten sich die Preise um 18 Prozent im Bundesgebiet seit der Finanzkrise. Die Bundesbank nennt zwei Gründe für diese Entwicklung, die Nachfrage und die Zinsen. Die niedrigen Zinsen könnten bis zu einem Fünftel des Preisanstiegs für städtische Immobilien seit der Finanzkrise erklären. Die seit einigen Jahren anhaltende starke Nachfrage, ob von Investoren oder von Selbstnutzern, werde von der Zuwanderung und den Flüchtlingen verstärkt.

Die Deutschen gelten historisch bedingt als ein Volk von Mietern

Wer eine Wohnung sucht, fragt sich angesichts der niedrigen Zinsen und der stark steigenden Preise, ob mieten oder kaufen die bessere Lösung ist. Das Institut der Deutschen Wirtschaft zeigt in einer Studie, dass die Kosten für Selbstnutzer von Immobilien derzeit im Schnitt 30 Prozent unter der Miete liegen. Lediglich in München und Umgebung sei angesichts der Immobilienpreise der Vorteil für Wohneigentümer geringer. Die Gefahr einer spekulativen Blase sei noch gering, langfristig aber tendiere der Markt zu einem Ausgleich der Kosten für Selbstnutzer und Mieter. Bei vielen Städten würden sich die Kosten für Mieter und Selbstnutzer bei einem Zinsniveau von vier Prozent entsprechen. Davon scheint der Euroraum im Zuge der Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank aber weit entfernt zu sein.

Die Deutschen gelten wegen ihrer geringen Eigentumsquote als ein Volk von Mietern. Das ist historisch bedingt durch die Zerstörungen des Krieges. Lange Zeit schien mieten die bessere Alternative zu sein. Sozialpolitisch geboten wäre die Vermögensbildung durch selbst genutzten Wohnraum zwar, aber offensichtlich fehlte es an Anreizen, ähnlich wie beim Besitz von Aktien. Nicht einmal die Generation der Erben hat an dieser Tendenz etwas geändert, denn der Wohnort der Eltern liegt häufig zu weit weg vom Lebensmittelpunkt und dem Arbeitsplatz der Kinder und Enkel. Wer eine Immobilie erwerben will, benötigt Kapital, mindestens zehn Prozent des Kaufpreises sollten es schon sein. Wenn nun die Quadratmeter-Preise Jahr für Jahr steigen, können sich auch immer weniger Menschen das Wohnen in den eigenen Wänden leisten.

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