Immobilienmarkt:Tanz der Türme

Baustelle Frankfurter Altstadt

Im vergangenen Jahr investierten mehr Anleger in Bürogebäude, Shoppingcenter oder Lagerhallen der Main-Metropole, als in München oder Berlin.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Investoren schätzen Frankfurt. 2015 kauften sie dort für 7,2 Milliarden Euro Gewerbeimmobilien, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Der Wohnungsmarkt hingegen ist eng. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.

Von Andreas Remien

Große Versicherungen, Immobilien- und Hedgefonds, staatliche Pensionskassen oder Privatanleger: Sie alle kaufen seit Jahren wie verrückt Gewerbeimmobilien. Treiber der Entwicklung ist vor allem das niedrige Zinsniveau: Andere Anlageformen wie Staatsanleihen sind derzeit unattraktiv, gleichzeitig ist die Finanzierung großer Immobiliendeals so günstig wie selten zuvor. Gerade in unsicheren Zeiten ist Deutschland als sicherer Hafen besonders gefragt. Doch nicht das hippe Berlin mit seiner regen Start-up-Szene oder das prosperierende München hatte im vergangenen Jahr in den Statistiken die Nase vorn, sondern Frankfurt. Die Anleger haben am Main in großem Stil Bürogebäude, Shoppingcenter, Hotels und Lagerhallen gekauft.

Gut 7,2 Milliarden Euro haben Investoren im vergangenen Jahr für Gewerbeimmobilien in Frankfurt ausgegeben, wie aus dem Marktbericht der Immobilienberatung JLL hervorgeht. Nur München kommt mit 6,5 Milliarden Euro annähernd an dieses Ergebnis heran. Berlin (knapp fünf Milliarden) und Hamburg (4,8 Milliarden) folgen mit deutlichem Abstand. Frankfurt hat zwar nur gut ein Viertel der Fläche Berlins, dafür aber Immobilien zu bieten, die vor allem bei großen Investoren sehr gefragt sind: Hochhäuser. Und zwar nicht nur etwas höhere Gebäude, sondern echte Wolkenkratzer wie zum Beispiel den 170 Meter hohen Taunus-Turm, der im vergangenen Jahr den Eigentümer gewechselt hat. Der Commerzbank Tower wurde innerhalb nur eines Jahres sogar gleich zweimal verkauft. Wird ein Hochhaus gehandelt, geht es schnell ins Geld. Käufer haben im vergangenen Jahr für die teuersten Türme jeweils circa 650 Millionen Euro bezahlt, etwas kleinere Objekte haben für gut 400 Millionen Euro einen neuen Eigentümer gefunden. 2016 sei als das Jahr der "Big Shots" in die Investment-Geschichte eingegangen, berichtet JLL.

Dass die Investoren speziell im vergangenen Jahr so beherzt zugegriffen haben, halten manche Marktbeobachter nicht für einen Zufall. Denn neben den Hochhäusern bietet Frankfurt im Vergleich zu den anderen Städten seit Juni 2016 noch die Perspektive, vom Brexit zu profitieren. Die Hochhäuser werfen schließlich nur dann eine Rendite ab, wenn Unternehmen dort Büros für ihre Mitarbeiter anmieten - und davon sollen viele aus London kommen. Kämen tatsächlich 8000 Banker nach Frankfurt, bräuchten diese circa 160 000 Quadratmeter Bürofläche. Für sie wäre aber ausreichend Platz vorhanden. Laut JLL stehen circa 560 000 Quadratmeter Fläche leer, die für die Ansprüche der Banker geeignet wären.

Die Leerstandsquote ist die höchste unter den deutschen Großstädten

Ganz anders sieht es auf dem Wohnungsmarkt aus. Mit 0,5 Prozent gibt es laut den Marktforschern von Empirica und CBRE faktisch keinen Leerstand mehr - die Reserven sind aufgebraucht. Vor allem Mieter tun sich auf dem Wohnungsmarkt schwer. Im Vergleich der Metropolen liegt nur München vor Frankfurt. Mieter zahlen am Main laut Empirica im Mittel knapp 12 Euro pro Quadratmeter.

Zwar werden wieder mehr Wohnungen gebaut. Stadt und Bauträger trauen sich sogar wieder, Wohnhochhäuser zu entwickeln. Das Angebot kann mit der Nachfrage dennoch nicht mithalten. Auch die Preise sind daher im vergangenen Jahr wieder deutlich gestiegen. Für eine Neubauwohnung zahlen Käufer im Mittel deutlich mehr als 4000 Euro pro Quadratmeter. Eine Entspannung ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil. Laut einer Umfrage von EY rechnen 86 Prozent der befragten Experten damit, dass der Brexit zu steigenden Preisen führen wird.

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