Immobilienboom in der Volksrepublik:Eiffelturm, made in China

Chinesen lieben Paris. So sehr, dass sie die französische Hauptstadt in der Nähe von Shanghai nachgebaut haben. Inklusive ihrem Wahrzeichen. Doch es gibt ein Problem: Niemand will dort wohnen. Eine Geisterstadt in Bildern.

Von Jana Stegemann

8 Bilder

A woman walks across the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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Das ist Paris. In der chinesischen Version. Die Stadt Tianducheng liegt außerhalb der Millionenmetropole Shanghai und wurde dem Pariser Stadtzentrum nachempfunden. Ursprünglich sollten hier 100.000 Menschen ein Zuhause finden. Doch fünf Jahre nach der Fertigstellung gleicht sie einer Geisterstadt. Gut, die chinesische Version des Eiffelturms ist mit 108 Metern ein bisschen kleiner als das französische Original, das 324 Meter misst. Außerdem ist der Eiffelturm eingezäunt. Taschendiebe, verliebte Pärchen, kichernde Schulklassen sucht man hier vergeblich. Es ist eher eine überdimensionale Aufklapp-Postkarte zum Drinwohnen - ohne Dreck, Lärm und Atmosphäre. So künstlich wie Disneyland.

People walk past a fountain at the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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Lustwandeln wie in den Gärten von Versailles - auch das ist möglich in Tianducheng. Riesige Brunnen (im Bild der Latona-Brunnen) und Fontänen gestaltet wie auf den Anlagen des französischen Sonnenkönigs prägen das Stadtbild. Es gibt eine Kopie des Triumphbogens, der Parkanlage Champ de Mars und des Jardins du Luxembourg. Während das echte Paris über Jahrhunderte gewachsen ist, wurde die ein paar Quadratkilometer große schlüsselfertige Paris-Kopie in zwei Jahren aus dem Boden gestampft. Doch von Pariser Flair ist nicht viel zu spüren.

A farmer's house is seen near a replica of the Eiffel Tower at the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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In der Nähe der Prachtboulevards und mächtigen weißen Sandsteinhäuser leben chinesische Bauern in ärmlichen Hütten und bebauen ihre Felder nach traditioneller chinesischer Art. Doch das Bauprojekt ist nicht ungewöhnlich. In Songiiang wurden Teile Londons nachgebaut, in Chongging kann man in Häusern wie in Beverly Hills wohnen, in Shanghai ein Leben wie im holländischen Amersfoort führen. In der südchinesischen Stadt Boluo steht die perfekte Imitation des österreichischen Alpen-Örtchens Hallstatt. Dafür haben Chinesen monatelang in Hallstatt alles fotografiert und sogar die exakten Maße der Balkone notiert. 

A man sits under a tree at the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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2012 war Paris weltweit das Touristenziel Nummer Eins, also das französische Paris. Nach Tianducheng hingegen verlaufen sich so gut wie nie Touristen. Eine Ausnahme bilden Hochzeitspaare. Ganze Busladungen werden dorthin gekarrt, doch sie bleiben nicht lange - nur um schöne Fotos in der künstlichen Kulisse zu machen. Während eine Übernachtung in der französischen Hauptstadt mitllerweile durchschnittlich 164 Euro kostet, ist eine Nacht im Tianducheng Resort schon für etwa 82 Dollar (etwa 62 Euro) zu haben. 

Farmer tills field under a replica of Eiffel Tower at the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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Land gegen Stadt: Die rasante Verstädterung in China zwingt die Politik zum Handeln. Darum läuft aktuell das größte Investment-Projekt der Menschheit: Nach Schätzungen der Unternehmensberatung McKinsey werden bis 2025 etwa 350 Millionen Menschen aus den Provinzen in die Städte umziehen. Darum wird in China beispiellos gigantisch gebaut. Doch die Warnungen der Experten vor einer drohenden Immobilienblase werden lauter. Chinas neuer Regierung ist das egal, sie ist froh, dass das Wachstum wieder zunimmt. 

View of the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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Beobachter sagen, das Erstaunlichste an den chinesischen Architektur-Klonen sei ihre Radikalität. Es gehe nicht um Zitate oder Anspielungen. Nein, es gehe darum, das Original nachzubauen. Und zwar besser, als es je war. Ein Beispiel dafür ist das nachgebaute Venedig in Hangzhou. In der chinesischen Kopie gibt es mehr Platz als in der echten Lagunenstadt. Die Wohnhäuser sind höher, die Straßen breiter. 

Resident stands on the balcony of his apartment at the Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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In der Paris-Kopie Tianducheng gibt es sogar eine Gated-Community. Diese Städte sind Statussymbole für Neureiche, sagte die amerikanische Kulturforscherin Bianca Bosker in der Welt. "Die Aneigung westlicher Kultur hat viel mit dem Selbstbewusstsein der neuen Mittelschichten und Reichen zu tun. Sie wollen zeigen, dass sie zu einer globalen Elite gehörten, ihre Werte und kulturellen Codes beherrschen." Zum Savoir-vivre gehört es eben auch, halbnackt auf einem Balkon zu stehen.   

Woman walks past supermarket at Tianducheng development in Hangzhou

Quelle: REUTERS

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Architektur-Mimikry nennen Wissenschaftler den Trend, in China englische, deutsche, französische und italienische Städte nachzubauen. Die Wissenschaftlerin Bianca Bosker stellt die These auf, dass die Idylle der Fake-Architektur auch ein Gegenmittel zum Modernismus sei, der China momentan übergestülpt wird. 

Nachzulesen sind ihre Thesen hier: Bianca Bosker: Original Copies, Architectural Mimicry in Contemporary China, University of Hawaii Press

Linktipp: Die Geisterstadt Tianducheng im Video.

© Süddeutsche.de/jst/mahu
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