Immobilienmarkt in Deutschland:Republik der Kräne

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Die Regierung will den Wohnungsbau ankurbeln, damit die Mieten nicht noch weiter steigen. Das erleichtert das Bauen, hat aber auf eine Sache keinen Einfluss.

Von Michael Bauchmüller und Benedikt Müller

Schräg über Barbara Hendricks hängt ein Kranhaken, unter ihren Füßen ist frischer Beton, neben ihr ragt das Skelett eines Baus in den blauen Himmel: Richtfest. Hendricks schwärmt von einem "klaren Baukörper", von den "markanten Zügen" des neuen Gebäudes, die selbst Skeptiker überzeugen dürfte. Termine wie diesen könnte es ruhig öfter geben im Leben der Bundesbauministerin.

Diesmal ist es nur ein Neubau auf der Berliner Museumsinsel, Touristen sollen hier in ein paar Jahren ihre Tickets kaufen, wenn sie die Schätze der Hauptstadt bestaunen wollen. Auf anderen Baustellen des Landes müsste es aus Sicht der SPD-Ministerin viel schneller vorangehen. In den Ballungsgebieten fehlen Wohnungen. Vor allem solche, die sich bezahlen lassen.

Je nach Schätzung müssten jährlich zwischen 350 000 und 400 000 neue Wohnungen gebaut werden, um der Knappheit zu begegnen. Gebraucht werden sie vor allem dort, wo Jobs und Universitäten locken. Weil anhaltend viele Landmenschen in die Zentren ziehen, geraten Angebot und Nachfrage aus den Fugen: In den Städten explodieren die Mieten, auf dem Land suchen Hausbesitzer händeringend nach Mietern oder Käufern.

In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich die Entwicklung ungebremst fortgesetzt. Laut dem Forschungsinstitut "Empirica" wurden Eigentumswohnungen zu gut neun Prozent höheren Preisen angeboten als noch vor einem Jahr. Betrachtet man nur die sieben größten Städte des Landes, liegt die Preissteigerung bei 13 Prozent. Die Angebotsmieten sind demnach bundesweit um weitere zwei Prozent gestiegen.

Lange hat die Bundesregierung an den Symptomen herumgedoktert. Sie erließ eine Mietpreisbremse, um zumindest in den bereits gebauten Häusern die Mietsteigerungen zu bremsen. Sie führte das Bestellerprinzip bei Maklern ein, um die Mieter zu entlasten. Oder sie novelliert das Mietrecht, wie derzeit der Bundesjustizminister. Geht es nach Heiko Maas (SPD), sollen Vermieter künftig weniger Modernisierungskosten auf ihre Mieter abwälzen dürfen; und Mietspiegel sollen künftig über längere Zeiträume kalkuliert werden, damit den jüngeren Jahren mit hohen Mieten auch die Jahre vor dem jüngsten Anstieg gegenüberstehen. In den Ballungsräumen könnte das die Anstiege dämpfen.

Theoretisch.

Nur ist auch die Miete ein Spiegel von Angebot und Nachfrage. "Das beste Mittel gegen hohe Mieten", sagt Hendricks, "sind mehr Wohnungen." Das gilt umso mehr, da viele Geflüchtete für eine längere Zeit in Deutschland bleiben werden - und statt provisorischen Unterkünften ganz normale Wohnungen brauchen.

Seitdem zieht der Bund alle Register. Im vorigen Jahr stockte er schon einmal die Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf, damals von einer halben auf eine ganze Milliarde Euro pro Jahr. Nach den jüngsten Haushaltseckpunkten soll im nächsten Jahr noch einmal eine halbe Milliarde Euro dazu kommen. 30 000 neue Wohnungen pro halbe Milliarde Euro - das ist die Faustregel. So könnten 90 000 Wohnungen entstehen.

Gute Aussicht: Auf dieser künftigen Baustelle in Aubing bei München behalten Bauherren und Schaulustige den Überblick. (Foto: Catherina Hess)

Weiteren Wohnraum soll ein Steuerbonus bringen. Bauherren können damit bis zu 35 Prozent ihrer Kosten von der Steuer absetzen. Voraussetzung: Die Wohnungen entstehen in Gegenden mit knappem Wohnraum - also in Gemeinden, deren Mieten um mindestens fünf Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt.

Immobilienökonomen bezweifeln allerdings, dass die Sonderabschreibung den Wohnungsbau in den Städten ankurbeln wird. "Es fehlt zurzeit weder an Investoren noch an Geld im Markt", sagt Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Schließlich seien die Bauzinsen so niedrig wie nie zuvor. Immobilien sind ein beliebtes Investitionsobjekt, weil sie stabile Renditen versprechen. "Das größte Problem ist, dass Bauherren kaum noch geeignete Grundstücke bekommen", sagt Voigtländer. In Großstädten wie München und Köln liegen nur wenige Flächen brach. Drumherum wäre zwar noch Platz. "Doch Bauland auszuweisen, ist recht unpopulär." Umlandgemeinden müssten viel Geld für die Erschließung neuer Viertel ausgeben; zudem enttäuschen sie womöglich Eigentümer, die von der Wertsteigerung ihres bestehenden Häuschens profitieren.

In Berlin ist Bauland im vergangenen Jahr um 30 Prozent teurer geworden

Längst macht sich die Flächenknappheit in den Bodenpreisen bemerkbar. In Berlin, dem Wohnungsmarkt mit den bundesweit höchsten Preissteigerungen, betrachtet die Verwaltung mit Sorge, dass sich Bauland alleine im vergangenen Jahr um 30 Prozent verteuert hat, "nahezu flächendeckend". Das Problem: Wenn die Preise so schnell steigen, kann es sich für Eigentümer lohnen, ihr Bauland zunächst nicht zu verkaufen oder zu entwickeln; nächstes Jahr könnte es ja noch wertvoller sein. "Teilweise halten Investoren zurzeit ihren Bodenbesitz und spekulieren auf Wertsteigerungen", sagt Voigtländer.

In jedem Fall sind die gestiegenen Bodenpreise ein Grund, warum Bauen in den Ballungsgebieten in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden ist. Hinzu kommen die vielerorts gestiegene Grunderwerbsteuer sowie strengere Energie-Standards oder Brandschutz-Auflagen. "Die hohen Baukosten führen dazu, dass neue Wohnungen eher im hochpreisigen Segment entstehen", sagt Voigtländer. Dort ist die Nachfrage aber nicht so stark. Es wird also eher klein und exklusiv gedacht als groß und günstig.

Abgesehen vom Neubau bliebe noch die Nutzung bebauter Flächen. So ließen sich nach Auffassung von Experten bundesweit mehr als eine halbe Million Häuser aufstocken, rund eine Million neuer Wohnungen könnten so entstehen - und das mitten in den Städten. Doch was verhältnismäßig einfach klingt, stößt mitunter auf Probleme im Paragrafendschungel. So verlangen vielerorts die Bauordnungen einen eigenen Pkw-Stellplatz für jede Wohnung. Wo aber soll ein solcher Stellplatz nachträglich in einem Gebäude entstehen? Schon jetzt stehen vielerorts die Stellplatz-Vorgaben zur Disposition, unter anderem des Car-sharings wegen. In Berlin etwa verzichten 40 Prozent aller Haushalte auf ein Auto. Pro Quadratmeter Wohnung, so rechnen Regierungsbeamte vor, ließen sich ohne die Vorgabe 500 Euro sparen. Auch im Baurecht gäbe es noch reichlich Potenziale. So leisten sich die Bundesländer derzeit 16 eigene Bauordnungen, jeweils mit eigenen Vorgaben, wie ein ordnungsgemäßes Gebäude auszusehen hat. Dabei liegt längst eine "Musterbauordnung" in den Schubladen der Landesminister, die von den Landesparlamenten verabschiedet werden müsste. Wäre die Bauordnung bundesweit einheitlich, dann könne die Industrie auch in größeren Mengen produzieren, heißt es in der Bundesregierung. Ließen sich etwa die Bedingungen für neue Aufzüge vereinheitlichen, sagt Hendricks, "dann würden Aufzüge auch billiger". Nach dem Richtfest auf der Museumsinsel übrigens rauschte die Ministerin rasch ab, zur Sonderkonferenz mit ihren Länderkollegen. Es gab da noch ein paar Kleinigkeiten zu regeln - fürs leichtere Bauen.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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